3D-Illustration eines anatomischen Herzens© Paul Campbell/iStock/Getty Images Plus
Bei Männern lösen meist Gerinnsel einen Herzinfarkt aus, bei Frauen auch Plaque-Rupturen oder Gefäßeinrisse – deshalb brauchen Frauen andere Therapien.

Gendermedizin

HERZINFARKT BEI FRAUEN MUSS ANDERS BEHANDELT WERDEN

Ein Herzinfarkt ist für alle Geschlechter ein lebensbedrohlicher Notfall. Allerdings zeigen Frauen nicht nur andere Symptome als Männer, sondern manche Standardtherapien können ihnen sogar mehr schaden als nützen. Experten schlagen Alarm.

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Obwohl ein Herzinfarkt bei Frauen andere, oft recht unspezifische Symptome wie Bauchschmerzen verursachen kann, sind nach wie vor die meisten Studienteilnehmer männlich. Frauen, so warnt ein europäisches Expertenteam an der MedUni Wien, sind in Studien unterrepräsentiert.

Und das, obwohl sich zeigt, dass die bei Männern üblichen Behandlungen nach einem Herzinfarkt bei Frauen öfter zu Problemen führen. Warum ist das so? Frauen reagieren anders auf die Medikamente und manche Formen des Herzinfarktes treten bei Frauen öfter auf.

Herzinfarkt bei Frauen verläuft oft anders

Während bei Männern ein Herzinfarkt meist durch ein Blutgerinnsel verursacht wird, hat er bei Frauen oft andere Ursachen. Davor warnt ein Team um Professor Dr. Jolanta Siller-Matula von der MedUni Wien in einem Statement. Die Expert*innen weisen darauf hin, dass die nach einem Herzinfarkt üblichen Therapien zur Gerinnselbehandlung bei Frauen zum Problem werden können.

Frauen leiden öfter unter Blutungen nach dem Einsatz von Heparin und Plättchenhemmern als Männer. Das hat mehrere Gründe.

So reagieren Frauen auf Standardtherapien

Zum einen kommt ein Herzinfarkt bei Frauen im Schnitt später im Leben vor als bei Männern. Frauen leiden also häufiger an zusätzlichen Grunderkrankungen wie Niereninsuffizienz oder Diabetes. Die Dosierungen von Heparin und Thrombozytenaggregationshemmern müssen bei Frauen also unbedingt individuell nach Körpergewicht und Nierenfunktion berechnet werden, betonen die Expert*innen.

Außerdem sollte ein Katheter zur Weitung von Engstellen, die zum Herzinfarkt geführt haben, bei Frauen nicht über die Leiste eingeführt werden. Das Handgelenk eignet sich besser, denn hier drohen weniger Nachblutungen.

Mit ein Grund für die höhere Empfindlichkeit von Frauen gegenüber den Medikamenten begründen die Forschenden mit den hormonellen Schwankungen, denen Frauen im Laufe ihres Lebens unterworfen werden. Dazu zählen Menstruationszyklen, orale Kontrazeptiva und die Menopause. Diese Schwankungen beeinflussen das individuelle Blutungs- und Thromboserisiko.

Spezialfall MINOCA: Der Herzinfarkt der Frauen

Manche Formen eines Herzinfarktes kommen zudem überwiegend bei Frauen vor. Dazu zählt ein MINOCA, kurz für Myocardial Infarction with Non-Obstructive Coronar Arteries. Das bedeutet so viel wie Herzinfarkt ohne verengte Herzkranzgefäße. Bei Frauen liegt also öfter keine Verengung der das Herz versorgenden Blutgefäße vor, obwohl Infarktzeichen bestehen. Rund fünf bis zehn Prozent aller Herzinfarkte verlaufen so. Ursachen können stattdessen Spasmen der Gefäße sein, aber auch Plaque-Rupturen oder Einrisse in den Wänden der Herzkranzgefäße.

Diese Ursachen eines Herzinfarktes, die wie erwähnt überwiegend Frauen betreffen, lassen sich mit der routinemäßigen dualen Plättchenhemmung (DAPT) nicht beseitigen. Im Gegenteil: Blutungen können die lebensbedrohlichen Folgen sein.

Herzinfarkt bei Frauen: andere Symptome, fehlende Daten

Obwohl mittlerweile bekannt ist, dass ein Herzinfarkt bei Frauen andere Symptome auslöst und andere Ursachen hat, beklagen die Expert*innen einen gravierenden Mangel an Daten. Einer Literaturanalyse zufolge sind nur 26,6 Prozent der Studienteilnehmer*innen weiblich.

Das muss anders werden, fordern die Forschenden. Frauen müssten stärker als Studienteilnehmerinnen und als leitende Forscherinnen vertreten sein. Geschlechtsspezifische Daten müssen in Studien stärker erfasst werden, auch zu den nach einem Herzinfarkt bei Frauen aufgetretenen Symptomen und Behandlungskomplikationen.

Größere Stichproben und eine geschlechtsspezifische Randomisierung könnten zukünftig helfen, die Behandlung von Herzinfarkten bei Frauen sicherer und besser zu machen. Das Statement ihres Teams versteht Professor Siller-Matula als

„Aufruf an die gesamte kardiologische Gemeinschaft, hier systematisch umzudenken“.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/herzinfarkt-bei-frauen-richtig-behandeln-157021/
Valeria Paradies, Giulia Masiero, Andrea Rubboli, Heleen M M Van Beusekom, Francesco Costa, Piera Capranzano, Sophie Degrauwe, Diana A Gorog, Claudia Moreira Jorge, Gill Louise Buchanan, Mirvat Alasnag, Daniela Trabattoni, Chiara Fraccaro, Dirk Sibbing, Dariusz Dudek, Gemma Vilahur, Alaide Chieffo, Roxana Mehran, Davide Capodanno, Emanuele Barbato, Jolanta M Siller-Matula: “Antithrombotic drugs for acute coronary syndromes in women: sex-adjusted treatment and female representation in randomised clinical trials. A clinical consensus statement of the European Association of Percutaneous Cardiovascular Interventions (EAPCI) and the ESC Working Group on Thrombosis”, European Heart Journal, 20. Mai 2025. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaf352

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