Lila und Weiße Exemplare des Roten Fingerhuts© PicturePartners/iStock/Getty Images Plus
Die Glykoside aus dem Roten Fingerhut sind nun besser untersucht.

Digoxin und Digitoxin

FINGERHUT: COMEBACK GEGEN HERZSCHWÄCHE?

Fingerhut (Digitalis) wird schon über 200 Jahre bei Herzschwäche angewendet. Seine Inhaltsstoffe, die Digitalis-Glykoside, sollen die typischen Beschwerden wie Atemnot, Wassereinlagerungen und Rhythmusstörungen bekämpfen. Erstaunlich: Erst jetzt gibt es belastbare Belege für die Wirkung.

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Die beiden bekanntesten Wirkstoffe aus Blättern vom Roten Fingerhut sind Digitoxin und Digoxin. Sie werden auch Herzglykoside genannt und wurden früher häufig zur Behandlung von Herzschwäche eingesetzt. Weil sie aber eine geringe therapeutische Breite und zahlreiche Neben- und Wechselwirkungen besitzen, verloren sie an Stellenwert.

In einer über zehnjährigen Untersuchung wurden jetzt aber zum ersten Mal Beweise für eine positive Wirkung von Digitoxin bei Herzschwäche erbracht. Während die Preise für Arzneimittel in vielen Bereichen stetig steigen, könnte ein Comeback von Digitoxin dabei helfen, Kosten zu sparen.

Fingerhut wirkt gegen Herzschwäche: Erster Nachweis

Dass Digitoxin bei Herzschwäche wirksam ist, darauf gab es schon lange Hinweise. Nachgewiesen haben eine positive Wirkung jetzt Forschende der Medizinischen Hochschule Hannover unter der Leitung von Professor Dr. Johann Bauersachs, dem Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie, und Oberarzt Professor Dr. Udo Bavendiek. Die dafür verwendeten Daten von rund 1200 Personen mit Herzschwäche stammen aus über 50 Zentren in Deutschland, Österreich und Serbien.

Vom positiven Ergebnis sind die Forschenden selbst überrascht. Denn Herzglykoside sind aus der Mode gekommen. Während bis 2020 Digoxin und Digitoxin noch von mehreren Herstellern produziert wurden, existiert auf dem deutschen Markt im Moment nur Digitoxin als Generikum.

Besonders HFrEF-Betroffene profitieren

Besonders profitieren von einer Zusatzbehandlung mit Digitoxin Betroffene einer bestimmten Form der Herzschwäche. Sie geht mit einer verminderten Pumpleistung des Herzens bei unzureichender Entleerung der linken Herzkammer einher.

Diese Form der Herzschwäche heißt auch Heart Failure with reduced Ejection Fraction (HFrEF). Digitoxin aus Rotem Fingerhut reduziert bei fortgeschrittener HFrEF die Zahl der Krankenhausaufenthalte und die Sterblichkeit aufgrund der Herzschwäche. Die Studie untersuchte Patienten, bei denen die üblichen Therapien ausgereizt sind.

Herzschwäche braucht sichere Behandlung

Herzschwäche betrifft in Deutschland rund vier Millionen Menschen. Eine Behandlung ist nicht ganz einfach. Sie erfolgt meist mit Betablockern um die Herzfrequenz zu senken, sowie Regulatoren des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems um den Gefäßwiderstand zu minimieren. Beides soll die Belastung für den angeschlagenen Herzmuskel verringern.

Auch Diuretika gegen die Ödeme zählen bei Herzschwäche zu den gängigen Behandlungen. Ist das Herzmuskelgewebe stark geschädigt, kommen auch implantierte Mini-Defibrillatoren zum Einsatz, um gefährliche Herzrhythmusstörungen zu verhindern.

Digoxin und Digitoxin: Unterschiede

Weil unser Herz eine Hochleistungspumpe ist, macht sich eine Herzschwäche oft deutlich bemerkbar. Wassereinlagerungen mit Rückstau bis in den Lungenkreislauf können auftreten. Die Folgen sind Atemnot und eine geringe körperliche Belastbarkeit. Auch schwere Rhythmusstörungen resultieren mitunter aus einer Herzschwäche. Deren Behandlung unterstützt Digitoxin ebenfalls. Gleichzeitig wirkt es positiv auf die Pumpleistung des Herzens.

Ein Problem bei Herzschwäche stellt oft das Alter der Betroffenen dar. Eine Behandlung mit dem bisher besser untersuchten Digoxin kommt zum Beispiel für Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion nicht infrage. Seine Ausscheidung erfolgt ausschließlich renal, während Digitoxin bei Nierenproblemen vermehrt über Leber und Darm eliminiert wird.

Digitoxin: Vorbehalte entkräftet

Die vorliegende Studie entkräftet die bisher vorherrschende Befürchtung, dass Digitoxin gegen Herzschwäche für bestimmte Patientengruppen keine sichere Behandlung sein könnte. Professor Bavendiek betont: Digitoxin kann gegen Herzschwäche durchaus als Behandlungsoption in Betracht gezogen werden. Auch für die Kontrolle der Herzfrequenz bei Vorhofflimmern als Folge der Herzschwäche eigne sich die Substanz, wenn Betablocker allein nicht reichten.

Die Experten empfehlen bei Herzschwäche eine geringe Dosis von Digitoxin, und zwar 0,07 Milligramm täglich und darunter. Das mache Digitoxin für Betroffene von Herzschwäche zu einer sehr günstigen, sicheren und wirksamen Behandlung.

Quellen:
https://idw-online.de/de/news857332
https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffgruppen/herzglykoside

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