Graphische Darstellung von zwei Menschen mit unterschiedlicher Meinung. Gebrochene Sprechblasen.© wassam siddique / iStock / Getty Images Plus
Streit zwischen Menschen ist wichtig, aber dafĂĽr mĂĽssen die beteiligten Personen einiges beherzigen.

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RICHTIG STREITEN: WIE SIE KONFLIKTE LĂ–SEN UND IHRE STREITKULTUR VERBESSERN

Richtig streiten will gelernt sein – denn wer Konflikte vermeidet, löst sie nicht. Kommunikationsexpertinnen und Forscher zeigen, wie Sie Ihre Streitkultur verbessern können und geben konkrete Tipps bei Streit, die helfen, Missverständnisse aufzuklären und Beziehungen zu stärken.

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Hört auf zu streiten! Diesen Satz hat als Kind wohl schon jeder gehört – und vermutlich auch selbst dem eigenen Nachwuchs mit auf den Weg gegeben. Doch Tipps bei Streit gehen weit ĂĽber „einfach Ruhe geben“ hinaus. Denn richtig streiten kann Beziehungen sogar stärken.

Fachleute sehen das ähnlich. „Lasst uns streiten!“, appelliert die Kommunikations-Expertin und Autorin Birte Karalus. Und Streitforscher Christian Boeser von der Universität Augsburg meint: „Wir brauchen den Streit unbedingt! Privat, beruflich und gesamtgesellschaftlich!“ Wer Konflikte lösen will, sollte also lernen, richtig zu streiten – mit Respekt und Klarheit.

Furchtbar oder fruchtbar? Warum der Anfang zählt

„Ob ein Streit furchtbar oder fruchtbar ist, liegt an uns. Derjenige, der anfängt, hat es in der Hand“, sagt Karalus. Schon beim Einstieg entscheidet sich, ob wir einen Schritt in Richtung Streitkultur verbessern gehen – oder einen alten Teufelskreis bedienen.

Hilfreich ist dabei, sich bewusst zu machen: Möchte ich wirklich Konflikte lösen, oder will ich nur Dampf ablassen? Wer richtig streiten will, braucht einen passenden Zeitpunkt und echte Gesprächsbereitschaft.

„Wenn ich aber wirklich bereit bin, mich mit dem anderen auseinanderzusetzen, kann ich Missverständnisse klären, Blockaden auflösen und Antworten finden“,

erklärt die Mediatorin. Gute Tipps bei Streit beinhalten daher auch Selbstreflexion und Timing.

Wann Streit negativ ist – und wieso

Warum wird Streit oft als negativ empfunden? Weil feindseliges Verhalten verletzen und Vertrauen zerstören kann, sagt Boeser. Doch das passiert meist, wenn Menschen nie gelernt haben, richtig zu streiten oder ihre Streitkultur zu verbessern.

Je enger eine Beziehung, desto größer das Risiko, sich gegenseitig zu verletzen. Denn man kennt die Triggerpunkte. „Das ist ja das Gemeine, weil ich dann weiß, wie ich jemanden persönlich treffen kann“, erklärt Karalus. Wer Konflikte lösen will, sollte sich bewusst sein: Verhalten wird unterschiedlich interpretiert.

Ein klassisches Beispiel aus der Praxis: Jemand verlässt nach einem Streit den Raum. Für den einen ist das eine Abkühlpause, für den anderen ein symbolischer Abbruch. Richtig streiten heißt auch, solche Unterschiede wahrzunehmen und einzuordnen – ein wichtiger Schritt, um Streitkultur zu verbessern.

Balance finden beim Streiten

Ein konstruktiver Streit lebt vom Gleichgewicht. Richtig streiten heiĂźt, dem anderen zuzuhören und ihm Raum zu geben – aber auch, sich selbst klar zu positionieren. Wer Konflikte lösen will, braucht beides: Empathie und Abgrenzung.

„Beides ist wichtig. Und zwar abhängig von der Situation mal mehr das eine oder das andere“, sagt Boeser. Einer der wichtigsten Tipps bei Streit: wohlwollend und freundlich bleiben – auch wenn es schwerfällt.

Freundlichkeit kann deeskalieren und neue Perspektiven ermöglichen. „Sie kann magische Wirkung haben“, sagt Karalus. Wer richtig streiten will, sollte sich daher besonders im Zuhören ĂĽben – das ist die „Königsdisziplin der Freundlichkeit“.

Auch Fehlertoleranz ist entscheidend. Menschen machen Fehler – auch im Streit. Mit etwas Großzügigkeit lassen sich Konflikte lösen, bevor sie eskalieren. Streitkultur verbessern beginnt also bei uns selbst.

Was im Streit nicht geht

Ein absolutes No-Go: den anderen als Feind betrachten. Dann entstehen Teufelskreisläufe. „Wenn ich den anderen vernichten will, ist etwas schiefgelaufen in der Kommunikation“, sagt Boeser. Ein wichtiger Tipp bei Streit lautet daher: Niemals entmenschlichen.

Wertschätzung ist die Basis. Nur wenn ich den anderen respektiere, kann ich richtig streiten – und tatsächlich Konflikte lösen. Dazu gehört auch, eigene Anteile kritisch zu hinterfragen und dem Gegenüber zu erklären, was mir wichtig ist.

Oft sind es nicht die Kleinigkeiten – die vergessene Zahnpastatube etwa – die den Streit auslösen. Es geht um tieferliegende Bedürfnisse: Werde ich respektiert? Wird meine Selbstbestimmung anerkannt? Wer diese Fragen erkennt, kann seine Streitkultur verbessern und in Zukunft anders mit ähnlichen Situationen umgehen.

Bei sich selbst anfangen

Wer richtig streiten will, muss bei sich selbst anfangen. Karalus empfiehlt, sich bewusst zu machen, warum einen bestimmte Aussagen oder Verhaltensweisen so stark triggern. Hinter der Wut stehen oft verletzte Werte oder das GefĂĽhl, nicht gesehen zu werden.

Statt in die Eskalation zu gehen, sei es besser, den Streit kurz zu unterbrechen. Die Expertin sagt dazu:

„Wenn ich weiß, dass ich Zeit brauche, weil ich sonst Dinge sage, die ich nicht mehr zurücknehmen kann und verletzen, dann sollte ich den Streit abbrechen“.

Das ist kein Rückzug, sondern ein kluger Schritt, um Konflikte lösen zu können.

Tipps bei Streit beinhalten also auch Pausen. Denn: Team Harmonie ist nicht automatisch die Lösung. Unterdrückter Streit macht auf Dauer krank. Besser: richtig streiten, Probleme benennen, Lösungen finden.

Warum Vermeidung keine Lösung ist

Boeser betont, dass Vermeidung langfristig genauso schädlich ist wie offener, verletzender Streit. „Denn dann kommt man automatisch an den Punkt, dass man irgendwann platzt.“ Wer Konflikte lösen will, sollte nicht schweigen, sondern sprechen – und zwar bewusst.

Der Satz „Hört auf zu streiten!“ ist also grundlegend falsch. „Es sind die Guten, die streiten – weil sie wollen, dass wir gemeinsam vorankommen“, sagt Karalus. Der Schlüssel liegt darin, Streitkultur zu verbessern und zu erkennen: Richtig streiten kann verbinden.

Quelle: dpa

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