Flotte kleiner weißer Papierschiffchen angeführt von einem blauen Boot.© Philip Steury / iStock / Getty Images Plus
Plötzlich Teamleitung: An einem Tag ist man noch Teil des Teams, am nächsten Tag soll man es leiten. Wie gelingt dieser Perspektivwechsel?

Plötzlich Leitung

AUS DEM TEAM ZUR FÜHRUNGSKRAFT

Vielleicht haben Sie es selbst schon erlebt: Gerade hat man noch Aufgaben gemeinsam mit den Kollegen bewältigt und plötzlich ist man Teamleiter und soll den Kollegen sagen, wo es „lang geht“. Das ist gar nicht so einfach, weder für die Kollegen noch für einen selbst.

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So kann es passieren: In einer großen Apotheke, in der die verschiedenen Arbeitsfelder aufgeteilt sind, wird eine Kollegin, die ein Team von acht Kolleginnen leitet, plötzlich sehr krank. Von einem auf den anderen Tag ist sie nicht mehr da. Eine Kollegin aus dem Team muss ihre Nachfolgerin werden, am besten jemand, der sich ein bisschen mit deren Aufgaben auskennt und ähnliche Qualifikationen hat oder das eine oder andere schon mal gemacht hat.

Der Chef wählt also eine neue Kollegin aus, die nun die Teamführung übernimmt. Zeit zur Einarbeitung bleibt nicht, Übergabe geht nicht. Sie muss ins kalte Wasser springen und schwimmen. So ist es mir vor einigen Jahren ergangen.

Was sagen die Kolleginnen zur neuen Teamleitung?

Da war nun plötzlich ein Team, das ich leiten sollte. Ein Team, zu dem ich gerade noch gleichberechtigt dazu gehörte. Ich fragte mich, wie die Kolleginnen wohl auf die Wahl des Chefs reagieren würden. Schließlich war ich auch noch die Jüngste im Team und gerade mal ein Jahr in der Apotheke. Alle anderen waren schon viel länger da.

Könnte eventuell Neid entstehen? Wollte vielleicht eine der anderen den Job übernehmen? Akzeptieren sie die Entscheidung überhaupt? Bin ich jetzt keine mehr von ihnen, können wir noch über alles reden oder verhalten sich die Kolleginnen jetzt distanziert? Und wie gehe ich nun selbst mit den Kolleginnen um?

Ich wollte es auf jeden Fall anders machen als meine Vorgängerin, den Kolleginnen mehr Freiraum und Eigenverantwortung lassen. Wenn ich allerdings zu viel Freiraum und Entscheidungsfreiheit lasse, würden sie mich noch ernstnehmen? Vielleicht entscheiden sie dann einfach alles selbst, ohne mit mir Rücksprache zu halten. Ich war am Anfang, ehrlich gesagt, ein bisschen überfordert.

Das große Einmaleins der Teamführung

Ich beschloss also, mir ein Buch zu kaufen, in dem Teamführung erklärt wird. So viel weiter brachte es mich allerdings nicht. Also versuchte ich einfach erst einmal die alten festgefahrenen Strukturen aufzubrechen, zeitraubende Vorgänge zu modernisieren und effektiver zu gestalten. Da würden die Kolleginnen schon sehen, dass ich das Zeug zur Teamleitung habe. Erst mal diese verstaubten Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht-Vorgänge ändern.

Mit dem Chef mussten außerdem alle neuen Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen definiert werden. Welche Sanktionsmöglichkeiten hätte ich, wenn etwas nicht läuft, oder hat das nur der Chef?

Widerständeaus dem Teamüberwinden

Es gab eine Kollegin, die mir das Leben ziemlich schwer machte. Bei den anderen war ich mir sicher, dass sie mich unterstützen und dass wir an einem Strang ziehen. Doch wie redet man mit einer rebellischen Kollegin? Hat sie ein Problem damit, dass man sie nicht für den Job ausgewählt hat? Ich wollte die richtigen Worte finden. Wenn sie schon eine Abwehrhaltung hat, soll sie nach einem Gespräch nicht auch noch beleidigt sein.

Während ich noch damit beschäftigt war, es allen recht zu machen, damit mich alle mögen und ich alles gut mache, standen auch direkt schon Gespräche mit anderen Teamleitern und der Geschäftsleitung an. Es wurden neue Ziele und Strategien geplant, um die Apotheke voranzubringen. Abläufe sollten jetzt ganz anders organisiert werden, mein Team war nicht besonders begeistert.

Ich fragte mich, wie schafft man es trotzdem, alle zu überzeugen. Ich musste selbst überzeugt sein und ihnen erklären, warum die Neuorganisation gut und wichtig ist. Das ist in solchen Situationen nicht immer einfach, denn schließlich sind das Entscheidungen vom Chef. Ich trage sie lediglich weiter ins Team.

Es geht nur gemeinsam

Welche Informationen kommuniziere ich weiter in mein Team? Müssen immer alle alles wissen oder selektiere ich vorher, was das Team wissen muss, denn nicht immer ist auch alles für alle bestimmt. Schwierige Frage! Ich sammelte auch alle Wünsche aus dem Team, um sie an den Chef weiterzugeben, in der Hoffnung, dass auch einige davon erfüllt werden. Wichtige Entscheidungen wollte ich mit meinem Team abstimmen und zusammen beschließen, denn schließlich müssen alle mitmachen.

Wer mitentschieden hat, kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

Am Anfang versuchte ich, alles möglichst allein zu machen, weil ich dachte, ich kann die anderen nicht damit belasten. Aber das war in der mir zu Verfügung stehenden Zeit überhaupt nicht zu schaffen. Also überlegte ich, welche Aufgaben ich wirklich selbst übernehmen muss und was ich ans Team delegieren kann.

Das funktionierte nicht so gut wie gedacht, einige Kolleginnen erfüllten die Aufgaben, die ich ihnen übergab, sehr gut, andere ließen alles liegen. Und wenn ich fragte, woran das lag, sagten sie, sie hätten keine Zeit, es sei zu viel los. Ich wusste aber, dass das nicht stimmt. Also musste ich meine Kommunikation verbessern. Eine Kollegin sah mich immer noch als das „Küken“ an, aber auch sie sollte mich ernst nehmen.

Neue Strategie: Teamführung erlernen

Kurzerhand schlug mir der Chef ein dreitägiges Teamführungsseminar vor. Ich war die einzige aus einer Apotheke. Die restlichen Teamleiter kamen aus großen Wirtschaftsunternehmen, die ganz andere Abläufe und Strukturen haben als wir in einer Apotheke, eine völlig andere Welt also. Ich konnte trotzdem etwas lernen und verstand, worauf es wirklich ankommt, was mich blockiert und wer mich antreibt.

Am zweiten Tag bekamen wir die Aufgabe, die Charaktere der Kolleginnen zu analysieren und zu überlegen, warum jeder einzelne so reagiert oder tickt, wie er es tut. Und plötzlich verstand ich meine rebellische Kollegin. Sie war unzufrieden, denn sie fühlte sich weniger wert als die anderen. Ich änderte also meine Strategie ihr gegenüber, sprach direkt nach dem Seminar mit ihr und es zeigte sich, dass sie gerne ein paar neue Aufgaben übernehmen würde, mit mehr Eigenverantwortung.

Ich versuchte herauszufinden, was ihr Freude bereitet und welche Wünsche sie hat. Sie selbst konnte es gar nicht richtig sagen. In Abstimmung mit dem Chef machte ich ihr Angebote für zusätzliche Aufgaben und Fortbildungen, um so ihr Selbstwertgefühl zu steigern. Und tatsächlich: Nach kurzer Zeit war sie zugänglicher und fing nun doch an, mit uns anderen an einem Strang zu ziehen.

Dazu musste ich lernen, dass ich es nie allen recht machen kann, egal wie sehr ich mich bemühe. Auch wenn ich es mir wirklich wünsche, man kann nicht von jedem gemocht werden. Das habe ich auch mit in mein weiteres Leben getragen, in neue Herausforderungen in anderen Apotheken.

Aller Anfang ist schwer

Es braucht eine Weile, bis man in seiner neuen Rolle ankommt, da fließt auch mal die eine oder andere Träne. Doch mit Vertrauen in die Kolleginnen und etwas Einfühlungsvermögen kann man trotzdem noch ein Teil des Teams sein und muss nicht im Abseits stehen.

Klar, man steht immer zwischen Team und Chef, dem man Ergebnisse liefern muss. Und auch klar, es gibt immer mal Rückschläge. Wenn Sie selbst in so eine Situation kommen, dann lassen Sie sich nicht entmutigen. Es kommen auch immer wieder schöne Momente, zum Beispiel, wenn Sie gemeinsam mit Ihrem Team ein Ziel erreicht haben oder für Ihr Team etwas beim Chef durchgesetzt haben.

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