Eine Frau schaut geschockt oder traurig und hält sich den Mund zu.© g-stockstudio / iStock / Getty Images Plus
Die Therapie von Krebs schädigt die Mundschleimhaut oft schmerzhaft. Ärzt*innen verordnen dann gerne Individualrezepturen.

Rezeptur – Mischen possible

WUND IM MUND – MUNDSPÜLLÖSUNGEN FÜR CHEMOPATIENTEN IN DER REZEPTUR

Neben dem Beratungsgespräch im Handverkauf gehört die Rezeptur für PTA zum wichtigsten pharmazeutischen Handwerkszeug. Lea Brachwitz leitet das Rezeptur-Team der Engel Apotheke in Darmstadt. In unserer Serie „Rezeptur – Mischen possible“ gibt sie Tipps, wie Sie mit schwierigen Rezepturen umgehen können.

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Jeder kennt den Spruch „Man redet sich Fransen an den Mund“. Damit meinen wir eigentlich, dass unser Gegenüber unsere Anweisungen entweder ignoriert oder nicht versteht, auch nach wiederholtem Male nicht.

Doch was ist, wenn es Realität wird? Mundschleimhaut ausfranst, verletzt ist, Blasen wirft? Der bloße Gedanke daran treibt mir die Tränen in die Augen, denn er erinnert mich an eine äußerst schmerzhafte Aphthe, die mich über mehrere Tage quälte.

Große Auswahl im Handverkauf

Im Handverkauf haben wir häufiger mit Kunden zu tun, die über Wunden und Verletzungen im Mundraum klagen. Zum Glück können wir aus dem Vollen schöpfen; wir haben die  Wahl zwischen Mundspüllösungen, Tinkturen, Pinselungen und diversen Salben. Doch manchmal reichen die freiverkäuflichen Präparate nicht aus und der Kunde muss den Arzt aufsuchen. Genau so, wenn der wunde Mund die Nebenwirkung einer Behandlung ist.

Wenn die Auswahl nicht reicht

Häufig ist das zu beobachten in der Chemo- und Strahlentherapie. Hier kommt jetzt die Rezeptur ins Spiel, denn oft greifen die behandelnden Ärzte zu individuellen Zusammensetzungen, um möglichst alle Beschwerden mit einer Verordnung zu behandeln.

Heute stelle ich eine Mundspülung vor, die eine wundervolle orange Farbe hat und alles abdeckt: Sie enthält etwas gegen Schmerzen, zur Wundheilung, ein Antimykotikum und etwas gegen Entzündungen. Das hört sich doch vielversprechend an, oder? Nur leider hat sie ihren Haken.

Die Verordnung: individuelle Mundspülung

Hier die Zusammensetzung der verordneten Mundspülung:
● Bepanthen® Lösung 100 Milliliter (ml)
● Ampho-Moronal® Suspension 100 Milligramm pro ml (mg/ml)
● Scandicain® 2 % 10 ml
● Prednisolon 2,5 g
● Wasser, konserviert (DAC/NRF) zu 500 ml

Ich will kurz die Wirkstoffe beleuchten:
Bepanthen® Lösung enthält, wie die Salbe, Dexpanthenol und soll die Wundheilung fördern.
Ampho-Moronal® Suspension enthält Amphotericin B, ein Antimykotikum. Die Suspension kann als Mundspülung benutzt oder auch geschluckt werden, um Infektionen im Magen-Darm-Trakt vorzubeugen.
Scandicain® 2 % ist eine Injektionslösung, enthält Mepivacain und wird zur lokalen Betäubung. Hier reduziert sie die Schmerzempfindlichkeit der Mundschleimhaut.
Prednisolon ist ein Corticoid und lindert Entzündungen. Wir verwenden es häufig in der Rezeptur.

Und beim Prednisolon ist auch der Haken dieser Rezeptur. Denn Prednisolon ist sehr schlecht wasserlöslich. Da wir hier nur wässrige Lösungsmittel haben, bleibt es ungelöst und bildet einen leicht aufschüttelbaren Bodensatz. Aus diesem Grund ist die Zubereitung eher als Mundspülungs-Suspension zu verstehen.

Die Herstellung und was zu beachten ist

Aber fangen wir von vorne an. Wir brauchen ein ausreichend großes Becherglas und einen Glasstab. Beides wird tariert und als erstes das Prednisolon eingewogen, gegebenenfalls müssen wir den Korrekturfaktor beachten. Als nächstes kommen die Lösungen dazu: Bepanthen® Lösung, Scandicain® 2% und ein Teil des konservierten Wassers.

Nun heißt es: kräftig rühren,das Prednisolon möglichst fein in der Lösung suspendieren und Pulvernester vermeiden. Das Ganze gleicht nun einer Schneekugel, nur die schöne Figur fehlt.

Als vorletzter Schritt kommt Farbe in die Lösung: Ampho-Moronal® Suspension wird zugeben. Diese muss vor Gebrauch auch ordentlich geschüttelt werden und färbt die Lösung nun kräftig orange und trübt sie milchig opak. Aus diesem Grund ist es wichtig, das Prednisolon schon vorher möglichst fein in der Lösung zu verteilen; jetzt ist es äußerst schwierig Pulvernester zu suchen und sie zu zerdrücken.

Als letztes wird zu 500ml mit konserviertem Wasser aufgefüllt. Abgabegefäß ist eine passende Braunglasflasche mit kindersicherem Verschluss. Der Vermerk „Vor Gebrauch  schütteln“ muss unbedingt deutlich ersichtlich sein.

Fragen, die bleiben

Die Haltbarkeit haben wir auf drei Monate festgelegt. Da drei Fertigarzneimittel verwendet werden, von denen keines als Rezepturbestandteil gedacht ist, überlegen wir jedoch, die Haltbarkeit auf acht Wochen zu reduzieren.

Aus der Praxis weiß ich, dass die Suspension ihre Daseinsberechtigung hat, denn viele Betroffene berichtet von einer gewissen Erleichterung nach Nutzung der Rezeptur. Vom pharmazeutischen Standpunkt aus ist mir diese Suspension nicht besonders sympathisch. Schließlich ist nicht gesichert, dass sich das Prednisolon ausreichend fein verteilt, selbst wenn der Nutzer ordentlich geschüttelt hat. Des Weiteren ist auch fraglich, ob die Fertigarzneimittel zu sehr verdünnt sind und somit gar nicht ihre volle Wirkung entfalten.

Die Alternative? NRF 7.14

Folgendes würde mich glücklicher machen: Der Arzt verordnet Hydrocortisonacetat-Suspension 0,5 % mit Lidocainhydrochlorid und Dexpanthenol aus dem Neuen Rezeptur Formularium, kurz NRF 7.14, und Ampho-Moronal® Suspension extra.

Wünscht der Arzt Prednisolonacetat als Corticoid statt Hydrocortisonacetat, hält das NRF einen Austausch durchaus für möglich. Geprüft ist dies allerdings nicht, aber denkbar wäre es.

Hydrocortisonacetat-Suspension 0,5 % mit Lidocainhydrochlorid und Dexpanthenol NRF 7.14
100 g enthalten:
● Hydrocortisonacetat 0,5 g
● Lidocainhydrochlorid-Monohydrat 1,0 g
● Dexpanthenol 5,0 g
● Natriummonohydrogenphosphat-Dodecanat q.s.
● Macrogol-40-glycerolhydroxystearat 0,2 g
● Propylenglykol 40,0 g
● Pfefferminzöl 0,15 g
● Gereinigtes Wasser zu 100,0 g

Die Zubereitung erfolgt ebenfalls in einem ausreichend großen und tarierten Becherglas. Als erstes werden das Cortison und das Lidocainhydrochlorid-Monohydrat eingewogen, dann Dexpanthenol, Propylenglykol und Macrogol-40-glycerolhydroxystearat dazugegeben. Jetzt kommt das Ganze auf ein Wasserbad oder eine Heizplatte und wird so lange unter Rühren erwärmt, bis alles gelöst ist. Man kann dazu einen Glasstab verwenden oder einen magnetischen Rührfisch.

Ist alles gelöst werden das Öl und Wasser dazu gegeben und der pH-Wert gegebenenfalls mit dem Natriumsalz korrigiert. In der Regel ist das nicht nötig.

Auch hier liegt eine Suspension vor, aber sie ist feiner verteilt und durch das stabilisierende Propylenglykol bleibt das auch etwas länger so, denn es hindert das Kortison am Sedimentieren. Auch sorgt es dafür, dass die Suspension besser an den Schleimhäuten haftet.

Ein Nachteil dieser Rezeptur ist, dass das Pfefferminzöl unangenehm sein kann, je nachdem, wie beschädigt die Mundschleimhaut ist. Man sieht, selbst das NRF ist nicht immer Lösung aller Probleme.

Aus der Praxis wissen wir leider auch, dass sich Ärzte selten umstimmen lassen, wenn sie etwas verordnet haben, von dem sie die Erfahrung gemacht haben, dass es ihren Patienten Linderung bringt.

Quellen:
https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal-basis-informationen-krebs-nebenwirkungen-der-therapie-mundschleimhautentz%C3%BCndung.html 
https://www.kliinikum.ee/haiglaapteek/pildid/dokumendid/SPCPIL/A01AB04_-_Ampho-Moronal_suspension_100mgml_SOP_2018.pdf 
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/dac/nrf-wissen/rezepturenfinder/apo/einzelansicht/77 

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