Gefahr der Selbstmedikation
SCHMERZMITTEL ERHÖHEN RISIKO FÜR ANTIBIOTIKARESISTENZEN
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Neben dem unreflektierten Einsatz von Antibiotika (zum Beispiel in der Tierzucht) können auch nicht-antibiotische Substanzen das Risiko für Antibiotikaresistenzen fördern. Im Fokus liegen neben Diuretika, Statinen, Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) oder Tramadol auch Schmerzmittel wie Ibuprofen. Die Wirkstoffe treffen nicht nur im Abwasser aufeinander – was an sich ein immer größeres Problem darstellt. Sondern die nicht-antibiotischen Wirkstoffe können im Darm eine Antibiotika-ähnliche Wirkung auf die Darmbakterien zeigen, sodass Resistenzen begünstigt werden.
Dieser Punkt ist besonders bei der Behandlung von Menschen mit Polymedikation von Bedeutung. Oder für Menschen, die regelmäßig Präparate aus der Selbstmedikation einnehmen. Wie unter anderem Schmerzmittel, Ibuprofen und Paracetamol gehören zu den Medikamenten, die am häufigsten in der Selbstmedikation abgegeben werden.
Wie kommt es zu Antibiotikaresistenzen?
Bei einer Antibiotikaresistenz entwickeln Bakterien eine gewisse Widerstandskraft gegenüber antibiotischen Wirkstoffen. In der Praxis reagieren bakterielle Infektionen dann nicht mehr sensibel auf Antibiotikagaben und bessern sich folglich nicht. Es gibt verschiedene Arten der Antibiotikaresistenz:
- Primäre Resistenz: Das Antibiotikum besitzt eine Wirkungslücke gegenüber bestimmter Bakteriengattungen, z.B. wirken Cephalosporine nicht gegen Enterokokken.
- Sekundäre Resistenz: Eigentlich wirkt das Antibiotikum bei diesen Bakterien. Aber das Bakterium konnte durch eine zufällige Mutation resistent geworden sein und hat diese genetische Information an seine Kollegen weitergegeben.
- Kreuzresistenz: Manche Bakterien sind nicht nur unempfindlich auf ein bestimmtes Antibiotikum, sondern auch gegen eines mit ähnlicher chemischer Struktur oder gleichem Wirkmechanismus. Wie häufig z.B. bei Penicillinen und Cephalosporinen.
- Multiresistenz: Ein Erreger reagiert resistent auf mehrere Antibiotika verschiedener Klassen wie z.B. der Problemkeim MRSA.
Schmerzmittel in der Zellkultur
In einer Zellkultur-Studie untersuchte ein Team um Hanbiao Chen von der University of South Australia in Adelaide den Einfluss verschiedener nicht-antibiotischer Medikamente auf das Wachstum von E.coli während das Bakterium gleichzeitig mit Ciprofloxacin behandelt wurde. Die Wirkstoffe wurden im Hinblick auf ihre Anwendung in der Geriatrie ausgewählt, getestet wurden:
- die Schmerzmittel Paracetamol, Diclofenac und Ibuprofen,
- Furosemid,
- Atorvastatin,
- Metformin,
- Pseudoephedrin,
- Temazepam und
- Tramadol.
Im Versuch beeinflussten einige der Wirkstoffe die Minimale Hemmkonzentration (MHK) von Ciprofloxacin. Zur Erinnerung: Die MHK gibt die niedrigste Konzentration eines Antibiotikums wieder, bei dem das Wachstum der Bakterien gehemmt wird. Für eine optimale Wirkung sollte der Wert möglichst niedrig sein. Im Versuch zeigte sich bei der Kombination
Atorvastatin/Ciprofloxacin, Ibuprofen/Ciprofloxacin und Paracetamol/Ciprofloxacin ein deutlicher Anstieg der MHK. Die Ciprofloxacin-Resistenz stieg bei der zusätzlichen Gabe von Atorvastatin sowie Ibuprofen um das Achtfache an, bei Paracetamol gar um das 16-Fache.
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Kreuzreaktion möglich
Die Schmerzmittel sowie Atorvastatin erhöhten die Fitness und Anpassungsfähigkeit von E.coli, sodass nicht nur eine Antibiotikaresistenz gegenüber Ciprofloxacin, sondern auch gegenüber Levofloxacin nachweisbar war. Zudem zeigte sich die Resistenz-Reaktion noch einmal deutlich erhöht (um das Zwei- bis Vierfache), wenn zwei nicht-antibiotische Medikamente kombiniert wurden erhöhte sich auch die Resistenz gegen Levofloxacin.
Denken Sie an Kund*innen, die eine Atorvastatin-Therapie erhalten, Ibuprofen regelmäßig gegen Rückenschmerzen einnehmen und dann einen bakteriellen Infekt erleiden.
Knackpunkt: Zellkultur
Die Untersuchungen fanden isoliert in einer Zellkultur statt und entsprechen demnach nicht den gleichen Voraussetzungen, die im menschlichen Körper vorliegen. Doch gerade bei gängigen und häufig konsumierten Schmerzmitteln wie Ibuprofen und im Hinblick auf die vielfach auftretende Polypharmazie lohnen sich weitere Untersuchungen.
„Bei Antibiotikaresistenzen geht es nicht mehr nur um Antibiotika“, sagt Associate-Professorin Dr. Henrietta Venter in einer Pressemitteilung ihrer Universität:
„Diese Studie macht deutlich, dass wir die Risiken der Verwendung mehrerer Medikamente sorgfältig abwägen müssen – insbesondere in der Altenpflege, wo den Bewohnern oft eine Kombination aus Langzeitmedikamenten verschrieben wird. Das bedeutet nicht, dass wir diese Medikamente nicht mehr verwenden sollten, aber wir müssen uns stärker bewusst machen, wie sie mit Antibiotika interagieren – und dabei nicht nur Kombinationen aus zwei Medikamenten berücksichtigen.“
Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/schmerzmittel-koennten-antibiotikaresistenzen-beguenstigen-158534/
https://www.nature.com/articles/s44259-025-00144-w












