Eine Frau in legerer Kleidung steht hinter einem Verkaufstresen. Auf dem Tresen stehen drei große Vorratsgläser voller Cannabisblüten. Im Tresen eingelassen sind Schaukästen, darin befinden sich kleinere Verpackungen mit Cannabis.© Zummolo / iStock / Getty Images Plus
Wenn Cannabis zum Freizeitgebrauch legalisiert wird, soll es in lizenzierten Fachgeschäften und Apotheken erhältlich sein - das wird aber wohl noch dauern.

Cannabis

WORAN ES BEI DER LEGALISIERUNG NOCH HAPERT UND ERSTE ECKPUNKTE FÜR EINEN GESETZESENTWURF

Gras zum Freizeitgebrauch, als Genussmittel, legal in speziellen Läden kaufen wie in einigen Bundesstaaten in den USA? In Deutschland wird das voraussichtlich so schnell nicht gehen. Die geplante Legalisierung könnte in kleinen Schritten kommen. Einen Entwurf für konkrete Regeln gibt es bereits.

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Die geplante Cannabis-Legalisierung in Deutschland kommt möglicherweise schrittweise und könnte weniger umfassend ausfallen als im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung vereinbart. Medienberichten zufolge gibt es zumindest in der SPD und im SPD-geführten Bundesgesundheitsministerium Überlegungen, das Vorhaben wegen rechtlicher Bedenken zunächst zurückhaltender zu gestalten.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach kündigte Ende März auf Nachfrage neue Vorschläge für die geplante Legalisierung an, ohne allerdings Einzelheiten zu nennen. Man sei bei dem Gesetz auf einem guten Weg und werde überarbeitete Vorschläge „in Kürze“ vorstellen, sagte er in Berlin.

Cannabis-Legalisierung komplexer als gedacht

Vor einigen Wochen hatte Lauterbach bereits gesagt, dass die ursprünglichen Vorschläge zur Legalisierung (Eckpunkte), die er im Herbst vorgelegt hatte, „mittlerweile etwas verändert“ worden seien. Einen konkreten Gesetzentwurf für das Vorhaben hatte der Minister eigentlich bis Ende März angepeilt. Am Freitag hieß es dazu aus dem Bundesgesundheitsministerium, es könne kein Termin genannt werden. Es handele sich um ein hochkomplexes Verfahren.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein.“ In seinen Eckpunkten hatte Lauterbach vorgeschlagen, die Droge und den Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel einzustufen. Erwerb und Besitz von bis zu 30 Gramm „Genusscannabis“ sollen straffrei, privater Eigenanbau in begrenztem Umfang erlaubt und ein Verkauf an Erwachsene in lizenzierten Fachgeschäften und möglicherweise auch Apotheken ermöglicht werden.

Internationales Recht: Betäubungsmittel im Schengen-Raum

Von Anfang an wurde aber befürchtet, dass das Vorhaben an internationalem Recht scheitern könnte oder zumindest davon ausgebremst wird. So haben sich die Staaten des Schengen-Raums beispielsweise im „Schengener Durchführungsübereinkommen“ dazu verpflichtet, „die unerlaubte Ausfuhr von Betäubungsmitteln aller Art einschließlich Cannabis-Produkten sowie den Verkauf, die Verschaffung und die Abgabe dieser Mittel mit verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Mitteln zu unterbinden“.

Lauterbach hatte Mitte März zwar gesagt, er habe von der EU-Kommission sehr gute Rückmeldungen zu dem Vorhaben bekommen. Die SPD-Spitze geht einem „Spiegel“-Bericht zufolge nun aber davon aus, dass eine umfassende Legalisierung „aus europarechtlichen Gründen offensichtlich kurzfristig nicht umsetzbar“ ist. Der Spiegel beruft sich auf einen Beschluss des Parteivorstands. Darin heißt es dem Bericht zufolge weiter: Man unterstütze daher Lauterbach und die Bundesregierung „bei praktikablen Schritten hin zur Legalisierung“. Genannt werden etwa Modellprojekte.

Zunächst Modellregionen

Nach Informationen von „Zeit Online“ sehen Lauterbachs überarbeitete Vorschläge für das Gesetz vor, den Verkauf von Cannabis zunächst befristet auf vier Jahre in einigen Modellregionen in speziell festgelegten Läden zu erproben und dies wissenschaftlich zu begleiten. Bei entsprechendem Erfolg ließe sich diese regionale Legalisierung von Cannabis dann in der kommenden Wahlperiode auf ganz Deutschland ausweiten und verstetigen, heißt es in dem Bericht.

Daneben könnten der Eigenanbau und die Gründung sogenannter Cannabisclubs erlaubt werden – Vereine, in denen sich Menschen zusammentun, um Cannabis anzubauen. Dafür spricht sich laut Spiegel auch die SPD-Spitze aus.

Konsum nicht ausweiten, sondern kontrollieren

Lauterbach, der ursprünglich selbst gegen eine Cannabis-Legalisierung war, diese nun als zuständiger Minister in der Ampel aber umsetzen muss, äußerte sich am Freitag am Rande einer Konferenz mit den ostdeutschen Ministerpräsidenten inhaltlich nicht näher zum Thema.

Er wiederholte lediglich, das Ziel der Reform sei nicht, den Cannabis-Konsum in Deutschland auszudehnen, sondern den Konsum, der schon da sei, zu kontrollieren und den Schwarzmarkt und die Kriminalität zu bekämpfen. Es gehe um besseren Kinder- und Jugendschutz. „Daran arbeiten wir, und dafür werden wir einen umfassenden Vorschlag vorlegen.“

Aus Sicht der Union sind die bisher bekannten Pläne das Gegenteil von Jugendschutz. „Die geplante Legalisierung von Cannabis suggeriert eine neue Form von Freiheit, von Unbedenklichkeit, die gefährlich ist“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU). Sie kritisierte: „Niemand spricht darüber, welches Ausmaß der Cannabis-Konsum jetzt schon angenommen hat und welche Gesundheitsschäden anhaltender Cannabis-Konsum gerade bei jungen Menschen anrichten kann.“ Deutschland drohe zum „Drogenumschlagplatz Nummer Eins in Europa zu werden“.

Quelle: dpa


UPDATE: Eckpunkte für ein Cannabis-Gesetz

Am 12.4. stellten Lauterbach und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) in Berlin überarbeitete Pläne für das Legalisierungsvorhaben vor. Sie sind weniger weitreichend als die ursprünglichen Ampel-Pläne: So wird es die geplanten Cannabis-Fachgeschäfte, in denen Rausch-Produkte frei verkauft werden können, zunächst nicht geben. Dies soll erst in einem zweiten Schritt und nur in einigen Modellregionen erprobt werden – mit wissenschaftlicher Begleitung. Darauf habe sich die Regierung nach Gesprächen mit der EU-Kommission geeinigt, hieß es.

Lauterbach und Özdemir verteidigten grundsätzlich die Legalisierungspläne und bekräftigten die Argumentation der Regierung, wonach mit dem Vorhaben der Schwarzmarkt zurückgedrängt und der Kriminalität der Boden entzogen werden solle. „Niemand soll mehr bei Dealern kaufen müssen, ohne zu wissen, was man sich da einhandelt“, sagte Özdemir. Lauterbach sprach von einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene „in klaren Grenzen (...) flankiert durch Präventionsmaßnahmen für Jugendliche“. Die bisherige Cannabis-Politik sei gescheitert.

Die nun präsentierten neuen Eckpunkte für das Legalisierungsvorhaben sind ein weiterer Zwischenschritt. Noch im April soll als nächstes ein erster konkreter Gesetzentwurf zur Regelung von Besitz, Eigenanbau und Cannabis-Social-Clubs vorgelegt werden. Dieser müsste nach Abstimmung in der Regierung und Kabinettsbeschluss später noch durch Bundestag und Bundesrat.

Die Eckpunkte im Einzelnen - im Gesetzgebungsverfahren kann sich daran noch einiges ändern:

  • Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis bleibt straffrei, eine solche Menge darf auch in der Öffentlichkeit mitgeführt werden.
  • Maximal drei weibliche blühende Pflanzen sind im Eigenanbau erlaubt – geschützt vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche.
  • In der Öffentlichkeit ist der Konsum nahe Schulen oder Kitas verboten. In Fußgängerzonen darf bis 20 Uhr nicht gekifft werden.
  • Frühere Verurteilungen wegen Besitzes oder Eigenanbaus bis 25 Gramm oder maximal drei Pflanzen können auf Antrag aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden.
  • Minderjährige, die mit Cannabis erwischt werden, müssen an Interventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen.
     
  • Nicht-gewinnorientierte Vereine mit maximal 500 Mitgliedern dürfen gemeinschaftlich Cannabis zu Genusszwecken anbauen und nur an Mitglieder für den Eigenkonsum abgeben. Das Mindestalter ist 18 Jahre. Die Clubs müssen Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte benennen und dürfen nicht für sich Werbung machen. Eine Mitgliedschaft in mehreren Vereinen ist verboten.
  • Maximal dürfen pro Club-Mitglied 25 Gramm Cannabis pro Tag und maximal 50 Gramm pro Monat abgegeben werden. Unter-21-Jährige bekommen maximal 30 Gramm pro Monat, zudem soll für sie eine Obergrenze beim Wirkstoffgehalt festgelegt werden. Die Kosten sollen über die Mitgliedsbeiträge gedeckt werden, gegebenenfalls kommt ein zusätzlicher Betrag je abgegebenes Gramm dazu.
  • In den Vereinsräumen darf nicht konsumiert werden, auch Alkoholausschank ist verboten. Zudem gilt ein Mindestabstand für die Clubs zu Schulen und Kitas.
     
  • In einem zweiten Schritt sollen in Kreisen und Städten mehrerer Bundesländer in Modellprojekten kommerzielle Lieferketten ausprobiert werden, von der Produktion über den Vertrieb bis zum Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften. Die Projekte werden wissenschaftlich begleitet, sind auf fünf Jahre befristet und auf die Einwohner dieser Kommunen beschränkt.
  • Diese zweite Säule der geplanten Legalisierung ist aber „voraussichtlich weiterhin notifizierungspflichtig“, wie es von der Bundesregierung heißt. Das bedeutet, dass wohl die EU mitreden darf und damit im Moment unklar ist, ob daraus am Ende etwas wird.
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