Erkälteter Mann sitzt mit einer Decke um den Körper, putzt sich die Nase und arbeitet mit seinem Laptop© PeopleImages / iStock / Getty Images Plus
Wer krank zur Arbeit geht, riskiert mehr als einen zähen Arbeitstag: Präsentismus kann langfristig gesundheitsschädlich sein.

Home-Office

PRÄSENTISMUS: WARUM KRANK ZUR ARBEIT LANGFRISTIG KRANK MACHT

Viele Menschen gehen trotz Krankheit zur Arbeit – oft aus Pflichtgefühl. Doch Präsentismus kann langfristig krank machen. Eine neue Studie zeigt: Wer sich nicht auskuriert, riskiert chronische Erschöpfung – besonders im Home-Office.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Viele Menschen gehen auch mit Husten, Kopfschmerzen oder Erschöpfung zur Arbeit – aus Pflichtgefühl, wegen Terminen oder weil „niemand sonst es machen kann“.

Doch wer krank zur Arbeit geht, riskiert deutlich mehr als einen zähen Arbeitstag: Präsentismus kann langfristig gesundheitsschädlich sein.

Eine Untersuchung der Technischen Universität Chemnitz, der Universität Groningen und der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zeigt: Je häufiger Menschen krank zur Arbeit gehen, desto stärker häufen sich laut Studie Anzeichen von chronischer Erschöpfung.

„Wer Präsentismus regelmäßig zeigt, läuft Gefahr, in eine Spirale aus Überforderung und dauerhafter Erschöpfung zu geraten“, warnt Co-Autor Dr. Oliver Weigelt von der Universität Groningen. Die Forschenden berücksichtigten in ihrer Auswertung auch Faktoren wie Krankheitssymptome, Arbeitsbelastung und Zeitdruck – die Effekte des Präsentismus zeigten sich trotzdem klar.

Wer Präsentismus regelmäßig zeigt, läuft Gefahr, in eine Spirale aus Überforderung und dauerhafter Erschöpfung zu geraten

Zwar da, aber dann länger angeschlagen

„Wer krank arbeitet, braucht wesentlich länger, um sich zu regenerieren“,

sagt Studienleiterin Dr. Carolin Dietz von der Technischen Universität Chemnitz. Viele unterschätzten, wie viel Energie der Körper für die Genesung braucht. „Unsere Daten zeigen, dass sich Erschöpfung nach solchen Phasen nur langsam über mehrere Wochen hinweg abbaut.“

Die Forschenden begleiteten 123 Berufstätige über bis zu 16 Wochen. In wöchentlichen Tagebüchern dokumentierten die Teilnehmenden, ob sie trotz Krankheit arbeiteten und wie müde sie sich fühlten. Das Ergebnis ist eindeutig: In den Wochen, in denen Beschäftigte krank zur Arbeit gingen, stieg ihr Erschöpfungsniveau deutlich – und blieb auch in den folgenden Wochen erhöht.

Damit verstärkt Präsentismus das Risiko für langfristige chronische Erschöpfung.

Was also tun bei Präsentismus im Home-Office?

Wer krank ist, sollte ehrlich einschätzen, ob er wirklich leistungsfähig ist – und die langfristige Gesundheit über kurzfristige Anwesenheit stellen. Präsentismus bringt aus Sicht der Beschäftigten oft schnelle Lösungen, führt aber mittelfristig zu Leistungsabfall und höherem Krankenstand. Davon hat auch der Arbeitgeber etwas, denn „Präsentismus kann aus Sicht der Beschäftigten kurzfristig pragmatisch erscheinen, führt aber mittelfristig zu Leistungsabfall und höheren Belastungskosten“, so Wirtschaftspsychologe Professor Bertolt Meyer, Technische Universität Chemnitz.

Bei Überlastung frühzeitig das Gespräch suchen. Experten empfehlen, nicht erst dann zu reden, wenn man bereits in chronischer Erschöpfung steckt. Es geht hier nicht wie bei einer Gehaltsverhandlung um einen taktischen Moment, sondern um gesundheitliche Prävention. Gerade im Home-Office fällt es schwer, Signale rechtzeitig wahrzunehmen.

Ein kurzes Signal („Ich merke gerade, dass ich zu viel zu tun habe oder gesundheitlich angeschlagen bin“) ist souverän und ermöglicht es Führungskräften, Aufgaben umzuverteilen oder Prioritäten neu zu sortieren – auch im Kontext von Home-Office Gesundheit.

Präsentismus kann aus Sicht der Beschäftigten kurzfristig pragmatisch erscheinen, führt aber mittelfristig zu Leistungsabfall und höheren Belastungskosten

Erholung im Home-Office aktiv gestalten

Gerade bei Home-Office oder flexiblen Arbeitsformen ist es für die Gesundheit wichtig, dass Erholungsphasen nicht nur formell bestehen, sondern auch tatsächlich wahrgenommen werden. Körper und Geist müssen zur Ruhe kommen.

Mehrere Studien zeigten bereits vor der Corona-Pandemie, dass Beschäftigte im Home-Office häufiger zu gesundheitsschädlichem Präsentismus neigen – mit entsprechenden Folgen wie chronischer Erschöpfung, so die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Wer regelmäßig krank zur Arbeit geht – sei es im Büro oder im Home-Office – riskiert, langfristig auszubrennen.

Auch Arbeitgeber müssen Präsentismus vorbeugen

Auch Arbeitgeber tragen Verantwortung: Um Präsentismus zu vermeiden, sollten Unternehmen eine Arbeitsumgebung schaffen, die im Krankheitsfall gesunde Entscheidungen ermöglicht – etwa durch flexible Arbeitszeiten, ein durchdachtes Ausfallmanagement und eine Führungskultur, die den Wert von Regeneration betont. Dies ist besonders bei Home-Office für die Gesundheit entscheidend, wo Kontrollmechanismen weniger greifen.

„Betriebe sollten deshalb Beschäftigte aktiv dazu ermutigen, sich bei Krankheit auszukurieren“,

erklärt Bertolt Meyer. So lassen sich nicht nur Ansteckungen vermeiden, sondern auch die Folgekosten von Präsentismus reduzieren – insbesondere im Hinblick auf chronische Erschöpfung und verminderte Leistungsfähigkeit. Wer nicht krank zur Arbeit geht, handelt nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch im Sinne des Teams.

Hintergrund: Was bedeutet Präsentismus genau?

Unter Präsentismus wird in Deutschland und Europa vorrangig das Verhalten von Mitarbeitenden verstanden, trotz Krankheit, die ein Fehlen legitimiert hätte, zur Arbeit zu gehen. Wichtig ist die Abgrenzung: Präsentismus ist nicht gleichzusetzen mit einem engagierten Verhalten, bei dem Beschäftigte trotz leichter Symptome ihre Arbeit fortführen.

Laut Initiative Gesundheit und Arbeit (IGA) existieren in der medizinischen Forschung mittlerweile Hinweise, dass Weiterarbeiten bei bestimmten Erkrankungen – etwa psychischen Leiden oder Rückenbeschwerden – sogar vorteilhaft sein kann. Dennoch bleibt Präsentismus im falschen Kontext ein unterschätztes Risiko für chronische Erschöpfung – besonders, wenn man regelmäßig krank zur Arbeit geht und im Home-Office die Grenzen verschwimmen.

Quelle: dpa

×