Comic: Mehrere Personen im GroßraumbĂŒro. Eine Frau steht in Flammen© cteconsulting/iStock/Getty Images Plus
Hitzewallungen sind normal, aber belastend – Frauen sollten offen ĂŒber ihre Wechseljahre kommunizieren können.

Lebensabschnitt

TABUZEIT VORBEI? WECHSELJAHRE ENDLICH IM FOKUS

Die Wechseljahre bringen körperliche und seelische VerĂ€nderungen mit sich – doch darĂŒber gesprochen wird selten. Inzwischen öffnen sich Frauen, Unternehmen und Medien dem Thema: Von Hitzewallungen lindern bis zur Hormonersatztherapie – ein neuer Umgang mit dieser Lebensphase entsteht.

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Sybille MĂŒller fĂ€chelt sich Luft zu, streicht sich die Haare nach hinten. „Ich schwitze wie Harry. Es gibt keine Klimaanlage hier, oder?“, fragt die 47-JĂ€hrige wĂ€hrend des Interviews in der Praxis ihres Arztes. „Bin ich rot im Gesicht? Jetzt ist mir richtig heiß im Gesicht.“ MĂŒller – halblange blonde Haare, schwarzer Blazer, dezenter Goldschmuck – sieht gut aus, frisch. Aber sie fĂŒhlt sich nicht so. Hitzewallungen plagen sie seit Jahren, besser wurde es erst, seit sie Hormonpflaster verwendet.

Sybille MĂŒller, die eigentlich anders heißt, ist eine von Millionen Frauen in Deutschland, die unter den Wechseljahren leiden. Wenn die Eierstöcke langsam aufhören, die Hormone Östrogen und Progesteron zu produzieren, kann das bei Frauen zu massiven Beschwerden fĂŒhren: Hitzewallungen, Schlafstörungen, depressive Verstimmungen, Scheidentrockenheit, Konzentrationsschwierigkeiten. Rund 30 Prozent der Frauen in den Wechseljahren leiden unter leichten, 50 Prozent unter stĂ€rkeren Problemen, wie Thomas Strowitzki vom UniversitĂ€tsklinikum Heidelberg sagt.

Frauen fĂ€llt es immer noch schwer, darĂŒber zu sprechen

So viele betroffene Frauen – und trotzdem ist das Thema lange ein Tabu gewesen. Öffnet sich die Gesellschaft aktuell oder sind Wechseljahre immer noch etwas, ĂŒber das Frau lieber nicht spricht? „Ich höre immer wieder von Frauen, dass es ihnen schwerfĂ€llt, darĂŒber zu sprechen“, sagt Mandy Mangler, ChefĂ€rztin an zwei Vivantes Auguste-Viktoria-Kliniken in Berlin.

„Das ist schon sehr tabuisiert, weil das auch etwas mit Altern zu tun hat, mit TĂŒren, die sich schließen.“

Mangler sagt allerdings auch: „Die Gesellschaft verĂ€ndert sich ein bisschen.“ In den Medien sei das Thema prĂ€senter.

Beginn der Wechseljahre meist Mitte 40

Bei den meisten Frauen beginnen die Wechseljahre laut Strowitzki mit Mitte 40.
Bei Sybille MĂŒller fingen sie bereits mit etwa 40 Jahren mit Schlafstörungen an. Mit 43 Jahren kamen dann Hitzewallungen dazu. Sie entschied sich, zu ihrer GynĂ€kologin zu gehen – die ihr allerdings nicht weiterhalf, wie MĂŒller erzĂ€hlt.

„Die hat da gar nichts unternommen, auch kein Blut abgenommen, mal die Hormonwerte geschaut.“ Die Ärztin habe sie untersucht und gesagt, es sehe alles normal aus. MĂŒller wendet sich stattdessen an Strowitzki, der ihr nach einem Bluttest Hormone verschreibt. Sie testet erst ein Hormongel, dann die Pflaster, die sie alle zwei, drei Tage austauscht.

Älterwerden wird in der Gesellschaft kritisch betrachtet

Warum fĂ€llt es Frauen immer noch schwer, ĂŒber ihre Wechseljahre zu sprechen? Katrin Schaudig, PrĂ€sidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft, sagt dazu:

„Das Ausbleiben der Regelblutung ist der erste Point of no Return im Leben und ein erstes Zeichen unserer ‚Endlichkeit‘“.

„Mit der Fruchtbarkeit ist jetzt Schluss.“ Das habe mit Älterwerden zu tun – was wiederum in unserer Gesellschaft kritisch betrachtet werde. Dazu komme noch eine gerade bei Frauen verbreitete Haltung: „Stell dich nicht so an, stell dich selber nicht in den Vordergrund“ – nur nicht ĂŒber Schmerzen und Probleme klagen.

Und trotzdem finde eine Enttabuisierung statt. „Frauen werden selbstbewusster in dieser Gesellschaft“, sagt Schaudig. „Wenn Sie so wollen, ist es vielleicht Teil eines feministischen Bewusstseins.“ Dabei gehe es auch um die Gleichstellung der Geschlechter â€“ so wie es etwa Bestrebungen gegen die ungleiche Bezahlung von Frauen und MĂ€nnern gebe.

Neun Millionen Frauen in Deutschland in den Wechseljahren

Die 64-jĂ€hrige FrauenĂ€rztin aus Hamburg, die in ihrem Podcast „Hormongesteuert“ mit den Wechseljahren einhergehende Probleme wie die Zunahme des Bauchfetts erklĂ€rt, ist auch Teil der Initiative „Wir sind neun Millionen“. Die setzt sich fĂŒr eine Enttabuisierung der Wechseljahre und eine bessere Versorgung von Frauen ein. Demnach befinden sich aktuell neun Millionen Frauen in Deutschland in dieser Phase ihres Lebens.

„Ich bin nicht der Meinung, dass man diese Wechseljahre-Frauen wie mit Samthandschuhen anfassen muss, aber sie mĂŒssen wahr- und ernst genommen werden.“

Mittlerweile wĂŒrden viele Betriebe Frauen Beratung zu den Wechseljahren anbieten. Auch Strowitzki, Ärztlicher Direktor der Heidelberger Klinik fĂŒr GynĂ€kologische Endokrinologie und FertilitĂ€tsstörungen, sieht vermehrt Unternehmen, die das Thema erkannt haben. So gebe es auch im UniversitĂ€tsklinikum seit Kurzem Arbeitsgruppen: Es gehe dabei unter anderem darum, den Arbeitsplatz so zu gestalten, dass betroffene Frauen weiter produktiv sein könnten, etwa mit Blick auf Pausen.

Auch pflanzliche Produkte können helfen

Der GynĂ€kologe betont, Frauen selbst könnten viel tun, um sich wĂ€hrend der Wechseljahre besser zu fĂŒhlen – auch ohne Hormone zu nehmen: etwa Sport, gesunde ErnĂ€hrung, aber auch Kneipp-Anwendungen, gerade mit Blick auf Hitzewallungen.
Zudem gebe es pflanzliche Produkte, die helfen könnten, wie etwa Traubensilberkerzenextrakte, Rotklee oder Soja.

Manchmal brĂ€uchten Frauen aber auch Hormone, sagt der 66-JĂ€hrige – wobei stets Nutzen und Risiken abgewogen werden mĂŒssten:
LĂ€uft die Hormonersatztherapie lĂ€nger als fĂŒnf Jahre, steigt das Risiko fĂŒr Brustkrebs, wie die Deutsche Krebsgesellschaft schreibt. Allerdings sorgten die Hormone auch fĂŒr stabilere Knochen, sagt Strowitzki. Zudem gehe es immer um den Leidensdruck der Frau.

Wechseljahre bringen auch Positives mit sich

MĂŒllers Hitzewallung hat sich wĂ€hrend des GesprĂ€chs gelegt. Sie hat fĂŒr Durchzug gesorgt: Die TĂŒr steht offen, das Fenster neben ihr auch. Sie sagt, sie rede mit ihren Freundinnen offen ĂŒber ihre Beschwerden.

„Wenn man das Thema anspricht, dann kommen auf einmal vier StĂŒck und sagen: 'Ach, bei mir ist es auch' und 'Ich nehme aber das'. Und auf einmal ist es ein Riesenthema.“

Die 48-JĂ€hrige hofft mit Blick auf die Wechseljahre, dass der Umgang mit dem weiblichen Zyklus sich normalisiert, egal in welcher Lebensphase – und

„wir auch Frauen nicht abwerten, weil sie altern und in diese Lebensphase kommen. Sondern dass wir ihr Potenzial und ihre StĂ€rke erkennen und sehen.“

FrauenĂ€rztin Mangler betont, dass die Wechseljahre auch Positives mit sich brĂ€chten: Frauen mĂŒssten sich etwa keine Gedanken mehr ĂŒber VerhĂŒtung machen, sie hĂ€tten keine Menstruationsbeschwerden mehr. „Frauen neigen in dieser Lebensphase dazu, Dinge abzustellen, die sie frĂŒher so aus mehr oder weniger Goodwill mitgemacht haben – weil sie gefallen wollten.“ Sie wĂŒrden sich etwa eher dafĂŒr entscheiden, SexualitĂ€t so zu leben, wie sie das wollten.

Quelle: dpa

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