Ein Baby spielt mit einer Holzeisenbahn und nimmt sie in den Mund.© olesiabilkei/iStock/Getty Images Plus
Alles muss einmal mit dem Mund befühlt werden – gut, wenn dann alle Kleinteile fest sitzen.

Notfall

DAS KIND HAT MĂśNZEN, BATTERIEN, MAGNETE VERSCHLUCKT: WAS JETZT ZU TUN IST

Wenn ein Kind etwas verschluckt, kann das harmlos – oder lebensgefährlich sein. Eltern erkennen nicht immer sofort, ob und was genau verschluckt wurde. Was im Ernstfall zählt: schnelle Reaktion, die richtigen Maßnahmen – und Wissen über gefährliche Fremdkörper wie Batterien.

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Gegenstände mit dem Mund zu erkunden, gehört für Kleinkinder zum Alltag. Auch im Kindergartenalter steckt der Nachwuchs vieles noch in den Mund – und erreicht durch seinen wachsenden Aktionsradius noch mehr Dinge. Der wichtigste Appell an Eltern daher: Nichts herumliegen lassen, was dem Kind gefährlich werden könnte. Denn wenn ein Kind etwas verschluckt, kann das schlimme Folgen haben.

Besonders häufig passiert das Verschlucken im Alter zwischen sechs Monaten und vier Jahren, sagt der Kinderarzt Michael Achenbach. „Rutscht etwas weit genug nach hinten, wird der Schluckreflex ausgelöst“, erklärt der Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). „Einmal gestartet, lässt er sich nicht mehr unterbrechen.“ Die Eltern merken oft nicht, dass ein Kind etwas verschluckt hat. Was also sind die Alarmsignale, wenn ein Fremdkörper verschluckt wurde – und was ist zu tun?

Welche Gegenstände werden häufig von Kindern verschluckt?

Am häufigsten werden laut Professor Carsten Posovszky, Leiter der Gastroenterologie im Kinderspital Zürich, Münzen verschluckt. „Daneben alles, was in Reichweite der Kinder ist, wie beispielsweise Haarspangen, und zunehmend auch gefährliche Gegenstände wie Batterien und Spielzeugmagnete.“ Hat ein Kind eine Batterie verschluckt, wird es besonders gefährlich.

Spitze oder nadelartige Gegenstände können den Darm durchstoßen. Eine verschluckte Batterie – etwa die Knopfbatterie aus einer Grußkarte – kann in der Speiseröhre Stromfluss auslösen und binnen kurzer Zeit zu Verätzungen führen. „Das sind richtig tiefe Schleimhautschädigungen, die nicht weit entfernt von der Aorta lebensbedrohlich sein können“, warnt Posovszky.

Ebenfalls gefährlich wird es, wenn ein Kind mehrere Magnete zeitlich versetzt schluckt. „Die müssen raus, solange sie noch im Magen sind, sonst kann eine Bauch-OP nötig sein“, erklärt Kinderarzt Achenbach. Denn, wie Gastroenterologe Posovszky ergänzt: Befinden sich zwei Magnete an unterschiedlichen Stellen im Darm, können sie sich auf ihrem Weg im Körper so nahe kommen, dass sie sich anziehen. „Dann heften sie zwei Darmschlingen zusammen, es kann zu einem Loch in der Darmwand oder zum Darmverschluss kommen.“

Wenn das Kind etwas einatmet

Nicht nur das Verschlucken kann gefährlich sein – auch das Einatmen. Denn landet ein Gegenstand in den Atemwegen, kann das ebenfalls akut lebensbedrohlich werden. Betroffen sind häufig Lebensmittel wie Nüsse, Trauben oder Karottenstücke – aber auch Kleinteile aus Spielzeug. „Wer sich erschreckt, atmet ruckartig ein. Erschreckt sich das Kind im Moment des Verschluckens, besteht die Gefahr, dass ein Gegenstand in die Atemwege gerät“, erläutert Achenbach.

Wie erkennen Eltern, dass ihr Kind etwas verschluckt hat?

Wenn ein Kind etwas verschluckt hat, zeigen sich nicht immer sofort Symptome. Sie richten nach dem Gegenstand und dem Ort, an dem er sitzt.

  • Häufige Anzeichen bei einem verschluckten Fremdkörper in den Atemwegen sind Husten, pfeifende Atemgeräusche und Luftnot.
  • Sitzt etwas in der Speiseröhre, kann das Kind häufig nicht mehr schlucken – selbst Speichel nicht. „Erbricht das Kind, kann die Magenentleerung gestört sein, oder wenn Galle erbrochen wird, ein Darmverschluss vorliegen“, weiĂź Posovszky.
  • In vielen Fällen gibt es zunächst keine sichtbaren Anzeichen. Umso wichtiger ist es, bei jedem Verdacht, dass ein Kind etwas verschluckt hat, Hilfe zu suchen.

Was tun, wenn ein Kind etwas verschluckt oder eingeatmet hat?

Immer, wenn es Symptome gibt, sollten die Eltern mit dem Kind umgehend zum Arzt, betont Posovszky. Bei akuter Atemnot sollte der Rettungsdienst unter 112 gerufen werden. Am Telefon sollen die Eltern klar benennen, dass das Kind Atemnot hat und ein Notfall vorliegt. „Setzen Sie sich nicht selbst ins Auto“, rät Michael Achenbach, „hier geht es um Minuten. Im Rettungswagen sind Fachpersonal und eine gefederte Liege – wer weiß, was ein Geruckel im Auto noch auslösen würde.“

Auch wenn es (noch) keine Symptome gibt, aber der Verdacht besteht, dass ein Fremdkörper verschluckt wurde, sollte man direkt in die Klinik – nicht in die Kinderarztpraxis. Denn oft muss geröntgt werden. Weil der Zeitfaktor, zum Beispiel bei Batterien oder Magneten, immer im Spiel ist, ist ein Abwarten problematisch. Wichtig ist vielmehr Klarheit darüber, was sich wo im Körper des Kindes befindet. Eltern können sich in solchen Situationen auch an die zuständige Giftnotrufzentrale wenden und Rat einholen, wenn ihr Kind etwas verschluckt hat.

Können Eltern selbst etwas tun?

Nur wenn klar erkennbar ist, dass ein Kind einen Gegenstand in den Mund gesteckt, aber noch nicht verschluckt hat und der Gegenstand noch greifbar ist, sollten Eltern selbst handeln. Vermuten Eltern, dass das Kind etwas verschluckt haben könnte, können sie also auch erst einmal im Mund nachsehen. „Ich hatte mal ein Kind vor mir, dem das Klebeteil von der Taschentuchpackung noch am Gaumen klebte“, sagt Carsten Posovszky.

Sitzt der Fremdkörper im Rachen und das Kind würgt, können Eltern das Kind auch über den Oberschenkel mit Kopf nach unten legen und mit der flachen Hand in rascher Folge fünfmal kräftig zwischen die Schulterblätter klopfen– immer nachdem der Notruf abgesetzt wurde.

Hat ein Kind eine Batterie verschluckt und ist älter als ein Jahr, kann alle zehn Minuten ein Esslöffel Honig verabreicht werden. „Das vermindert den Stromfluss und kann auf dem Weg zum Arzt in der ersten Stunde alle zehn Minuten wiederholt werden“, sagt Posovszky.

Ansonsten ist es Sache der Ärzt*innen, Gegenstände aufzuspüren und zu entfernen.

Ist es immer gefährlich, einen Gegenstand zu verschlucken?

Nicht alles, was ein Kind verschluckt, ist automatisch gefährlich. Hat das Kind einen Fremdkörper verschluckt, der klein und glatt ist – wie eine Münze – besteht in vielen Fällen keine akute Gefahr. Auch ein einzelner kleiner Magnet kann unter Umständen unbedenklich sein. „Die engste Stelle ist zu Beginn der Speiseröhre, dort, wo die Luftröhre abgeht“, sagt Kinderarzt Achenbach. „Was diese Stelle passiert hat, kann theoretisch hinten von allein wieder rauskommen.“

Entscheidend ist jedoch, dass sicher ist, dass wirklich etwas unbedenkliches verschluckt wurde – und es sich im Kind an einer unkomplizierten Stelle befindet. Sollte nach einer entsprechenden Abklärung Abwarten angesagt sein, dauert es meist drei bis fünf Tage, bis der Fremdkörper auf natürlichem Weg wieder ausgeschieden wird.

UnterstĂĽtzung, etwa mit abfĂĽhrender Ernährung, ist nicht erforderlich.  FrĂĽher galt Sauerkraut als Hausmittel, heute wird es nicht mehr empfohlen. Der Nutzen ist nicht belegt und es kann Bauchschmerzen verursachen.

Quelle: dpa

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