Jemand hält eine Klarsichttüte mit weißem Pulver.© Sanny11 / iStock / Getty Images Plus
Glucose oder Lidocain? Das lässt sich allein mit dem Auge nicht unterscheiden.

Glucose-Verwechslung

PROZESS GEGEN KÖLNER APOTHEKERIN STARTET

2019 schockierte der Fall ganz Deutschland: Eine Schwangere und ihr Baby starben in Köln durch verunreinigte Glucose. Die verantwortliche Apothekerin steht nun wegen versuchten Mordes vor Gericht.

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Der Frau wird vorgeworfen, die korrekte Behandlung der Schwangeren verhindert zu haben. Sie habe gewusst, dass es sich bei der Verunreinigung um Lidocain handelte, die behandelnden Ärzte aber nicht informiert.

In der Kölner Apotheke wurde Glucose für den Glucose-Toleranztest in der Schwangerschaft abgefüllt. Die Apothekerin hat dabei wohl zwei Standgefäße verwechselt.

Lidocain und Glucose verwechselt

Ein tragischer Fehler, der den Ermittlern nach dazu führte, dass zwei Tütchen mit durch Lidocainhydrochlorid verunreinigter Glucose an die Frauenarztpraxis geliefert wurden, in der die Schwangere behandelt wurde. Die Anklage wirft der Apothekerin vor, Informationen zurückgehalten zu haben, um sich selbst zu schützen.

Ihr habe klar sein müssen, um welche Verunreinigung es sich gehandelt habe. Sie hätte die Klinik, in die die Schwangere eingeliefert worden war, sofort informieren müssen. Die Anklage lautet daher versuchter Mord durch Unterlassen.

Vorsatz oder Versehen?

Bereits zwei Tage vor dem tragischen Unglück bemerkte eine andere Patientin bei ihrer Glucosemischung einen bitteren Geschmack und trank daher nur einen Schluck. Danach ging es ihr so schlecht, dass sie bewusstlos wurde und im Krankenhaus behandelt werden musste.

Eine Mitarbeiterin der Praxis brachte die Glucose in die Apotheke zurück. Die Apothekerin, die die Abfüllung selbst vorgenommen hatte, probierte davon und fand keinen bitteren Beigeschmack. Allerdings ergaben die Ermittlungen, dass im Apothekenteam anschließend über die Möglichkeit einer Verunreinigung mit Lidocain gesprochen wurde und auch die Möglichkeit eines Approbationsverlustes zur Sprache kam. Die Anklage geht also davon aus, dass die Apothekerin wusste, was passiert war, und trotzdem schwieg.

Tod der Schwangeren und ihres Babys vermeidbar?

Die später verstorbene Schwangere hatte die ganze verunreinigte Lösung zu sich genommen, woraufhin sie zusammenbrach. Sie kam sofort in die benachbarte Klinik, wo ihr Baby per Notkaiserschnitt auf die Welt geholt wurde. Trotz schnellstens eingeleiteter Hilfsmaßnahmen starb die Frau noch am selben Tag, ihr Baby einen Tag später.

Ob die Vergiftung oder die frühe Geburt der Grund für den Tod des Babys war, konnte nicht ermittelt werden. Die Staatsanwaltschaft glaubt jedoch: Hätten die Ärzte gewusst, dass die Frau Lidocain zu sich genommen hatte, hätte man sie und ihr Kind möglicherweise noch retten können.

So geht das Gerichtsverfahren weiter

Die Verteidigung dagegen sieht keine Verdeckungsabsicht der Angeklagten und somit kein Mordmerkmal. Ihrer Meinung nach habe die Apothekerin vorbehaltlos kooperiert und keine Beweise zurückgehalten.

Zur Sache äußern wollte sich die Beklagte am ersten Prozesstag nicht, ließ aber eine Erklärung verlesen. In dieser sprach sie der Familie der Verstorbenen ihr Beileid aus.

In den angesetzten 21 Verhandlungstagen muss nun geklärt werden, was genau passiert ist und ob die Apothekerin tatsächlich bewusst geschwiegen hat. Viele Zeugen und Sachverständige sollen dazu gehört werden. Der Lebenspartner der Verstorbenen tritt als Nebenkläger auf und ließ die Angeklagte am ersten Prozesstag nicht aus den Augen.

Quellen:
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/apothekenpraxis/das-falsche-gefaess/
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/apothekerin-muss-sich-verantworten-140675/
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/05/04/strafprozess-gegen-koelner-apothekerin-startet-im-juni

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