Drogenküche© Darwin Brandis / iStock / Getty Images Plus
Die Substanz Alpha-Methylphenethylamin birgt sowohl therapeutisches als auch gefährliches Potential.

Suchtpotenzial

DER SIEGESZUG VON AMPHETAMIN

Wenn Noradrenalin und Dopamin den Körper fluten, braucht dieser weder Schlaf noch Nahrung. Der so aktivierte Sympathikus, der den Körper vor Feinden schützen soll, wird selbst zur potenziellen Gefahr.

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Amphetamin als Bezeichnung der Substanz Alpha-Methylphenethylamin hat es auf Platz sieben der laut Nutt-Skala 20 gefährlichsten Drogen weltweit geschafft. Sein strukturell nächster Verwandter Methamphetamin hat es sogar noch drei Plätze höher geschafft und soll hier daher nur für ein besseres Verständnis für den großen Zusammenhang kurz erwähnt werden.

Wie bei kaum einer anderen Substanz liegen immense therapeutische Durchbrüche und extremes Gefahrenpotential so nah beieinander. Patienten wird mit dieser Substanz und seinen Verwandten wie Methylphenidat eine erhöhte Lebensqualität ermöglicht. Gleichzeitig leiden ganze Landstriche unter dem Einfluss des immensen Abhängigkeitspotenzials dieser Wirkstoffklasse. Doch wie konnte es dazu kommen?

Geschichte und heutiges Konsumverhalten

Viele wichtige Fortschritte in der Pharmazie gab es rund um die Jahrhundertwende 1900. So wurde auch das Amphetamin erstmalig in dieser Zeit synthetisiert. Ebenfalls um die Jahrhundertwende wurde Adrenalin erstmals beschrieben. Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckten Wissenschaftler schließlich die strukturelle Ähnlichkeit zwischen dem körpereigenen Botenstoffen Adrenalin und dem synthetischen Amphetamin. Somit war der Grundstein für die medizinische Verwendung gelegt und die Einsatzmöglichkeiten schienen endlos.

Nach wenigen Jahren kamen die ersten Inhalatoren mit Substanzen auf den Markt, die vom Amphetamin abgeleitet wurden. Dieses war ein Durchbruch in der Behandlung von akuten Asthmaanfällen. Kurz darauf wurden die ersten verhaltensauffälligen Kinder mit Methylphenidat erfolgreich behandelt.

Der Siegeszug von Amphetamin war kaum zu bremsen.

Neue Indikationen wie unter anderem Adipositas, Depressionen und Erkältungen erweiterten die Einsatzmöglichkeiten. Im Zweiten Weltkrieg wurden Soldaten mit Amphetaminen gedopt, um ihre Stimmung und somit die Siegeschancen zu verbessern. Gleichzeitig machte sich allerdings eine starke Nebenwirkung immer mehr bemerkbar. Patienten benötigten plötzlich immer mehr. Das Abhängigkeitspotenzial war bislang unterschätzt worden. In Deutschland wurde das Problem 1941 erkannt und die Substanz dem Reichsopiumgesetz unterstellt. Der Höhepunkt der Abhängigkeit wurde Mitte des 20. Jahrhunderts erreicht.

Auch im Sport wurden die vermeintlichen Vorteile erkannt und genutzt, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu ergattern. Erst seit 1972 sind Amphetamine offiziell bei den Olympischen Spielen verboten. Trotzdem versuchen Sportler weiter die Kontrollpunkte mit mehr oder weniger Erfolg auszutricksen. In der Partyszene sind Amphetamine nach wie vor beliebt.

Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung haben bei den 18- bis 25-Jährigen circa zwei Prozent mehr oder weniger regelmäßig illegalen Kontakt mit Amphetaminen. Diese Zahl ist seit über zehn Jahren stabil. Der Großteil des illegal produzierten Amphetamins kommt aus Laboren in den Niederlanden mit unterschiedlicher Qualität. Die Herstellung ist im Vergleich zu anderen Substanzen mit Abhängigkeitspotenzial relativ einfach. Ein chemisches Grundverständnis und geeignete Ausrüstung müssen allerdings vorhanden sein. Falls nicht, können Unreinheiten zur unbekannten Gefahr für die Gesundheit der Konsumenten werden und die grundsätzlich gefährliche Palette an Nebenwirkungen erweitern.

Pharmakologie

Auch wenn Amphetamine eine auf den ersten Blick strukturelle Ähnlichkeit mit Noradrenalin besitzen, sind sie selbst nicht in der Lage, die entsprechenden Adrenozeptoren zu aktivieren. Sie fallen in die Gruppe der indirekten Sympathomimetika. Sie erhöhen die Ausschüttung von Noradrenalin und Dopamin in den synaptischen Spalt mit dem entsprechenden aktivierenden Potenzial an der Postsynapse. Die hohe, nicht physiologische Konzentration an Dopamin im synaptischen Spalt wird für das hohe Abhängigkeitspotenzial verantwortlich gemacht.

Die erhöhte Freisetzung von Noradrenalin erhöht den Sympathikustonus und ermöglicht dem Konsumenten längere Zeit ohne Schlaf und Hungergefühl auszukommen. Amphetamin unter seinen Spitznamen Pep oder Speed wird in der Regel als Tablette eingenommen oder als Pulver geschnupft. Häufig werden Amphetamine mit Ephedrin oder Koffein gestreckt.

Einige Eckdaten zu Amphetamin: 

Spitznamen:
Speed, Pep, Amph 
Chemische Substanz: α-Methylphenetylamin 
Ausgangsstoffe: Phenylessigsäure und Ephedrin 
Gewünschte Wirkung: Euphorie 
Anwendungsart: oral, intravenös oder intranasal 
Medizinischer Einsatz: ADHS und Narkolepsie (Weck-Amine)
Erkennungsmerkmale: extreme Unruhe, trockener Mund 
Nachweis: über den Urin bis zu 32 Stunden 
Rechtlicher Status: Betäubungsmittelgesetz Anlage III

Verlangen nach mehr

Die Toleranzentwicklung bei missbräuchlich angewendeten Amphetaminen ist sehr hoch. Die Speichervesikel der Nervenzellen sind erschöpft. Somit kann für einen bestimmten Zeitraum kein Dopamin beziehungsweise Noradrenalin mehr ausgeschüttet werden und die Euphorie bleibt aus.

Dieses Phänomen wird als Tachyphylaxie bezeichnet und kommt bei allen Substanzen vor, die darauf abzielen, eine nicht physiologische Menge an Neurotransmittern auszuschütten, ohne dass ein physiologischer Nervenreiz vorliegt.

Soll der ganze Effekt verstärkt werden, kommt es leider teilweise dazu, dass die Konsumenten auf Methamphetamin umsteigen. Da es in der Lage ist, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren, wird die Wirkung verlängert und intensiviert. Mehr Informationen zu Methamphetamin und den generell gefährlichen Nebenwirkungen der Amphetamine gibt es im weiterführenden Artikel nächsten Monat.

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