Eine hellhäutige Hand umfasst sanft eine dunkelhäutige Hand.© PeopleImages / iStock / Getty Images Plus
Extreme Schuld- und Schamgefühle sind auch Symptome oder Begleiterscheinungen bei vielen psychischen Erkrankungen.

Tipps für den Alltag

SCHULDGEFÜHLE UND SCHAM ÜBERWINDEN

Fehler im Job und kleine Ausrutscher im Alltag passieren jedem. Wenn sie jedoch heftige Selbstkritik auslösen, sollte man sich Strategien suchen, um Schuld- und Schamgefühle zu überwinden. Besonders wichtig: Fehler als Chance annehmen.

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Viele Menschen kämpfen mit Selbstvorwürfen – doch man kann Schuldgefühle überwinden und neue Wege im Umgang mit Fehlern finden.

Facharzt Steffen Häfner erklärt, wie man mit Scham besser umgeht und die psychische Gesundheit stärkt. Gerade bei psychischen Erkrankungen kann das entscheidend sein.

Schuldgefühle überwinden: Ein gesunder Umgang mit Fehlern

Kleine Ausrutscher wie ein vergessener Geburtstag oder größere Patzer im Job – Fehler gehören zum Alltag. Und doch lösen sie bei vielen heftige Selbstkritik aus. Das erschwert es, Schuldgefühle zu überwinden. 
„Dabei sind Fehler ein natürlicher Teil unserer persönlichen Entwicklung“, sagt Steffen Häfner, Ärztlicher Direktor der Klinik am schönen Moos in Bad Saulgau.

Entscheidend sei nicht, ob man etwas falsch mache, „sondern wie wir anschließend damit umgehen“. Wer lernt, mit Fehlern umzugehen, kann auch Schamgefühle abbauen.

Scham und Schuld: Was unterscheidet sie?

Wer glaubt, gegen eigene Werte oder die Erwartungen anderer verstoßen zu haben, empfindet häufig Schuld. Scham hingegen betrifft mehr das Gefühl, als Person versagt zu haben.
„Sie kann tiefgreifender und lähmender wirken“, so Häfner. Diese Gefühle erschweren es, Schuldgefühle zu überwinden und psychische Gesundheit zu stärken.

Die Emotionen zeigen sich besonders im Familien- oder Berufsalltag – etwa wenn eine überforderte Mutter ihr Kind anschreit und sich danach fragt, ob sie eine schlechte Mutter ist. Oder wenn ein Teamleiter nach einem Fehler in der Präsentation tagelang an sich zweifelt.

Umgang mit Fehlern: Perspektive ändern

Häfner rät zu einem wohlwollenden Umgang mit Fehlern und sich selbst: „Statt sich in Selbstvorwürfen zu verlieren, ist es hilfreicher, sich den Fehler einzugestehen und daraus zu lernen.“ Das ist ein zentraler Schritt, um Schuldgefühle zu überwinden. Dabei könne ein Perspektivwechsel helfen – etwa sich zu fragen, ob man mit einer guten Freundin ebenso hart ins Gericht gehen würde wie mit sich selbst.

„Zwar ist es wichtig, sich die eigenen Fehler einzugestehen und Verantwortung zu übernehmen – doch ohne dabei die Fehltritte als unverzeihliches Versagen zu werten.“

Umgang mit Fehlern, offene Kommunikation und Mitgefühl seien Schlüsselkompetenzen, um Schamgefühle abzubauen und die psychische Gesundheit zu stärken.
Offen über Missgeschicke zu sprechen, könne entlasten und Schamgefühle abbauen. „Die Frage ‚Was kann ich künftig anders machen?‘ lenkt den Blick nach vorn und ermöglicht neue Handlungsspielräume“, so Häfner. Wer aktiv an Lösungen arbeitet, kann nachhaltiger Schuldgefühle überwinden. Fehler könnten so der Anfang positiver Veränderungen sein. Der Appell des Arztes:

„Wir brauchen eine neue Fehlerkultur – in Familien, Schulen und Unternehmen. Denn wo Menschen Schwächen zeigen dürfen, entsteht echtes Vertrauen. Und genau das stärkt langfristig unsere psychische Gesundheit“.

Wenn Schuld krank macht

Extreme Schuld- und Schamgefühle sind auch Symptome oder Begleiterscheinungen bei vielen psychischen Erkrankungen:

„Besonders stark ausgeprägt sind die beiden Emotionen unter anderem bei der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), beispielsweise in Form von Überlebensschuld oder des irrtümlichen Gefühls, für erlittene Gewalt selbst verantwortlich zu sein.“

Diese Menschen brauchen gezielte Unterstützung, um Schuldgefühle zu überwinden. Und das ist nicht alles. Häfner erklärt:

„Auch Menschen mit Essstörungen erleben oft intensive Scham bezüglich ihres Körpers oder ihres Essverhaltens sowie Schuldgefühle nach Essanfällen oder dem ‚Verstoß‘ gegen eigene Ernährungsregeln. Bei einer sozialen Phobie dominiert meist die Angst, sich in Gesellschaft zu blamieren, begleitet von Schuldgefühlen, wenn das vermeintlich passiert ist.“

Was tun gegen Schuldgefühle?

Auch hier geht es darum, Schamgefühle abzubauen und den individuellen Umgang mit Fehlern neu zu lernen. Hier helfe meist eine Psychotherapie, „um ein gesundes Maß an Schuld- und Schamgefühlen zu entwickeln, den ausgeprägten Leidensdruck zu reduzieren und nachhaltig psychische Gesundheit zu stärken.“
Nur so lassen sich tiefsitzende Schuldgefühle überwinden.

Quelle: dpa

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