Galenische Übungen
EMULSIONEN IN DER REZEPTUR: GRUNDLAGEN, AUFBAU UND TYPEN
Seite 1/1 9 Minuten
Ob Milch, Lotion oder Creme – Emulsionen begegnen den Herstellenden in der Apotheke sehr häufig. In der Rezeptur gehören sie zu den wichtigsten Arzneiformen. Sie kommen immer dann zum Einsatz, wenn Wirkstoffe großflächig auf der Haut verteilt werden sollen. Um zu verstehen, was in der Fantaschale wirklich passiert, wenn ein Emulgator zwei Phasen verbindet, lohnt sich ein genauer Blick auf den Aufbau und die Eigenschaften von Emulsionen.
In diesem ersten Teil der Miniserie über Emulsionen stehen die Grundlagen im Mittelpunkt:
- Was genau ist eine Emulsion?
- Welche Typen gibt es, wie sind sie physikalisch aufgebaut?
- Und warum sind Emulsionen immer ein wenig „unstabil“ angelegt?
Die praktischen Herstellungsverfahren und wie Sie die passenden Emulgatoren auswählen greifen wir im nächsten Teil der Miniserie auf.
Was ist eine Emulsion?
Pharmazeutisch betrachtet sind Emulsionen disperse Systeme vom Typ „flüssig in flüssig“. Das bedeutet: Eine Flüssigkeit liegt in Form kleiner Tröpfchen in einer anderen Flüssigkeit verteilt vor. Diese beiden Flüssigkeiten sind nicht miteinander mischbar. Typischerweise handelt es sich um eine polare, also hydrophile Phase wie Wasser und eine unpolare, lipophile Phase wie ein Öl oder eine fetthaltige Komponente.
Eine Emulsion in der Rezeptur besteht damit immer aus mindestens drei Bausteinen:
- einer inneren, dispergierten Phase,
- einer äußeren, kontinuierlichen Phase
- und einem Emulgator als Hilfsstoff, der das System stabilisiert.
Die innere Phase liegt als viele kleine, kugelförmige Tröpfchen vor, die äußere Phase umspült diese Tröpfchen. Die Tröpfchengrößen klassischer Emulsionen liegen meist im Bereich von etwa 1 bis 50 Mikrometern. Dadurch wird sichtbares Licht gestreut und die Emulsion erscheint milchig-weiß oder trüb.
In seltenen Fällen können Emulsionen durchsichtig oder leicht transparent aussehen. Etwa, wenn beide Flüssigkeiten einen sehr ähnlichen Brechungsindex haben.
Dem Emulgator kommt dabei eine ganz besondere Rolle zu. Denn ohne Emulgator würde das System kaum länger als ein paar Minuten stabil bleiben. Die Tröpfchen der inneren Phase der Rezeptur würden nach und nach zusammenfließen, ihre Gesamtoberfläche würde kleiner, und schließlich würde man wieder eine obere und eine untere Phase erkennen.
Diesen Vorgang nennt man Brechen der Emulsion oder Koaleszenz. Die Besonderheit der Emulsion als Arzneiform ist also, dass ein eigentlich instabiles System für einen definierten Zeitraum kontrolliert stabilisieret werden muss.
Mehr aus der Serie „Galenische Übungen“:
Emulsionstypen: O/W oder W/O?
Im pharmazeutischen Alltag in der Rezeptur spielt vor allem die Einteilung in Öl-in-Wasser-Emulsionen und Wasser-in-Öl-Emulsionen eine Rolle.
O/W
Bei der Öl-in-Wasser-Emulsion, kurz O/W, ist Öl die innere Phase, die in einer äußeren Wasserphase verteilt ist. Diese Emulsionen sind mit Wasser verdünnbar und im Allgemeinen gut mit Wasser abwaschbar. Sie fühlen sich auf der Haut eher leicht und kühlend an, ziehen gut ein und werden daher häufig als Hand- und Körperlotionen oder leichtere Cremes eingesetzt.
Auch viele Emulsionen zum Einnehmen sind O/W-Emulsionen, wenn die wässrige Phase Aromastoffe und gegebenenfalls Süßstoffe trägt und der Wirkstoff in der Ölphase gebunden ist. Einfache Alltagsbeispiele für O/W-Emulsionen sind Milch, Sahne oder auch Mayonnaise, die einen natürlichen Emulgator besitzen.
W/O
Bei Wasser-in-Öl-Rezepturen, kurz W/O, ist es umgekehrt: Wasser liegt als innere Phase vor, die äußere Phase besteht aus Öl oder einer fetthaltigen Grundlage. Diese Emulsionen lassen sich schlecht mit Wasser abwaschen, dafür aber gut mit Ölen mischen. Sie sind fühlbar reichhaltiger und deutlich okklusiver. Sie werden gern bei stark trockener oder geschädigter Haut, bei Kälteexposition oder als Schutzcremes aus der Rezeptur eingesetzt, weil sie den transepidermalen Wasserverlust reduzieren und die Hautbarriere stärker abdichten.
Sonderformen der Emulsionen
Daneben gibt es noch einige Sonderformen in der Rezeptur.
Amphiphile Emulsionen
Mischemulsionen, auch amphiphile oder ambiphile Emulsionen genannt, enthalten annähernd gleiche Anteile an Wasser und Öl. Die Phasen sind durch den Emulgator so fein ineinander verschachtelt, dass man nicht mehr klar sagen kann, welche innen und welche außen liegt. Bildlich gesprochen ähneln sie einer Wabenstruktur, in deren Kammern sich abwechselnd Wasser- und Öltaschen befinden.
Ein klassisches Beispiel aus der Praxis ist die Basiscreme DAC. Je nach Zusätzen und Verarbeitung verhält sie sich teils wie eine O/W-, teils wie eine W/O-Emulsion. Dadurch ist sie besonders vielseitig einsetzbar.
Doppelte Emulsionen: W/O/W oder O/W/O
Eine Sonderform stellt die “doppelte Emulsion” dar. So bezeichnet man komplexere Systeme, in denen in den Tröpfchen der inneren Phase wiederum kleinste Einschlüsse der äußeren Phase vorliegen. Je nach Aufbau spricht man dann von W/O/W- oder O/W/O-Emulsionen. Theoretisch sind sie für spezielle Anwendungen interessant, in der Rezeptur der Apotheke spielen sie aber eher eine untergeordnete Rolle.
Gibt es Mikroemulsionen?
Relativ häufig wird im Zusammenhang mit Emulsionen auch der Begriff Mikroemulsion verwendet. Streng genommen gehören Mikroemulsionen aber nicht mehr zu den grobdispersen Emulsionen, sondern zu den kolloiden Systemen. Hier liegen die Tröpfchen im Nanometerbereich, meist zwischen 10 und 200 Nanometern, vor. Sie sind so klein, dass sie kein sichtbares Licht mehr streuen, die Zubereitung wirkt transparent oder nur leicht opaleszent.
Mikroemulsionen sind thermodynamisch stabil, das heißt, sie trennen sich nicht spontan. Sie werden vor allem in der industriellen Arzneiformenentwicklung eingesetzt. In der klassischen Rezepturpraxis hat man es hingegen überwiegend mit „normalen“ Emulsionen und Emulgatoren zu tun.
Emulsionen in der Rezeptur der Apotheke
Die Europäische Pharmakopöe führt Emulsionen nicht in einer eigenen Monographie, aber sie tauchen in vielen Zubereitungen als Unterformen auf:
- bei flüssigen Zubereitungen zum Einnehmen
- bei flüssigen und halbfesten Zubereitungen zur kutanen Anwendung
- bei rektalen und vaginalen Präparaten
- bei Zubereitungen zur Anwendung in der Mundhöhle, am Ohr oder in der Nase
- und nicht zuletzt bei Parenteralia, etwa Fett-Emulsionen zur Infusion.
Emulsionen zum Einnehmen
In der Rezeptur ist die Einteilung in Emulsionen zur „innerlichen“ und „äußerlichen“ Anwendung praxisrelevant. Emulsionen zum Einnehmen werden eingesetzt, wenn lipophile Wirkstoffe besser verträglich oder besser dosierbar gemacht werden sollen. Die äußere Phase bestimmt maßgeblich das Mundgefühl und den Geschmack. Deshalb wählt man bei Kindern oder empfindlichen Anwender*innen lieber O/W-Emulsionen und aromatisiert die Wasserphase.
Emulsionen zum Auftragen auf die Haut
Zum Auftragen auf die Haut stellt man Emulsionen in der Rezeptur als Milch, Lotion, Creme oder Liniment her. Je nach Fett- und Wassergehalt und je nach Emulsionstyp lassen sie sich leichter oder schwerer auf der Haut verteilen, ziehen schneller oder langsamer ein und wirken eher feuchtigkeitsbewahrend oder okklusiv.
Dickflüssigere Emulsionen mit höherem Fettanteil werden manchmal als Linimente bezeichnet, klassisch enthalten sie sogar Seifen als Emulgatoren. Für die Praxis in der Rezeptur ist entscheidend, die Bedürfnisse von Hautzustand und Indikation zu kennen und den Emulsionstyp entsprechend auszuwählen.
Grenzflächenspannung: Warum Öl und Wasser Hilfe brauchen
Der Grund dafür, dass man Emulgatoren braucht um Emulsionen in der Rezeptur herzustellen, liegt in der Grenzflächenspannung. Öl und Wasser besitzen sehr unterschiedliche molekulare Eigenschaften: Wasser bildet durch starke Wechselwirkungen zwischen den Molekülen eine relativ stabile Oberfläche, auf der beispielsweise sogar eine Büroklammer schwimmen kann, solange die Oberfläche nicht durchbrochen wird. Diese Eigenschaft bezeichnet man als Oberflächenspannung.
Treffen nun bei einer Rezeptur in der Emulsion zwei Flüssigkeiten mit unterschiedlichen Eigenschaften aufeinander, etwa Öl und Wasser, entsteht an der Berührungsfläche zwischen beiden eine Grenzfläche mit eigener Grenzflächenspannung.
Wenn man Öl also einfach in ein Becherglas mit Wasser gießt, dann mischen sich die beiden Flüssigkeiten nicht freiwillig. Aufgrund der Dichteunterschiede schwimmt das Öl oben auf. Gibt man Energie in Form von kräftigem Schütteln oder Rühren hinein, wird die Ölphase zunächst mechanisch in viele kleinere Tropfen zerteilt und vorübergehend in der Wasserphase verteilt. In diesem Moment entsteht eine kurzfristige Emulsion ohne Emulgator, die milchig wirkt.
Nach kurzer Zeit starten jedoch Prozesse, die das System wieder in den energetisch günstigeren Zustand zurückführen: Kleinere Tröpfchen stoßen zusammen, verbinden sich zu größeren Einheiten, die Grenzfläche wird kleiner, und schließlich trennen sich die Phasen. Diese Koaleszenz tritt so lange auf, bis wieder eine klare Phasengrenze sichtbar ist.
Da dieser Prozess thermodynamisch begünstigt ist, kann man ihn bei der Herstellung einer Rezeptur nur verlangsamen, aber nicht komplett aufhalten. Emulsionen sind daher immer kinetisch, aber nie absolut stabil. Um sie für einen gewissen Zeitraum haltbar zu machen, müssen sowohl die Grenzflächenspannung als auch die Tröpfchengröße beeinflusst werden. Genau hier setzen Emulgatoren an.
Emulgatoren als Schlüssel zur Stabilität
Emulgatoren in der Rezeptur gehören zur großen Familie der Tenside. Sie besitzen im Molekül sowohl einen lipophilen als auch einen hydrophilen Anteil. Wird ein Emulgator in ein Öl-Wasser-System gegeben, reichern sich die Moleküle bevorzugt an der Grenzfläche an. Der lipophile Teil richtet sich zur Ölphase hin aus, der hydrophile zur Wasserphase.
Dadurch entsteht ein Emulgator-Film um die Tröpfchen der inneren Phase der Emulsion, der die Grenzflächenspannung deutlich senkt und eine Art Schutzhülle bildet. Diese Hülle verhindert, dass die Tröpfchen bei jedem Zusammenstoß wieder ineinanderfließen, und stabilisiert so die Tröpfchenverteilung innerhalb der Rezeptur.
Ab einem bestimmten Konzentrationsbereich beginnen Emulgatoren außerdem, in der wässrigen Phase Mizellen zu bilden – kugelförmige Aggregate, in deren Innerem die lipophilen Anteile zusammengefasst sind. Auch dieses Verhalten trägt dazu bei, Grenzflächenenergie zu reduzieren und den Charakter der Zubereitung zu verändern. Für die Emulsionsstabilität entscheidend ist aber vor allem der Film direkt an der Grenzfläche.
Interessant für die Rezeptur ist auch, dass der Emulgator-Typ mitbestimmt, welche Phase innen und welche außen liegt. Nach der Bancroft-Regel neigt der Emulgator dazu, die Phase, in der er sich besser löst, zur äußeren Phase zu machen. Fettlösliche Emulgatoren führen eher zu W/O-Emulsionen, stärker wasserlösliche zu O/W-Emulsionen.
Fettlösliche Emulgatoren führen eher zu W/O-Emulsionen, stärker wasserlösliche zu O/W-Emulsionen.
Emulsionen: immer ein Balanceakt
Ein weiterer Aspekt, den man im Hinterkopf behalten sollte, ist die generelle Instabilität von Emulsionen, obwohl sie Emulgatoren enthalten. Sie ist nicht nur durch die Grenzflächenspannung bedingt, sondern auch durch
- die Tröpfchengrößenverteilung,
- das Volumenverhältnis der Phasen,
- die eingesetzten Hilfsstoffe
- und äußere Einflüsse wie Temperatur und Erschütterung.
Je kleiner und homogener die Tröpfchen der inneren Phase sind, desto höher ist der sogenannte Dispersitätsgrad und desto stabiler wirkt die Emulsion. In der industriellen Herstellung können mithilfe von Hochdruckhomogenisatoren Tröpfchengrößen im Submikrometerbereich erreicht werden, was zu sehr stabilen Emulsionen führt. In der Rezeptur der Apotheke mit Reibschale, Pistill, normalen Emulgatoren und Rührwerkzeug ist ein solcher Zerteilungsgrad nicht erreichbar. Deshalb sind dort hergestellte Emulsionen stets nur begrenzt haltbar.
Mikrobielle Stabilität: Emulsionen konservieren
Hinzu kommt die mikrobiologische Seite: Die Wasserphase macht Emulsionen zu einem idealen Nährboden für Mikroorganismen. Je höher der Wasseranteil, desto größer die Gefahr des mikrobiellen Wachstums, also der Verkeimung. Deshalb müssen Emulsionen, insbesondere zur kutanen oder oralen Anwendung, in der Regel konserviert werden. Und es sind realistische Aufbrauchfristen festzulegen.
Unterstützung finden Sie dabei in den Darreichungsform-spezifischen Richtwerten des DAC/NRF®, den “Tabellen für die Rezeptur”. Dort sind auch alle gängigen Emulgatoren aufgelistet.
Verpacken und Kennzeichnen von Emulsionen
Parallel dazu sollten Sie die Kennzeichnung „Vor Gebrauch schütteln“ nicht vergessen, damit Ihre Kund*innen die innere Phase vor der Anwendung gleichmäßig in der äußeren Phase verteilen. Das funktioniert nur, wenn im Abgabegefäß von Beginn an genug Platz ist, um die Emulsion aufschütteln zu können.
Dazu muss auch das Primärpackmittel geeignet sein: Das Gefäß darf daher niemals bis zum Rand gefüllt sein. Gewählt wird im Normalfall immer die nächstgrößere Größe. Stellen Sie beispielsweise 30 ml einer Emulsion in der Rezeptur her, füllen Sie in einem 50 ml fassenden Abgabegefäß ab.
Quellen:
Iris Cutt: “Wurm: Galenische Übungen“, Govi, 20. überarbeitete Auflage 2019.
https://www.dac-nrf.de/
Claudia Peuke, Martina Dreeke-Ehrlich: „Rezeptur für die Kitteltasche: Leitlinien für die Herstellung“, Deutscher Apotheker Verlag, 4. Auflage 2013.
Andreas S. Ziegler: „Plausibilitäts-Check Rezeptur gemäß § 7 ApBetrO“, Deutscher Apotheker Verlag, 5., überarbeitete und erweiterte Auflage 2019.












