Rosa Tabletten auf hellblauem Grund.© ballykdy / iStock / Getty Images Plus
Kein blödes Geschlechterklischee: Rheumatherapien wirken bei Frauen anders als bei Männern - die meisten Medikamente leider schlechter.

Gendermedizin

RHEUMA KENNT KEINE GLEICHBERECHTIGUNG

Viele, aber nicht alle entzündlich-rheumatischen Erkrankungen betreffen Frauen häufiger als Männer. Und nicht nur das: auch ihre Therapie gestaltet sich oft nicht so einfach. Eine Studie zeigt, dass viele Medikamente bei Frauen weniger effektiv wirken.

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Eine Literaturrecherche von Wissenschaftlerinnen des Rheumazentrums Berlin hat geschlechterspezifische Unterschiede in Diagnostik und Therapie bei rheumatischen Erkrankungen betrachtet. Die wichtigste Erkenntnis: Gendergerechte Forschung zu dem Thema ist immens wichtig, denn Frauen und Männer reagieren teils sehr verschieden.

Biologische Unterschiede wie Sexualhormone, unterschiedliche Organgrößen oder die Körperfettverteilung beeinflussen nicht nur die Wirksamkeit von Biologicals zur Therapie rheumatischer Erkrankungen. Auch die Entstehung und Ausprägung dieser ist bei Männern und Frauen unterschiedlich. Dafür kommen unterschiedliche Gründe in Betracht.

Rheuma bei Männern und Frauen: Andere Beschwerden, spätere Diagnosen

Frauen besitzen beispielsweise ein höheres Schmerzempfinden als Männer und gehen mit ihrer Erkrankung anders um. Sie belastet ihre Symptomatik stärker und beeinflusst ihre Lebensqualität. Dr. Uta Klitz, Chefärztin am Rheumazentrum Ruhrgebiet, vermutet, dass die Sexualhormone möglicherweise Einfluss auf das Schmerzempfinden besitzen.

Männer bekommen ihre Diagnose oft früher als Frauen. Dafür nennen die Berliner Autorinnen mögliche Gründe. Unter anderem leiden Frauen häufiger unter mehreren unterschiedlichen Symptomen, während bei Männern früher eindeutig auffällige Blutwerte oder messbare Organbeteiligung auftreten.

Unspezifischere Symptome und Blutwerte

Frauen haben auch häufiger eine höhere subjektive Krankheitsbelastung und eine größere Vielfalt an Symptomen. Sie gehen früher zum Arzt als Männer. Eine Studie zeige aber, so die Autorinnen, dass männliche Hausärzte später Überweisungen an Rheumatologen ausstellten als weibliche. Bei Männern verlaufen entzündlich-rheumatische Erkrankungen schwerer als bei Frauen, machen sich aber schneller eindeutig bemerkbar.

Bei Morbus Bechterew zum Beispiel leiden Frauen häufiger unter Beschwerden in den peripheren Gelenken, während bei Männern schneller positive Serummarker und auch häufiger Organschäden auftreten. Das kann bei Frauen zunächst zu Verwechslungen mit anderen Erkrankungen führen, vor allem im Frühstadium.

Geschlechter sprechen unterschiedlich auf Rheumatherapie an

Nicht nur die Symptome und Krankheitsverläufe unterscheiden sich. Männer sprechen auch anders auf eine medikamentöse Behandlung an als Frauen. So weiß man, dass viele Biologicals wie Inhibitoren des Tumornekrosefaktors-α bei Frauen schlechter wirksam sind. Lediglich Januskinase-Hemmstoffe wirken bei beiden Geschlechtern gleich. Eine wichtige Rolle für eine schlechtere Wirkung zum Beispiel von Etanercept scheint die Körperfettverteilung zu spielen. Übergewicht beeinträchtigt den Effekt zusätzlich, bei Frauen wiederum stärker als bei Männern. Laut Klitz ist aber erwiesen, dass zumindest immunsuppressive Therapien bei Frauen weniger oft dauerhaft wirksam sind.

Klitz vermutet noch eine weitere Ursache für die schlechtere Wirkung: die Methode der Datenerhebung durch Selbstauskunft. Frauen schätzen ihre Erkrankung als aktiver ein als Männer, wenn sie nach Schmerzen gefragt werden.

Andere Begleiterkrankungen

Auch sogenannte Komorbiditäten, also weitere vorhandene Erkrankungen, beeinflussen Therapieauswahl, Ansprechen und weiteren Verlauf der rheumatischen Erkrankung. Denn Frauen und Männer unterscheiden sich auch hier deutlich.

Während Frauen mit rheumatoider Arthritis öfter unter Arthrosen, Osteoporosen, Depressionen oder Schilddrüsenerkrankungen leiden, sind bei Männern Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Gicht oder Niereninsuffizienz häufiger. Männer mit rheumatoider Arthritis haben wiederum ein höheres Risiko, eine Herzinsuffizienz zu entwickeln.

Gendergerechte Rheuma-Therapie

Frauen denken und empfinden bekanntlich anders als Männer. Sie profitieren von Strategien, die ihnen bei der Bewältigung der Krankheit helfen. Bei ihnen lässt sich die Therapietreue so steigern.

Das Thema gendergerechte Forschung gewinnt an Bedeutung. Noch ist vieles unklar, etwa, ob Frauen vermehrt Antikörper gegen Biologicals bilden. Ob in Zukunft geschlechterangepasst therapiert wird, muss weiter erforscht werden.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/rheuma-medikamente-wirken-bei-frauen-oft-schlechter-142035/
Albrecht, K., Strangfeld, A.: „Geschlechtsspezifische Unterschiede in Diagnostik und Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen", Innere Medizin, 6. März 2023.  https://doi.org/10.1007/s00108-023-01484-3
https://biologika-register.de/rabbit/ergebnisse/  
https://academic.oup.com/rheumatology/article/59/8/1916/5634045

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