Das Coronavirus vergrößert© peterschreiber.media / iStock / Getty Images Plus
Forscher haben ein Corona-Testsystem entwickelt, das Varianten des Virus identifizieren kann.

Testverfahren

CORONA NACHWEISEN, VARIANTEN ERKENNEN

PCR-Tests sind beim Kampf gegen die Pandemie nicht mehr wegzudenken. Allerdings sind sie aufwendig und erfordern eine gewisse medizinische Infrastruktur. Die Alternative: „miSHERLOCK“. Das neue Testsystem soll COVID-19 nachweisen und zugleich Varianten des Virus identifizieren können.

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Eine breit angelegte Teststrategie ist ein wichtiger Baustein, um die Pandemie einzudämmen. Tests, die SARS-CoV-2, aber auch die Virusmutationen zuverlässig erkennen, sind dabei essenziell. Doch gerade in Ländern mit schwacher medizinischer Infrastruktur stehen oft keine verlässlichen Tests zur Verfügung. Selbst die Kapazitäten in Industrieländern sind begrenzt.

Der Goldstandard zum Nachweis des Virus ist aktuell der PCR-Test. Dieser erfordert neben medizinisch geschultem Personal auch Labore, in denen die Proben ausgewertet werden können.

Fluoreszierendes Signal

Ein weniger aufwendiges Testverfahren hat ein Team um Helena de Puig von der Harvard University in Boston entworfen. Es soll das Coronavirus in Speichelproben nachweisen – und dabei ebenso zuverlässig wie ein PCR-Test sein. Dafür aber schneller, preiswerter und unkomplizierter. Außerdem soll es, wie Puigs Kollege James Collins erklärt, neu auftretende Varianten erkennen. Er sagt weiter:

„In dieser Studie haben wir uns auf die britische, südafrikanische und brasilianische Variante konzentriert, aber man könnte die Diagnoseplattform ohne weiteres an die Delta-Variante und andere neu auftretende Varianten anpassen.“

Der Test basiert auf der sogenannten SHERLOCK-Technologie (specific high-sensitivity enzymatic reporter unlocking), die wiederum die Genschere Crispr/Cas nutzt. Die Cas-Enzyme erzeugen ein fluoreszierendes Signal, wenn sie das virale Erbgut erkennen und schneiden. Ein RNA-Führungsstrang bestimmt darüber, auf welche Sequenz die Cas-Enzyme reagieren.

Das entwickelte Gerät beinhaltet mehrere Probenkammern mit jeweils unterschiedlichen Führungssträngen. Die Cas-Enzyme binden in einem der Probengefäße an eine Sequenz, die allen Varianten von SARS-CoV-2 gemeinsam ist. In den anderen Probengefäßen reagieren sie auf spezifische Sequenzen der Virusmutationen und können somit nachweisen, ob eine Variante vorliegt.

Die Anwendung

Damit die Anwendung für den Benutzer möglichst einfach ist, entschieden sich die Forscher für Speichelproben als Ausgangsmaterial. Neben dem Virusmaterial enthält der Speichel sogenannte Speichelnukleasen, die auch ohne eine Infektion falsch positive Testergebnisse hervorrufen können. Deswegen bauten die Forscher einen Vorbereitungsschritt ein: Sobald der Nutzer die Speichelprobe in das Gerät einsetzt, wird sie für drei Minuten auf 95 Grad Celsius erhitzt und mit zwei Chemikalien versetzt, die die Speichelnukleasen deaktivieren. Anschließend wird der Speichel durch eine Membran geleitet, die die virale RNA extrahiert.

Danach muss die Probe in die Hauptkammer des Geräts gesetzt werden. Dort befinden sich die gefriergetrockneten Crispr/Cas-Komponenten. Mit einem Kolben drückt der Nutzer sie in das Gerät hinein und durchsticht dabei zugleich versiegelte Wasserpakete, die die Reaktion in Gang setzen. Nach 55 Minuten kann das Ergebnis durch ein Sichtfenster abgelesen werden. Fluoreszenz bedeutet, dass der Test positiv ist. Puigs Kollege Xiao Tan beschreibt das Gerät:

„Unser Ziel war es, ein völlig eigenständiges Diagnostikum zu entwickeln, das keine weiteren Geräte benötigt. Im Grunde spuckt der Patient in dieses Gerät, drückt einen Kolben herunter und erhält eine Stunde später eine Antwort.“

Mit ihrem Gerät „minimally instrumented SHERLOCK“ (miSHERLOCK) konnten bereits Speichelproben von 27 COVID-19-Patienten und 21 gesunden Kontrollpersonen getestet werden.

Das Ergebnis: miSHERLOCK erkannte 96 Prozent der Infizierten als infiziert und 95 Prozent der Gesunden als gesund.

Die Herstellung des Geräts kostet rund 15 Dollar pro Stück. Durch Massenfertigung lasse sich der Preis des Gehäuses auf etwa drei Dollar senken, so die Autoren. Die enzymatischen Komponenten kosten ebenfalls nur wenige Dollar und würden durch Massenproduktion preiswerter werden.

Die Verfügbarkeit

Aus Sicht der Autoren kann mit miSHERLOCK Ungleichheiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung ausgeglichen werden. Zum einen durch die kostengünstige Herstellung, zum anderen, da sich fast alle Teile mit Hilfe eines 3D-Druckers herstellen lassen. Somit wäre es auch in ressourcenarmen Gebieten leicht verfügbar. Puigs Kollegin Rose Lee sagt:

„Die Motivation unseres Teams für dieses Projekt war es, Engpässe zu beseitigen und eine genaue Diagnostik für COVID-19 bereitzustellen, ohne auf globale Lieferketten angewiesen zu sein, und auch die Varianten, die gerade auftauchen, genau zu erkennen.“

Die Forscher suchen aktuell nach Industriepartnern, die miSHERLOCK in großem Maßstab produzieren und warten auf eine Zulassung des Diagnostikums durch die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA.

Quelle: Wissenschaft.de

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