Ein schlankes Mädchen betrachtet sich kritisch in einem großen Ganzkörperspiegel.© Aleksandr Golubev / iStock / Getty Images Plus
Essstörungen betroffen besonders Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren.

Gefährliche Selbstoptimierung-Trends

ESSSTÖRUNGEN BEI JUGENDLICHEN: MÄDCHEN LEIDEN BESONDERS UNTER SOCIAL-MEDIA-DRUCK

Immer mehr Jugendliche entwickeln Essstörungen – besonders betroffen sind Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren. Der Druck durch Social Media Schönheitsideale und der Trend zur Selbstoptimierung verstärken das Risiko, an Essstörungen bei Jugendlichen zu erkranken.

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Insbesondere der Trend zur Selbstoptimierung und Psyche auf Social-Media-Plattformen führt einer Krankenkasse zufolge zu massiv steigenden Zahlen von Essstörungen bei Jugendlichen – vor allem unter Mädchen und jungen Frauen. Besonders unter 12- bis 17-jährigen Mädchen stieg die Zahl der Fälle von Magersucht bei Mädchen, Bulimie und Binge Eating – krankhaften Essanfällen. Sie kletterte hier vom Vor-Corona-Jahr 2019 bis 2023 von 101 auf 150 Fälle je 10000 Versicherte, wie die KKH Kaufmännische Krankenkasse mitteilte.
Das sei ein Plus von fast 50 Prozent – in keiner anderen Gruppe sei der Anstieg derart deutlich.

Die boomende Selbstoptimierung und Psyche und fragwürdige Social Media Schönheitsideale könnten besonders bei Heranwachsenden zu einem verminderten Selbstwertgefühl und sogar zu psychischen Erkrankungen wie Essstörungen bei Jugendlichen führen, warnte die Kasse.

Übersteigerte Ansprüche und die Rolle der Social Media Schönheitsideale

„In einer Lebensphase, in der die eigene Identität noch nicht gefestigt und das Selbstwertgefühl oft nur schwach ausgeprägt ist, können solche übersteigerten Ansprüche an das eigene Aussehen zu einer großen Belastung werden“, sagte die KKH-Psychologin Franziska Klemm. Sie warnte:

„Je intensiver die Nutzung sozialer Medien ist, desto größer ist auch das Risiko für eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und damit verbundene Essstörungen bei Jugendlichen.“

Für die Untersuchung wertete die Krankenkasse die Daten eigener Versicherter aus den Jahren 2019 bis 2023 aus. Basis seien rund 1,66 Millionen KKH-Versicherte im Jahr 2023, darunter rund 90.300 Mädchen und Jungen im Alter von 12 bis 17 Jahren. Die KKH hat nach eigenen Angaben derzeit rund 1,5 Millionen Versicherte.

Magersucht bei Mädchen besonders verbreitet

Besonders anfällig sind nach Einschätzung der Psychologin Mädchen – die von derartigen Videos nicht nur direkt angesprochen würden, sondern sich auch mehr mit sich selbst beschäftigten als Jungen. Sie verglichen sich häufiger in sozialen Medien und verspürten einen höheren Druck, Social Media Schönheitsideale zu erfüllen. Besonders Magersucht bei Mädchen tritt dabei häufiger auf als bei Jungen. Außerdem sei vielen nicht bewusst, dass das Leben auf Social Media in der Regel inszeniert sei. Und doch: Während Stars wie Supermodels oder Hollywood-Schauspieler ohnehin unerreichbar schienen, herrsche in sozialen Medien „eine gewisse Nahbarkeit“.

Bei den gleichaltrigen Jungen dagegen stagnierte den Angaben zufolge die Zahl der Betroffenen beinahe – registriert wurde ein Plus von gut vier Prozent oder ein Anstieg von 34 auf 36 Fälle je 10000 Versicherte.

Unter den 18- bis 24-jährigen Frauen stellte die Kasse einen Anstieg um 25,1 Prozent fest, insgesamt stieg die Zahl der betroffenen Frauen um 10,4 Prozent. Laut Hochrechnung der Versicherung hatten 2023 fast 460000 Menschen in Deutschland eine diagnostizierte Essstörung bei Jugendlichen – 7,5 Prozent davon waren Mädchen mit Magersucht im Alter zwischen 12 und 17 Jahren.

Selbstoptimierung und Psyche: Realität vs. Online-Welt

In zahllosen Videos erzählten schlanke Frauen von ihrer „Reise zum Idealkörper“, gleichzeitig prangere eine „virtuelle Beauty-Polizei“ Social Media Schönheitsideale an – wie runde, volle Gesichter („Cortisol Face“) oder gar übergewichtige große Zehen („Toebesity“), warnte die Kasse.

„Aufklärung allein hilft da nicht“, betonte Klemm. Wirksamer sei es, ein positives Selbstbild zu fördern und den kritischen Umgang mit Social Media Schönheitsidealen zu stärken: „Das alles schützt nachweislich vor der Entwicklung einer Essstörung bei Jugendlichen.“

Neben der Teilnahme an Präventionsprogrammen könnten Jugendliche selbst viel tun, sagte Klemm:

„Wichtig ist, sich der Diskrepanz zwischen geschönten Online-Darstellungen und der Realität bewusst zu werden. Ganz konkret heißt das, rauszugehen und zu schauen, wie die Menschen wirklich sind.“

Und: Eine Strategie sei ein sensiblerer Umgang mit sozialen Netzwerken – also: weniger Zeit damit verbringen und Social-Media-Pausen einlegen, um die Auswirkungen von Selbstoptimierung und Psyche auf das Selbstwertgefühl zu minimieren.

Quelle: dpa

 

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