Nase und Kinn einer Maske. Der obere Teil des Kopfes löst sich vor einer Galaxie auf.© agsandrew/iStock/Getty Images Plus
Belastendes vergessen und sich in der Party auflösen durch ein zugelassenes Medikament – klingt harmloser, als es ist.

Narkosemittel

KETAMIN: UNTERSCHÄTZTE DROGE MIT SCHWEREN NEBENWIRKUNGEN

Ketamin wird zunehmend als Droge konsumiert, dabei allerdings verharmlost – auch wegen prominenter Nutzer wie Elon Musk. Doch die Wirkung ist alles andere als harmlos: Die Droge birgt hohe Risiken für Körper und Psyche.

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Ketamin – einst als Narkosemittel entwickelt, inzwischen als Droge auf Partys im Umlauf. „Friends“-Star Matthew Perry lieĂź sich vor seinem Tod immer wieder Ketamininjizieren, und um den Drogen-Konsum von Tech-Milliardär Elon Musk wurde zuletzt wieder angeregt diskutiert.

Die schon seit Jahrzehnten verfĂĽgbare Substanz hat in den vergangenen Jahren nicht nur in Promi-Kreisen, sondern auch in der Clubszene extrem an Beliebtheit gewonnen. Einer Studie in Berlin zufolge war sie schon vor
sechs Jahren die am vierthäufigsten genutzte Droge in Clubs, wie Felix Betzler von der Charité in Berlin sagt. „Seither hat Ketamin noch mal an Popularität gewonnen.“

Wirkung von Ketamin:Euphorie und Dissoziation

Warum ist Ketamin als Droge so beliebt? Zu den Faktoren zählten leichte VerfĂĽgbarkeit, ein vergleichsweise niedriger Preis und die erzielte Wirkung, erklärt Betzler, der Facharzt fĂĽr Psychiatrie und Psychotherapie ist. Verstärkend wirkt, dass Ketaminin der Popkultur thematisiert wird – etwa im Song „Special K“ von Placebo, „Space Kitten“ von The Polish Ambassador oder „Get Ready for the K-Hole!“ von Kissy Sell Out.

Hinzu kommt der Promi-Faktor. Musk erklärte, die Droge Ketamin helfe dabei, aus dunklen psychischen Löchern herauszukommen. In einem Interview erzählte er 2024, dass er etwa alle zwei Wochen eine kleine Menge der Droge nehme. Auf einen kritischen Medienbericht hin erklärte er dann kĂĽrzlich, die Substanz seither nicht weiter genutzt zu haben.

Tatsächlich wird Ketaminin klinischen Studien auf seine Wirkung bei Depressionen geprĂĽft. Esketamin als Nasenspray, das S-Enantiomer des Ketamins, ist als Notfallmedikament bei therapieresistenter Depression in den USA und der EU zugelassen. Die medizinische Anerkennung trägt zur Wahrnehmung als harmlos bei – doch die Risiken bleiben bestehen.

Woher kommt Ketamin?
Der Wirkstoff wird synthetisch hergestellt – erstmals 1962 in den USA bei der Suche nach einem neuen Narkosemittel. Im Vietnamkrieg wurde Ketamin an amerikanischen Soldaten erprobt und etablierte sich danach in der Human- und Tiermedizin. Wegen der Nebenwirkungen – Halluzinationen und Nahtoderfahrungen – kommt es heutzutage kaum noch als Narkosemittel zum Einsatz. Rettungskräfte verwenden es aber als Schmerzmittel.
Als Rauschdroge wird Ketamin ebenfalls schon seit Jahrzehnten genutzt. Die auch „Special K“ oder „K“ genannte Substanz wird meist als weißes Pulver geschnupft. Die Wirkung hält dann ein bis zwei Stunden an.

Ketamin als Droge

Als Droge auf Partys wird Ketamin gerade wegen seiner euphorisierenden und dissoziativen Wirkungen genutzt, die bei Narkosemitteln als Nebenwirkung unerwünscht sind. Die Wahrnehmung der Umgebung – etwa von Farben und Geräuschen – wird bei steigender Dosis massiv verändert, erklärt Ingo Schäfer von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Typisch ist zudem ein Gefühl der Loslösung vom eigenen Körper oder einer Auflösung des Ichs, in starker Ausprägung K-Hole genannt. Auf Betrachter wirke der Zustand häufig wie Bewusstlosigkeit.

Gefahr der Sucht nach Ketamin

Vielfach unterschätzen die Konsumenten die Gefahr einer Ketamin-Sucht. Experten sehen den Grund in der etablierten medizinischen Nutzung. In einer britischen Studie gab ein groĂźer Teil der Konsumenten mit einer sogenannten Ketamin-Konsumstörung an, sich der Suchtgefahr durch die Droge erst bewusst geworden zu sein, als ihr Ketamin-Konsum bereits auĂźer Kontrolle geraten war. Viele erklärten, dass die zunehmende Erprobung als therapeutisches Mittel womöglich das Missbrauchspotenzial verschleiert habe, wie es im Fachjournal „Addiction“ heiĂźt. Das bei weitem häufigste Konsummuster ist, Ketamin gelegentlich in der Freizeit oder bei Partys zu nehmen, sagt Schäfer, Direktor des Zentrums fĂĽr Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg.

Anders als etwa bei Heroin oder Fentanyl entsteht durch die Droge Ketamin keine körperliche Abhängigkeit. Psychisch allerdings kann das Verlangen immens sein, immer wieder zu konsumieren. So entsteht schleichend eine Ketamin-Sucht.

„Oft geht es darum, belastenden Gefühlen zu entkommen.“

Gerade weil die Substanz auch im Rahmen begleiteter Therapien verwendet werde, nutzten sie viele Menschen als Selbstmedikation bei psychischen Problemen, sagt auch Betzler. „Das schleicht sich immer mehr in den Alltag ein, weil es zum Beispiel Ängste nimmt. Häufig entsteht so eine Abhängigkeit.“
Schäfer rät Menschen, die Ketamin therapeutisch testen möchten, sich unbedingt in eine Sprechstunde zu begeben und nicht selbst herumzuprobieren.

„Selber zu experimentieren ist bei Psychedelika nie eine gute Idee.“

Nebenwirkungen von Ketamin

Eine Ketamin-Sucht ist mit einem hohen MaĂź an körperlichen Gesundheitsproblemen und psychischen Folgen verbunden. In einer Studie mit 274 Konsumenten traten bei 60 Prozent Blasen- oder Nasenprobleme auf, ähnlich viele berichteten ĂĽber Bauchkrämpfe – die die Betroffenen häufig dazu veranlassten, erneut zur Droge zu greifen, um die Schmerzen zu lindern.
Typisch fĂĽr anhaltenden Ketamin-Missbrauch ist als Nebenwirkung die Ketamin-Blase: Die Substanz zerstört die Blasenwand, was zu Inkontinenz fĂĽhren und im Extremfall eine Entfernung der Blase erforderlich machen kann.

Eine Ketamin-Blase kann schon nach wenigen Wochen starken Konsums entstehen. Längerfristig drohten zudem erhebliche kognitive Beeinträchtigungen wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Vor allem bei Menschen mit entsprechender Veranlagung können zudem depressive Symptome verstärkt oder Psychosen ausgelöst werden.

„Ketamin ist keine harmlose Droge“

Im Rauschzustand könne die Droge zu impulsiverem Verhalten fĂĽhren. Urteilsvermögen und Selbstkontrolle werden durch Ketamin vermindert, die Risikobereitschaft erhöht – mit aggressiven Auseinandersetzungen oder Unfällen als mögliche Folgen. Gerade bei Mischkonsum mit anderen Drogen sind ĂĽber den Einfluss auf das Atemzentrum lebensbedrohliche Zustände wie Atemstillstand oder Bewusstlosigkeit möglich.

Zur akuten Gefahr kann auch die zeitweise durch das Ketamin stark eingeschränkte Bewegungsfähigkeit werden. Schäfer erklärt:

„Man kann bis zu sechs Stunden lang weitgehend bewegungsunfähig sein“

Badewanne und Ketamin-Konsum seien deshalb keine gute Kombi: Der aus der Serie Friends bekannte US-Schauspieler Matthew Perry hatte bei seinem einsamen Tod im Whirlpool im Oktober 2023 eine hohe Ketamin-Konzentration im Blut.

„Ketamin ist keine harmlose Droge“, betont Schäfer. „Auch Langzeitkonsum allein zum Freizeitvergnügen ist schon hochriskant.“ Das gelte noch einmal stärker für junge Menschen, bei denen die Hirnreifung noch nicht abgeschlossen sei.

Mehr Aufklärung ist nötig – auch, weil die Zahl junger Konsumenten wohl zunimmt: Nach seinem Eindruck verjünge sich der Nutzerkreis seit einiger Zeit, sagt Betzler. Früher sei Ketamin vorwiegend ab etwa Mitte 20 konsumiert worden – heute sei das vermutlich oft weitaus früher der Fall. Belastbare aktuelle Zahlen dazu gibt es bisher nicht.

Quelle: dpa

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