eine dünne Maus von vorne und eine dicke Maus von hinten© Georgejason / iStock / Getty Images Plus
Aus dicker Maus wird dünne Maus - allein durch Bakteriengabe?

Adipositas und Diabetes

BAKTERIEN FUTTERN FETT WEG

Die Zusammensetzung des Darmmikrobioms und die Neigung zu Übergewicht oder Stoffwechselerkrankungen scheint mittlerweile gesichert. Nun haben Forschende herausgefunden, dass man sich diese Eigenschaft auch therapeutisch zu Nutze machen kann – via Mikrobiomtransfer.

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Menschen mit Adipositas haben es doppelt schwer: Ihre Krankheit wird zum einen immer noch nicht als solche gesellschaftlich anerkannt. Zum anderen gibt es selbst nach Diagnosestellung kaum Therapieoptionen. Operative bariatrische Verfahren sind neben einigen wenigen zugelassenen Arzneistoffen und Ernährungsberatung häufig die einzige Option, langfristig Gewicht zu verlieren und die mit dem Übergewicht assoziierte Sterblichkeit zu senken.

Geht es nicht auch weniger invasiv? Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB) könnten eine Möglichkeit gefunden haben. Dafür schauten sie sich die Veränderungen des Darmmikrobioms nach einem operativen bariatrischen Eingriff an.

Die positiven Effekte kommen aus dem Darm

Der Hauptstudie gingen einige Untersuchungen voraus: Tierversuche zeigten, dass die langfristig positiven Ergebnisse einer bariatrischen Operation fast vollständig zu Nichte gemacht werden konnten, wurden den Tieren zuvor Antibiotika verabreicht. Wurden also Darmbakterien auf diese Weise abgetötet, verbesserte sich weder die Stoffwechsellage noch das Gewicht signifikant.

„Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die positiven Auswirkungen der bariatrischen Operation auf den Systemstoffwechsel und die Gewichtsregulation über das Darmmikrobiom vermittelt werden“, fasst Prof. Fenske, Leiterin der Sektion Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechselmedizin und des neuen Adipositas- und Stoffwechselforschungszentrums (BiOM) am UKB, zusammen.

Verbesserungen auch ganz ohne Operation

Und wenn man die Operation dann vollständig weglässt? Dazu erhielten adipöse Tiere das Darmmikrobiom eines adipösen, jedoch zuvor operierten Tiers transplantiert. Tatsächlich führte allein der Mikrobiomtransfer zu einer deutlichen Verbesserung des Glucosestoffwechsels und des Übergewichts.

Wie bei den operierten Tieren auch kam der Effekt durch einen gesteigerten Energieverbrauch des braunen Fettgewebes zustande. Diese Adipozyten sind bereits dafür bekannt, dass sie zur Fettverbrennung beitragen, indem sie überschüssiges Fett zur Wärmegewinnung verbrennen.

Neuer Signalweg identifiziert

Die Bakterien im Darm und das braune Fettgewebe scheinen miteinander zu kommunizieren. Das Forschungsteam entdeckte einen systemischen Signalweg zwischen Darmmikrobiom und Fettgewebe, der durch die bariatrische Operation aktiviert wird. Dreh- und Angelpunkt sind die sogenannten Gallensäure-Rezeptoren, die sich sowohl im Darm als auch im Fettgewebe finden. Durch veränderte Gallensäure-Moleküle (infolge der OP) werden die Rezeptoren aktiviert und geben ein biochemisches Signal an die Zellen im Verdauungstrakt und in stoffwechselaktiven Geweben weiter. Der Stoffwechsel wird angepasst.

PD Dr. Andreas Till, Laborleiter der Medizinischen Klinik I am Uniklinikum und Co-Autor der Studie, ergänzte: „Sobald wir die molekularen und zellulären Prozesse des komplexen Zusammenspiels zwischen Mikrobiom, zentralem Nervensystem und Hormon-Haushalt besser verstehen, die zum Erfolg der bariatrischen Chirurgie beitragen, hilft uns dies bei der zielgerichteten Entwicklung neuartiger mikrobiombasierter Therapiekonzepte für die Behandlung von Adipositas und assoziierter Stoffwechselerkrankungen“.

Was beim Tier funktioniert…

Sollte der alleinige Transfer eines stoffwechselaktiven Darmmikrobioms bereits zur Normalisierung der Stoffwechsellage und zu einer langfristigen Gewichtsreduktion beitragen, wäre dies ein Meilenstein in der Adipositas-Therapie. „Inwieweit diese Prozesse auch bei unseren Patienten und Patientinnen wirksam sind, untersuchen wir gerade gemeinsam mit Kollegen der Universität Graz in einer ersten randomisierten, doppelt verblindeten klinischen FMT-Studie mit adipösen Patienten“, erklärt Prof. Fenske.

Ob die Voruntersuchungen zur Hauptstudie ebenso erfolgreich am Menschen sind, bleibt demnach abzuwarten. Für die mittlerweile knapp zwei Milliarden Menschen, die von Adipositas betroffen sind, wäre es eine gute Nachricht.

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

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