Frau atmet frische Luft ein© AntonioGuillem / iStock / Getty Images Plus
Der Mensch atmet täglich Luft ein und aus. Beim Ausatmen verrät er unter Umständen auch, was zuletzt gegessen oder getrunken wurde.

Atemwege

WAS UNS UNSER ATEM VERRÄT

Egal ob Knoblauch- oder Alkoholfahne – der menschliche Atem ist eine wahre Plaudertasche. Doch er kann noch mehr, wie Forscher der Universität Freiburg nun herausgefunden haben. Auch der Antibiotikaspiegel im Körper ist über den Atem messbar.

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Die Forschergruppe um Dr. Can Dincer und H. Ceren Ates, FIT Freiburger Zentrum für interaktive Werkstoffe und bioinspirierte Technologien, und Professor Dr. Wilfried Weber, Professor für Synthetische Biologie und Mitglied im Sprecherteam des Exzellenzclusters CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies, arbeiteten während ihrer Untersuchungen mit einem sogenannten Biosensor. 

Dieser Sensor, ein sogenannter Multiplex-Chip, beruht auf synthetischen Proteinen, die auf Antibiotika reagieren und dabei eine Stromänderung erzeugen. Der Multiplex-Chip ermöglicht eine gleichzeitige Messung von mehreren Messproben und Teststoffen. Dadurch soll künftig eine personalisierte Dosierung der Medikamente gegen Infektionskrankheiten vor Ort möglich sein. Zudem soll er dabei helfen, die Entwicklung von resistenten Bakterienstämmen zu verringern. 
 

Zuverlässiges Verfahren

Bislang war es nur möglich, Spuren von Antibiotika im Atem nachzuweisen. Dies wollten die Forscher nun mit dem Biosensor ändern. Hierfür testete die Forschungsgruppe den Biosensor an Blut, Plasma, Urin, Speichel und im Atem von Schweinen, die Antibiotika erhielten. Sie verglichen die nicht-invasiven Werte jeweils mit den Werten im Plasma der Schweine. Dabei zeigte sich ganz deutlich, dass die Vorgehensweise mittels Atem-Biosensor gleichzusetzen ist mit dem Standardlaborverfahren in der Medizin. Dincer erklärt: „Bisher konnten Forschende nur Spuren von Antibiotika im Atem nachweisen. Mit unseren synthetischen Proteinen auf einem Mikrofluidik-Chip bestimmen wir kleinste Konzentrationen im Atemgaskondensat und diese korrelieren mit den Blutwerten.“
 

Arbeitsweise des Sensors

Bei dem angewandten Verfahren trägt der Mikrofluidik-Bionsensor auf einem Polymerfilm befestigtes Penicillin-bindendes Protein, das Beta-Laktam-Antibiotika wie etwa Penicillin erkennt. Außerdem enthält der Sensor ein Ampicillin-Biotin-Konjugat, das auch eine Beta-Lactam-Verbindung besitzt. Nun entsteht ein Konkurrenzkampf zwischen dem in der Probe untersuchten Antibiotikum und dem Beta-Lactam, das sich auf dem Sensor befindet, um an das Protein zu binden.  

Das Beta-Lactam des Sensors erzeugt Glucose, wenn es an das Protein bindet, daraus wiederum macht ein anderes Enzym Wasserstoffperoxid und dieser wiederum erzeugt in einer elektrochemischen Zelle Strom. Verdrängt das Proben-Antibiotikum das Beta-Lactam des Sensors, sorgt das für eine Stromänderung, wie wir es von einer Batterie her kennen. Das bedeutet: Je mehr Antibiotikum in der Probe vorhanden ist, desto weniger Enzymprodukt entsteht, was zu einem geringeren messbaren Strom führt. 

Die Vorgehensweise beruht auf dem natürlichen Rezeptorprotein Penicillin-bindendes Protein, mit dem resistente Bakterien den Beta-Lactam-Ring von Penicillinen zerstören. „Wir schlagen die Bakterien sozusagen mit ihren eigenen Waffen“, beschreibt Weber das von seiner Gruppe entwickelte Verfahren.

Entwicklung resistenter Bakterienstämme soll verringert werden

Menschen, die unter einer schweren Infektion leiden, werden im Krankenhaus dauerhaft überwacht. Die Ärzte haben die Aufgabe, den Antibiotikaspiegel im Blut stabil zu halten, da es ansonsten unter Umständen zu einer Blutvergiftung kommen kann. Im schlimmsten Fall kommt es zu einem Organversagen, der wiederum zum Tod der Patienten führen kann.

Ein weiteres Problem ist, dass es bei einer zu niedrigen Antibiotikazufuhr möglich ist, dass sich die Bakterien derart verändern, dass die Medikamente unwirksam sind. „Die schnelle Überwachung der Antibiotika-Werte wäre in der Klinik von großem Nutzen“, so Ates, „die Methode ließe sich möglicherweise in eine herkömmliche Gesichtsmaske einbauen.“

In einem weiteren Projekt Dincers an der Universität Freiburg geht es gerade um die Entwicklung tragbarer Papiersensoren. Diese sollen eine kontinuierliche Messung von Biomarkern im Blut gewährleisten. Derzeit sind klinische Tests für eine Validierung des Antibiotikasensors geplant, die das System an menschlichen Proben prüfen. 

Quellen:
Ates, H.C., Mohsenin, H., Wenzel, C., Glatz, R., Wagner, H.J., Bruch, R., Höfflin, N., Spassov, S., Streicher, L., Lozano-Zahonero, S., Flamm, B., Trittler, R., Hug, M.J., Köhn, M., Schmidt, J., Schumann, S., Urban, G.A., Weber, W., Dincer, C. (2021): „Biosensor-enabled multiplexed on-site therapeutic drug monitoring of antibiotics“, Advanced Materials, 21. September 2021. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/adma.202104555
https://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2021/antibiotikapegel-erstmals-ueber-den-atem-messbar

 

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