Maßkrüge mit Bier© AndreasWeber / iStock / Getty Images Plus
Wo viele Menschen zusammenkommen, gemeinsam feiern und lachen, sind Viren oft nicht weit. Ist das Münchner Oktoberfest eine Brutstätte für Krankheitserreger?

Wiesn

CORONA- UND GRIPPEIMPFUNGEN ZU SPÄT FÜR OKTOBERFEST

Erreger haben leichtes Spiel auf dem Oktoberfest – nicht erst seit Corona. Dieses Jahr rücken nach Sars-CoV-2 andere Viren wie Influenza und das RS-Virus in den Fokus. RSV trifft nicht nur Kinder – und wird wohl wie andere Erkältungsviren auch auf der Wiesn gastieren.

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Corona? Was war das noch? Zwei Mal hat die Stadt München das Oktoberfest wegen der Pandemie abgesagt. Im vergangenen Jahr gab es noch besorgte Stimmen – doch die Riesen-Wiesn-Welle blieb aus. Dieses Jahr besorgt Sars-CoV-2 die Mediziner vor dem größten Volksfest der Welt nur noch wenig.

Die bierselige Enge voller Festzelte bleibt aber eine Eldorado für Krankheitskeime – und vor allem für leicht übertragbare Erkältungsviren. Millionen Gäste aus aller Welt werden ab Samstag bis 3. Oktober zu dem Volksfest in München erwartet – und mit ihnen diverse Erreger.

Wiesn-Grippe auf dem Anmarsch

Schon vor der Pandemie begann regelmäßig kurz nach dem Wiesnstart in München das große Niesen: Das Phänomen „Wiesn-Grippe“ ist lange bekannt – und gehört dazu wie die Maß Bier und das Hendl. Das Wiesn werde auch dieses Jahr die Zahl der Atemwegserkrankungen steigen lassen, sagt der Leiter der Infektiologie des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, Christoph Spinner. „Aber ich sehe keine Notwendigkeit, Sars-CoV-2 noch besonders herauszuheben.“

Auch Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie an der München Klinik Schwabing, der Anfang 2020 die ersten Corona-Patienten in Deutschland behandelt hatte, sagt: „Es kann das Infektionsgeschehen durch die Wiesn etwas angeheizt werden.“ Es sei aber anders als in den ersten beiden Pandemie-Jahren absolut vertretbar, das Volksfest wie früher zu feiern.

„Die Wiesn wird nicht dazu führen, dass die Intensivstationen volllaufen.“

Wendtner, in der Pandemie einer der vorsichtigsten in der Diskussion um Corona-Schutzmaßnahmen, sieht in diesem Herbst und Winter erstmals einigermaßen entspannt entgegen. Anders als 2022 habe es keine Sommerwelle gegeben. „Ich glaube nicht, dass wir eine riesige Welle wie bei Omikron erwarten. Da bin ich optimistisch für diesen Winter.“

Impf-Vorsorge für das Oktoberfest

Dennoch sollten Risikopatienten, Ältere und Gesundheitspersonal sich gegen Corona impfen lassen, ebenso gegen Grippe und unter Umständen auch gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV).

Sowohl die Grippe als auch die RSV-Saison war 2022 sehr früh gestartet, im September und Oktober – genau zur Wiesnzeit. Mit einer Impf-Vorsorge für die Wiesn wird es zeitlich aber knapp.

Der Grippeimpfstoff soll bis Monatsmitte ausgeliefert werden. Die neuen Corona-Vakzine könnten laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ab 18. September in den Praxen sein – zwei Tage nach dem Oktoberfest-Start. Und bis nach einer Impfung ein wirksamer Schutz eintritt, vergeht mindestens eine Woche. „Wenn ich könnte, würde ich mich noch vor dem Oktoberfest gegen Influenza und Corona impfen lassen. Aber für einen Impfschutz rechtzeitig zur Wiesn wird es nicht reichen“, sagt Spinner.

RSV-Infektionswelle trifft München

In den Fokus rückte nach der Welle bei Kindern im vergangenen Winter das RS-Virus. Es trifft, so die Ärzte, keineswegs nur Kleinkinder, sondern auch Erwachsene. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass RSV auch auf dem Oktoberfest eine Rolle spielen wird“, sagt Spinner.

Wendtner warnt, das RSV-Virus könne auch bei Erwachsenen schwere Verläufe auslösen. Die Zahl der Todesfälle aus den USA sei 2022 überraschend hoch gewesen. Zwei RSV-Impfstoffe sind inzwischen zugelassen – aber nur einer davon, Arexvy, ist in deutschen Apotheken verfügbar. Die Stiko hat zudem noch keine Empfehlung ausgesprochen.

Infektionsherd Volksfest

Vor Corona hatte sich kaum jemand um steigende Zahlen von Erkältungsfällen durch Volksfeste gekümmert. 2022 zeigte: Nicht nur zur Wiesn, sondern auch während anderer großer Volksfeste stiegen – vermutlich exemplarisch auch für andere Erkältungskrankheiten, die nicht registriert wurden – die Corona-Inzidenzen.

In München und in drei der vier direkt angrenzenden Landkreise lag wenige Tage nach dem Ende des Oktoberfestes die Sieben-Tagen-Inzidenz über 1000. Die Stadt hatte eineinhalb Wochen nach dem Fest mit 1481,3 eine der höchsten Inzidenzen in Bayern; Kliniken klagten wegen der steigenden Patientenzahlen sowie Personalausfällen über Probleme.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte damals, es habe für Corona-Auflagen keine rechtlichen Möglichkeiten gegeben – und es sei klar gewesen, dass die Infektionszahlen deutlich steigen würden.

Menschenmengen als Brutstätte
Schon 1854 und 1873 wurde die Wiesn wegen einer Pandemie abgesagt, die Cholera wütete in der Welt. Auf der Wiesn werden trotz dicht gedrängter Massen offenbar jenseits von Erkältungsviren übertragbare Krankheiten kaum ausgetauscht.
Magen-Darm-Erkrankungen, Herpes, Krätze, Läuse – all das spielt keine größere Rolle. Selbst das ansteckende Noro-Virus hat bisher auf der Wiesn zu keinem Ausbruch geführt. Erbrechen ist zwar ein typisches Volksfest-Phänomen, aber meist als Folge übermäßigen Alkoholgenusses.

Vorbereitungen für den Ansturm

„Wir sind vorbereitet – auf alles, was passieren kann. Da gehören auch Infektionskrankheiten dazu“, sagt Michel Belcijan von der Wiesn-Sanitätsstation der Aicher-Ambulanz. Desinfektion und Mundschutz stünden bereit.

Aber: „Wir gehen dieses Jahr von einem Normalbetrieb aus.“ Die Wiesn-Ärzte wie auch umliegende Kliniken müssen seit jeher vor allem Alkoholräusche und Verletzungen durch Schlägereien oder Maßkrug-Scherben behandeln.

Die Affenpocken, die 2022 auch vor dem Oktoberfest Sorgen ausgelöst hatten, sind derzeit kein Thema. „Weltweit werden kaum mehr Fälle beobachtet. Offenbar ist es gelungen die Infektionsketten zu unterbrechen“, sagt Spinner. Das Virus sei schwerer übertragbar als Atemwegsinfektionen und erfordere direkten Kontakt mit Infizierten.

Die meisten Infektionen traten nach sexuellen Kontakten auf. Weil man sich auf der Wiesn, enthemmt durch die eine oder andere Maß Bier, leicht einmal näher kommt, waren im Vorjahr hier Infektionen befürchtet worden. Dies bewahrheitete sich nicht – womöglich geht es auf dem Fest halt doch gesitteter zu als mancher sich ausmalt.

Quelle: dpa

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