Ein Stapel Briefe. Auf dem Bild ist ein Stempel mit dem Schriftzug "FAKE" zu sehen.© Plateresca / iStock / Getty Images Plus
Bei den Rote-Hand-Briefen, die Arztpraxen vor Kontaminationen in Corona-Impfstoffen warnen, handelt es sich um Fälschungen.

Arztpraxen

FALSCHER ROTE-HAND-BRIEF ZU CORONA-IMPFSTOFFEN

Ein dubioser Brief, der das Rote-Hand-Symbol trägt, landete Anfang Dezember millionenfach in deutschen Arztpraxen. Die Ärzte werden darin vor „Haftungsrisiken“ bei der Verwendung von mRNA-Impfstoffen gegen Corona gewarnt; eine DNA-Kontamination soll das Erbgut verändern. Was steckt dahinter?

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Die dubiose Warnung vor mRNA-Impfstoffen sollte Ärztinnen und Ärzte davon abhalten, mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 zu verimpfen. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) stuft das Schreiben als Falschmeldung ein und prüft rechtliche Schritte. Auch das übergeordnete Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ruft betroffene Praxen auf, den Behauptungen keinen Glauben zu schenken.

Verfasser ist eine Organisation namens „Medizinischer Behandlungsverbund“. Diese ist kein unbeschriebenes Blatt.

DNA-Verunreinigung soll Erbgut verändern

Angeblich, so heißt es in dem Schreiben, sei bei in Deutschland verwendeten Chargen der mRNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV 2 eine „DNA-Kontamination“ festgestellt worden. „Das menschliche Genom könnte dauerhaft verändert werden und weder Ärzte noch Patienten wurden darüber in Kenntnis gesetzt“, heißt es in dem Brief. Daher sollen Ärzte den Impfstoff keinesfalls mehr verabreichen, denn es bestehe das „Risiko einer persönlichen Haftung, weil die Patienten über diese nun bekanntgewordenen Umstände nicht ausreichend aufgeklärt wurden und auch nicht werden können“.

Die Praxen werden aufgefordert, Proben einzelner Chargen des Impfstoffes zur Überprüfung an ein Labor zu senden. Wissenschaftliche Belege liefert das Schreiben allerdings nicht. Dennoch verunsichert wandten sich einige Betroffene an Apotheken, welche die AMK einschalteten.

Diese und auch das PEI, welches sämtliche in Deutschland verwendeten Impfstoffe prüft und freigibt, reagierten deutlich. Das PEI betont: „Das Schreiben ebenso wie die dort abgeleiteten Schlussfolgerungen sind falsch.“ Das Rote-Hand-Symbol sei ohne Autorisierung verwendet worden. Die AMK bittet die Apothekerinnen und Apotheker, den „gezielten Desinformationen“ angemessen zu begegnen.

Impfskeptiker als Verfasser

Die Verfasser des Briefes, eine Gruppe namens „Medizinischer Behandlungsverbund“, bezeichnet sich selbst als „Zusammenschluss von kompetenten Ärzten und engagierten Therapeuten für hochwertige Medizin und empathische Behandlung mit Erfahrung in der Therapie von Covid-19-Impfgeschädigten“.

Geschäftsführer ist Markus Bönig, der bereits einschlägig bekannt ist. Eines seiner bisherigen Geschäftsmodelle: Gegen Bezahlung konnten sich Verbraucher auf einer eigens generierten Webseite eine „vorläufige Impfunfähigkeitsbescheinigung“ ausstellen lassen. Den Vertrieb der Dokumente untersagte ein Gericht schließlich.

Ob Bönig auch den brisanten Brief verfasst hat, ist nicht klar. Allerdings meldet sich unter der darin angegebenen Telefonnummer die „Corona Impfschadenhilfe“. Dieses Unternehmen, so das PEI bereits im Sommer gegenüber der Tagesschau, verbreitet gezielt Desinformationen ohne jegliche wissenschaftlicher Grundlage. Zum aktuellen Fall haben sich derzeit weder Bönig selbst noch sein Unternehmen geäußert.

Die Rote Hand
Mit einem Rote-Hand-Brief informieren Arzneimittelhersteller Fachkreise über neu erkannte Risiken. Sowohl auf dem Brief selbst als auch, bei Postversand, auf dem Umschlag ist eine rote Hand mit dem Schriftzug „Wichtige Mitteilung über ein Arzneimittel“ abgebildet.
Die Rote Hand darf nur zu diesem Zweck (nicht etwa für Werbung) verwendet werden und ist bildrechtlich geschützt; es ist eine eingetragene Bildmarke des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Rote-Hand-Briefe dürfen nur in Absprache mit dem BfArM oder PEI verschickt werden.
Der BPI hat den Versender der Briefe abgemahnt. Als Mitte Dezember sogar ein zweiter Schwung Briefe versandt wurde, kündigte der BPI an, Strafanzeige zu stellen.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/dubiose-warnung-vor-mrna-impfstoffen-144061/
https://www.abda.de/fuer-apotheker/arzneimittelkommission/amk-nachrichten/detail/50-23-information-der-institutionen-und-behoerden-pei-falschmeldung-zu-angeblichen-haftungs-risiken-bei-der-verwendung-von-mrna-impfstoffen-in-der-aufmachung-eines-rote-hand-briefs-im-umlauf/
https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/mitteilungen/231205-falschmeldung-rote-hand-brief-mrna-impfstoffe.pdf?__blob=publicationFile&v=9
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/coronavirus/rote-hand-fake-impfskeptiker-schreiben-aerzte-an/
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/impfschaeden-100.html 
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/rote-hand-fake-bpi-stellt-strafanzeige-144378/ 

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