Schlafender Säugling© NikolayK / iStock / Getty Images

Krankheiten im Kindesalter

URSACHE UNKLAR – PRÄVENTION EFFEKTIV

Auch wenn die Auslöser des plötzlichen Kindstods nach wie vor nicht wirklich bekannt sind: Mit einfachen Maßnahmen lässt sich das Risiko erheblich reduzieren. Lesen Sie, welche das sind.

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Der Alptraum aller Eltern: Sie legen ihr Baby schlafen, alles scheint in Ordnung – und wenn sie wieder nach ihm schauen, atmet es nicht mehr. Im Jahr 2019 passierte dies 107-mal in Deutschland, bei insgesamt 778 090 Lebendgeburten im selben Jahr. Damit zählt der plötzliche Kindstod oder SIDS (Sudden Infant Death Syndrome) zu den häufigsten Todesursachen im Säuglingsalter. Die tröstliche Nachricht: Die registrierten 107 Fälle sind der niedrigste Wert seit Beginn der Datenerfassung im Jahr 1980, wobei die meisten Fälle um das Jahr 1990 herum mit je über 1000 Fällen zu verzeichnen waren. Der Grund für den deutlichen Rückgang: Die systematische Erhebung der Umstände, unter denen die Säuglinge verstarben, und die Ableitung von Empfehlungen für optimale Schlafbedingungen.

Mögliche Ursachen in der Diskussion Das Sudden Infant Death Syndrome (SIDS) im engeren Sinne ist definiert als „der rasch eintretende Tod eines Säuglings, der nach der Anamnese unerwartet ist, bei dem die Auffindesituation und die äußere Besichtigung des Körpers keine Anhaltspunkte für einen nicht-natürlichen Tod ergeben und bei dem eine nach einem definierten wissenschaftlichen Protokoll durchgeführte postmortale Untersuchung (Autopsie) keine Befunde ergibt, die aus klinischer und histologisch-pathologischer Sicht als todesursächlich gelten können“, so die medizinische Leitlinie. Es handelt sich dabei um eine Unterkategorie des Sudden Unexpected Infant Death (SUID), bei dem sich für einen Teil der Fälle im Nachhinein eine Ursache feststellen lässt, darunter Ersticken, Infektionen oder metabolische Erkrankungen.

Bei den Ursachen für SIDS tappt die Wissenschaft weiterhin im Dunkeln. Sehr wahrscheinlich gibt es auch nicht die eine Ursache. So stehen unter anderem sogenannte „Channelopathien“ im Verdacht, also Fehlfunktionen von Ionenkanälen in Zellmembranen, die sich unter anderem im Gehirn, im Herzen und in der Muskulatur manifestieren können. Auch wurden bei einem Teil der Kinder, die an einem plötzlichen Kindstod gestorben waren, erhöhte Serotonin-Konzentrationen im Gehirn nachgewiesen, die dort möglicherweise zu einer Störung des Atemzentrums geführt hatten. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass der Atemantrieb insgesamt unreif und das Kind schwer erweckbar sein könnten, was zu einem Atemstillstand führen könnte. Schließlich werden unerkannte virale Infektionen diskutiert, die sich negativ auf das Herz auswirken könnten. Möglich wäre auch, dass mehrere Faktoren zusammenkommen müssen.

Effektive Präventionsmaßnahmen Unbestritten ist, dass das höchste Risiko im zweiten bis vierten Lebensmonat besteht. Sehr selten kann ein plötzlicher Kindstod auch noch nach dem ersten Geburtstag auftreten. Unbestritten ist auch, dass eine Reihe von äußeren Faktoren, die sich mit einfachen Mitteln beeinflussen lassen, das Risiko für einen plötzlichen Kindstod deutlich senken kann. Die Mehrheit dieser Präventionsmaßnahmen zielt darauf ab, ein Ersticken durch ein Verfangen in Kissen oder Decken sowie eine Überhitzung zu vermeiden, da Säuglinge noch nicht in der Lage sind, sich aus solchen Situationen selbst zu befreien. Daher gilt:

  • Säuglinge sollten im ersten Lebensjahr zum Schlafen immer auf den Rücken – und nicht auf den Bauch oder auf die Seite – gelegt werden. Der Hintergrund: In Bauchlage besteht die Gefahr, dass das Baby auf seiner Nase und seinem Mund zu liegen kommt und nicht mehr ausreichend Luft bekommt, insbesondere wenn es auf einer weichen Unterlage liegt. Um die Rücken- und Nackenmuskulatur mit der Zeit zu kräftigen und um einer Abflachung der Hinterkopfs entgegenzuwirken, kann das Baby auf den Bauch gelegt werden, wenn es wach und unter Aufsicht ist.
  • Das Baby sollte auf einer festen Unterlage schlafen und das Bettlaken glatt gespannt sein. Weiche Unterlagen oder Felle – auch unter dem Bettlaken – gehören nicht ins Babybett oder einen Stubenwagen.
  • Anstelle einer Decke wird ein Baby-Schlafsack empfohlen, der so geschnitten ist, dass er nicht über den Kopf rutschen und das Gesicht bedecken kann. Von Mützen innerhalb der Wohnung wird ausdrücklich abgeraten, weil Säuglinge ihre Körpertemperatur maßgeblich über ihren Kopf regulieren. Wenn sich die Haut des Babys am Nacken oder zwischen den Schulterblättern warm, aber nicht verschwitzt anfühlt, ist ihm weder zu kalt noch zu warm. Falls doch eine Decke verwendet werden soll, sollten Baby und Decke ans untere Ende des Bettes gelegt werden, damit das Kind nicht mit dem Kopf unter die Decke rutschen kann.
  • Auf gepolsterte Bettumrandungen, Kopfkissen und alle Gegenstände (z.B. Kuscheltiere), die das Kind überdecken könnten, sollten Eltern verzichten. Babybetten müssen natürlich so konstruiert sein, dass die Kinder nicht mit dem Kopf zwischen die Gitterstäbe geraten können.
  • Babys sollten nicht im Bett der Eltern schlafen. Das Babybett sollte aber während des ersten Jahres im Schlafzimmer der Eltern stehen.
  • Stillen wird empfohlen: Säuglinge, die gestillt werden, sterben seltener an plötzlichem Kindstod.
  • Es hat sich gezeigt, dass Babys, die zum Einschlafen einen Schnuller nehmen, ebenfalls seltener an plötzlichem Kindstod sterben. Warum das so ist, ist unklar. Auf Schnullerketten oder -bänder sollte im Bett verzichtet werden.
  • Eine rauchfreie Umgebung ist wichtig: Das gilt für einen Verzicht aufs Rauchen sowohl während der Schwangerschaft als auch nach der Geburt. Es hat sich zudem gezeigt, dass das Risiko für einen plötzlichen Kindstod besonders hoch ist, wenn das Baby bei den Eltern im Bett schläft, die Raucher sind – selbst wenn sie nicht im Bett rauchen. Auch auf Alkohol sollten die Eltern verzichten.
  • Gesundheitsvorsorge: Babys, deren Mütter während der Schwangerschaft regelmäßig die Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen, versterben seltener an plötzlichem Kindstod. Dasselbe gilt für Babys, die gemäß den geltenden Empfehlungen geimpft sind.
  • Vom Pucken, einer Wickeltechnik, bei der das Baby in den ersten Monaten fest in ein Tuch eingebunden wird, raten Experten ab, da eine systematische Analyse mehrerer Studien zum Thema gezeigt hat, dass das SIDS-Risiko insbesondere in Seiten- und Bauchlage erheblich erhöht ist.
  • Untersuchungen belegen, dass das Risiko für einen plötzlichen Kindstod auch in den Stunden nach der Geburt – wenn das Neugeborene häufig auf dem Bauch der Mutter liegt – deutlich erhöht ist. In dieser wichtigen Phase sollte daher gut darauf geachtet werden, dass die Atemwege des Babys frei sind und das Baby gut Luft bekommt.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 01/2022 ab Seite 84.

Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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