Eine Frau sitzt auf dem Sofa, hĂ€lt sich den Arm, krĂŒmmt sich vornĂŒber und verzieht das Gesicht.© m-gucci/iStock/Getty Images Plus
Schmerzen, Verdauungsprobleme und Erschöpfung können Folgen von Trauer sein.

Trauerbegleitung

WENN TRAUER KRANK MACHT: SO REAGIERT DER KÖRPER AUF DEN VERLUST

Wer einen geliebten Menschen verloren hat, schlĂ€ft oft schlecht oder hat keinen Appetit. Manchmal sind die körperlichen Symptome der Trauer noch viel massiver: Schmerzen, Erschöpfung oder Herzklopfen etwa.  Wie erkennt man, ob man einfach nur traurig oder durch die Trauer krank geworden ist?

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Trauerverarbeitung ist individuell, Ă€ußert sich bei jedem Menschen anders und lĂ€sst sich nicht in ein zeitliches Schema pressen. Auch körperliche Symptome der Trauer sind nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen nicht ungewöhnlich – von RĂŒckenschmerzen ĂŒber MigrĂ€ne bis hin zu Verdauungsproblemen und Herzrasen. Wer durch Trauer krank wird, braucht oft gezielte UnterstĂŒtzung.

„Menschen, die trauern, fĂŒhlen sich tatsĂ€chlich krank. Und hĂ€ufig mĂŒssen wir sie beruhigen, dass die Symptome, die sie zeigen, ganz normal sind“, sagt Trauerbegleiterin Marei Rascher-Held: „Wenn meine Seele krank ist, dann kann ich nicht gut verdauen, dann schlĂ€gt mir etwas auf den Magen, oder ich beiße die ZĂ€hne zusammen, verkrampfe mich und habe Probleme mit der Schulter.“ Körperliche Symptome der Trauer sind also eine Stressreaktion.

Körperliche Symptome der Trauer verstehen

„Trauer selbst macht nicht krank“, sagt Trauerforscher Roland Kachler. „Sie ist eine ganz normale Reaktion unseres Bindungssystems.“ Aber wenn die Trauer nicht abklingt, kann sie chronifizieren. Und eine chronifizierte Trauer kann ĂŒber vorhandene PrĂ€dispositionen auch Krankheitsprozesse auslösen.

Denn dann steht der Körper unter Dauerstress, das Immunsystem ist unterschwellig stĂ€ndig aktiviert – obwohl es gleichzeitig geschwĂ€cht ist.

Krank durch Trauer: Silent Inflammation

Dauerstress und ein geschwĂ€chtes Immunsystem können stille EntzĂŒndungen („silent inflammation“) hervorrufen. Diese Ă€ußern sich durch Erschöpfung, Fatigue, Schmerzen an Muskeln und Gelenken sowie hĂ€ufige Infekte. So gesehen kann man durch Trauer also doch krank werden.
Auch geschlechtsspezifische Unterschiede wurden festgestellt: MĂ€nner reagieren oft ĂŒber Muskeln und Faszien, entwickeln Verspannungen, VerhĂ€rtungen oder ZĂ€hneknirschen. Frauen hingegen spĂŒren die körperlichen Symmptome der Trauer eher als Herzschmerzen, Enge im Brustkorb oder Kraftlosigkeit.

Kachler, der gerade an einem Buch „Der Körper in der Trauer“ arbeitet, vermutet, dass MĂ€nner eher mit Kraft auf Trauer reagieren, wohingegen Frauen sich dem Schmerz eher stellen. Klar ist: Alle Geschlechter benötigen bei Problemen eine Trauerbegleitung.

FrĂŒhzeitige Trauerbegleitung

Rascher-Held, Vorsitzende im Bundesverband Trauerbegleitung, weiß: Besonders nach einem unerwarteten Verlust – etwa durch Unfall, Suizid oder eine Gewalttat – zeigt Trauer sich ĂŒber lange Zeit in Form von körperlichen Symptomen.  Wenn keine Abschiednahme möglich war oder das soziale Netz fehlt, kann das die Trauer erschweren – und das Risiko erhöhen, durch die Trauer krank zu werden.

„Offiziell“ spricht man laut Trauerforscher Kachler nach einem halben Jahr von einer chronifizierten Trauer. Er appelliert jedoch, diesen Zeitpunkt auf eineinhalb oder zwei Jahre zu verlĂ€ngernn: „Wenn der Schmerz dann immer noch im Vordergrund steht oder immer wieder ausgeblendet wird, zeigt sich dies oft auch auf körperlicher Ebene.“ Kachler rĂ€t:

„Es ist gut, sich ein StĂŒck weit prophylaktisch begleiten zu lassen, damit die Trauer nicht im Körper stecken bleibt. Die Lösungsrichtung heißt: sie aus dem Körper ins Abfließen oder ins Laufen zu bringen“, rĂ€t Kachler.

Experten empfehlen, sich schon frĂŒhzeitig nach einem schweren Verlust vom Hausarzt durchchecken zu lassen und eine Trauerbegleitung aufzusuchen – etwa in Form eines TrauercafĂ©s, Einzelbegleitungen, Trauergruppen oder Beratungsstellen.

Trauer spĂŒren und loslassen

Der Körper kann ein Ventil sein: Laufen, Weinen, Schreien – alles Wege, um die körperlichen Symptome der Trauer zu lösen.  MĂ€nner bringt Bewegung hĂ€ufig zur Konfrontation mit der Trauer.

„Es geht darum, beim schnellen Gehen oder Laufen die Trauer zu spĂŒren, an den Tod des nahen Menschen zu denken und das Vermissen zu spĂŒren.“ Manche laufen dann bis zur Erschöpfung – oder auch, bis sie endlich weinen können."

Frauen hilft es oft, den Schmerz ĂŒber die TrĂ€nen ganz bewusst aus dem Körper fließen zu lassen, die Hand auf die schmerzhaften Körperstellen zu legen und nach außen zu atmen, um den Schmerz so zu lösen.

Marei Rascher-Held hat die Erfahrung gemacht, dass auch AchtsamkeitsĂŒbungen, AtemĂŒbungen und Imaginationsreisen helfen – ebenso wie Feldenkrais-Kurse, Yoga und körperliche Bewegung. „Der Fokus soll auf dem Körper liegen, dabei darf ich mich einfach mal leiten lassen durch Angebote, die mir hilfreich sind und zu Hause fortgefĂŒhrt werden können.“

Manchmal sind die positiven Folgen schnell spĂŒrbar: Die Trauernden merken dann, dass die Anspannung sinkt, dass Kieferknochen und Nacken nicht mehr wehtun und sich der Hals etwas freier anfĂŒhlt.

Was hilft, wenn die Trauer chronifiziert?

SpĂ€testens nach eineinhalb bis zwei Jahren sollten Betroffene mit anhaltenden Beschwerden eine Psychotherapie in Betracht ziehen. Denn wenn Trauer chronifiziert und krank macht, braucht es professionelle Hilfe. Dann wird an den Ursachen gearbeitet, warum der Trauerprozess blockiert ist. „Es kann zum Beispiel daran liegen, dass ich SchuldgefĂŒhle habe oder es ungelöste Konflikte in der Beziehung zum Verstorbenen gibt“, sagt Psychologe Kachler.

„Oder aber, dass ich den Schmerz und die Trauer abwehren muss, aus Angst, dass sie mich ĂŒberflutet.“

Wer sich mit kompetenter Begleitung darauf einlĂ€sst, die GrĂŒnde fĂŒr die Blockade aufzuarbeiten, hat jedoch gute Chancen, dass beide gesunden: Seele und Körper.

Quelle: dpa

×