Ständig nachts auf die Toilette
NÄCHTLICHER HARNDRANG: WIE OFT IST NOCH NORMAL?
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Raus aus dem Bett, rauf aufs Klo: eine nächtliche Routine, die viele kennen. Ach, durchschlafen wäre so schön! Wer ständig mitten in der Nacht mit drückender, aktiver Blase nachts zur Toilette schleicht, ist frustriert. Bei so manchem bleibt es nicht bei einem einzigen Toilettengang in der Nacht – es werden zwei, drei, vier, fünf.
Der Leidensdruck bei Betroffenen ist oft groß – schließlich verwehrt die nachts aktive Blaseihnen eine erholsame Nachtruhe. Nykturie lautet der medizinische Fachbegriff für nächtlichen Harndrang. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.
5 Ursachen für häufiges Wasserlassen in der Nacht
Der nächtliche Ausflug ins Badezimmer hat manchmal gar nicht mit einer drückenden Blase zu tun. „Manchmal ist die Schlafqualität schlecht und man steht dann wie zum Zeitvertreib auf und geht zur Toilette“, erklärt die Urologin Professor Daniela Schultz-Lampel.
In vielen anderen Fällen ist ein Druck auf die Blase tatsächlich da. Die möglichen Ursachen für häufiges Wasserlassen in der Nacht sind vielfältig:
Ursache 1: Herzerkrankungen
Nächtlicher Harndrang kann auf Probleme im Bereich des Herzens zurückzuführen sein, wie der Urologe Zhenghua Guan vom Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) St. Elisabeth in Bad Kissingen sagt. Etwa auf eine Herzschwäche.
Weil das Herz nicht stark genug pumpt, sammelt sich tagsüber Wasser in den Beinen an. Nachts, im Liegen, wird die Flüssigkeit wieder ins Blutgefäßsystem aufgenommen, von den Nieren gefiltert – und macht sich als Urin in der Blase bemerkbar.
Unruhige Nächte?
Ursache 2: Medikamente
„Möglich ist aber auch, dass ein zu spät am Tag eingenommenes Herzmedikament zu nächtlichem Harndrang führt“, so Daniela Schultz-Lampel, Direktorin des Kontinenzzentrums Südwest am Klinikum Schwarzwald-Baar in Villingen-Schwenningen. Dabei geht es vor allem um Diuretika, die entwässernd wirken.
Zudem können ACE-Hemmer und AT1-Blocker dafür sorgen, dass man nachts auf Toilette muss.
Ursache 3: Organe drücken auf die Blase
Eine weitere mögliche Ursache: Wenn die Blase eine zu geringe Kapazität hat, spürt man schneller Druck – auch nachts. „Bei Männern kann nächtlicher Harndrang auf eine vergrößerte Prostata hindeuten“, sagt Zhenghua Guan.
Sie drückt auf die Blase, wodurch schneller der Eindruck entsteht, dass sie aktiv oder voll ist. Bei Frauen kann eine Senkung der Gebärmutter oder des Beckenbodens zu so einer überaktiven Blase und häufigem Wasserlassen in der Nacht führen.
Ursache 4: Psyche
Stress im Alltag, Angst, Aufregung etwa vor einer Prüfung oder unverarbeitete Erlebnisse – auch psychische Belastungen wie diese können zu einer überaktiven Blase führen, die sich in der Nacht durch häufiges Wasserlassen bemerkbar macht.
Ursache 5:Polyurie
Eine übermäßige Urinproduktion – etwa durch unentdeckten Diabetes – ist ebenfalls eine mögliche Ursache für nächtlichen Harndrang.
Einfluss von Trinkverhalten auf nächtlichen Harndrang
Wer tagsüber wenig trinkt und abends zwei Liter Wasser nachholt, muss sich nicht wundern, wenn er nachts auf Toilette muss. Ein Miktionstagebuch kann helfen, ungünstige Trinkmuster aufzudecken.
Um das eigene Trinkverhalten zu analysieren, kann ein sogenanntes Miktionstagebuch helfen (von „mictio“ als lateinischem Begriff für Wasserlassen). Darin notieren Betroffene mindestens zwei Tage lang ihre Trinkmenge, die Häufigkeit ihrer Toilettengänge und auch deren Uhrzeit – um zu zeigen, ob die Blase nachts aktiv wird.
Anhand dieser Notizen lassen sich schnell Auffälligkeiten erkennen – und kleine Veränderungen anstoßen. So rät Urologe Guan:
„Man sollte etwa zwei bis drei Stunden vor dem Schlafengehen wenig oder nichts trinken.“
Wann zum Arzt bei nächtlichem Harndrang?
Bis zu zweimal nachts auf Toilette zu müssen, ist noch im Normbereich, wie Daniela Schultz-Lampel sagt. Wer regelmäßig öfter aufsteht, sollte die Ursache medizinisch abklären lassen. Erste Anlaufstelle bei nächtlichem Harndrang ist die Hausarztpraxis.
Gut vorbereitet ist, wer zuvor ein Miktionstagebuch geführt hat.
Was können Betroffene selbst tun gegen eine in der Nacht aktive Blase?
Die Trinkmenge gut über den Tag zu verteilen, ist ein guter Anfang, wenn die Blase nachts aktiv ist. „Manche Tees und Softdrinks können harntreibend sein, daher auf solche Getränke abends eher verzichten“, sagt Schultz-Lampel. Dazu zählen zum Beispiel Pfefferminz- oder Brennnesseltee sowie Cola aufgrund des darin enthaltenen Koffeins. Auch Bier kann harntreibend wirken.
Was man noch tun kann, hängt von der Ursache für den nächtlichen Harndrang ab. Wer entwässernde Medikamente einnimmt, sollte mit Arzt oder Ärztin besprechen, ob ein für abends verordnetes Präparat früher am Tag eingenommen werden kann.
Und: „Bei Frauen mit einer überaktiven Blase kann ein spezielles Beckenboden-Training helfen“, so Urologe Guan. Dabei lernen Betroffene unter Anleitung, Abstände zwischen den Toilettengängen durch Anspannen des Beckenbodens zu verlängern.
Sollte man den Harndrang ignorieren?
Lieber nicht. „Das ist ungesund, da der Blasenmuskel dadurch mit der Zeit seine Dehnbarkeit verliert“, warnt Zhenghua Guan. Die Folge: Die Blase kann sich nicht mehr zusammenziehen und ganz entleeren – das kann schmerzhafte Folgen haben.
Therapie von nächtlichem Harndrang
„Bei einer überaktiven Blase oder einer vergrößerten Prostata können Medikamente helfen“, so Zhenghua Guan. Auch eine Botox-Gabe kann im Fall einer überaktiven Blase wirkungsvoll sein. Dabei injiziert der Arzt oder die Ärztin Botox in die Blasenwand, wodurch sich die Muskulatur dort entspannt. Die Wirkung hält über mehrere Monate – dann muss die Injektion wiederholt werden.
Produziert der Körper nachts zu viel Urin, kann man vor dem Schlafengehen Desmopressin einnehmen – das Hormon, das die nächtliche Urinproduktion reguliert. So wird die Urinproduktion reduziert. „Dies bedarf aber einer regelmäßigen Kontrolle der Blutwerte und sollte bei alten und herzkranken Menschen nicht gegeben werden“, so Daniela Schultz-Lampel.
Arzneimittel bei nächtlichem Harndrang
Anticholinergika bei überaktiver Blase:
- Oxybutynin
- Propiverin
- Tolterodin
- Trospiumchlorid
- Solifenacin
- Darifenacin
Beta-3-Agonisten bei überaktiver Blase:
- Vibegron (seit 2024)
- Mirabegron
Vasopressin-Analoga bei Polyurie:
- Desmopressin
Alpha-Blocker bei gutartiger Prostatavergrößerung:
- Alfuzosin
- Tamsulosin
5-Alpha-Reduktasehemmer bei gutartiger Prostatavergrößerung:
- Finasterid
- Dutasterid
PDE5-Hemmer bei gutartiger Prostatavergrößerung:
- Tadalafil
Phytotherapeutika bei gutartiger Prostatavergrößerung:
- Sägezahnpalmenfrüchte
- Brennesselwurzel
- Kürbissamen