Ein dicker Mann wird von einer Ärztin beraten.© AnnaStills/iStock/Getty Images Plus
Künftig könnten Adipositas-Patienten statt bloß Spritzen womöglich auch Tabletten verordnet bekommen, um sie bei der Gewichtsreduktion zu unterstützen.

Abnehmspritzen-Alternative: Kommt jetzt die Tablette?

ERSTER GLP1-AGONIST ZUR ORALEN ANWENDUNG ÜBERZEUGT

Die Erfolgsgeschichte der GLP1-Agonisten, auch bekannt als Abnehmspritzen, bekommt ein neues Kapitel. Erstmals überzeugt ein Wirkstoff in einer klinischen Studie, der oral angewendet werden kann. Bestätigen sich die Ergebnisse, wird sich vieles verändern – nicht nur bei der Therapie selbst.

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GLP1-Agonisten wie Semaglutid, Tirzepatid, Liraglutid und weitere sind Peptidanaloga. Über ihre Wirkung am GLP1-Rezeptor senken sie den Blutzucker, verlangsamen die Magenentleerung und hemmen zentral den Appetit. Ursprünglich als Diabetes-Therapie entwickelt, kommen die Substanzen, die dem körpereigenen Glucagon-like-Peptid 1 (GLP1) nachempfunden sind, auch in der Behandlung von Adipositas zum Einsatz. Bisher müssen alle subkutan gespritzt werden. 

Könnte es nicht auch eine Alternative zu den sogenannten Abnehmspritzen geben, die man einfach einnehmen kann? Die Entwicklung eines oral anzuwendenden GLP1-Agonisten hat bisher einige Rückschläge verkraften müssen. So stellte Pfizer die Entwicklung seines Kandidaten Danuglipron kürzlich ein. Was ist jetzt bei Orforglipron anders?

GLP1-Agonist für orale Anwendung entwickelt

Während andere GLP1-Agonisten gespritzt werden müssen, weil sie als Peptide im Magen verdaut würden, ist Orforglipron oral anwendbar. Das liegt daran, dass die Substanz, die von der Firma Eli Lilly & Co. entwickelt wurde, kein Peptid ist. In der ersten von sieben geplanten Studien überzeugte Orforglipron jetzt außerdem auf ganzer Linie mit seiner Wirkung.

Während der 40-wöchigen Studie sank der HbA1c-Wert der Teilnehmenden um durchschnittlich 1,3 bis 1,6 Prozentpunkte, das Körpergewicht um 7,9 Prozent. Das ist vergleichbar mit injizierbaren GLP1-Agonisten. Aber wirklich entscheidend war die Tatsache, dass die Nebenwirkungen während der gesamten Beobachtungszeit durchgehend auf Placebo-Niveau lagen und keine Leberschädigung auftrat.

Danuglipron keine Alternative zu Spritzen, Orforglipron schon?

Das war bei dem Kandidaten, den die Konkurrenz kürzlich ins Rennen geschickt hatte, anders: Pfizers Danuglipron, ebenfalls ein GLP1-Agonist zur oralen Einnahme, erlitt einen herben Rückschlag. Im Rahmen einer Dosisfindungsstudie trat bei einem Teilnehmenden eine Leberschädigung auf. Das war der Todesstoß für Danuglipron. Seine Entwicklung wurde eingestellt.

Im Unterschied zum gescheiterten Konkurrenten besticht Orforglipron außerdem damit, dass seine Wirkung durch Nahrungsaufnahme kaum beeinflusst wird. Der GLP1-Agonist wird einmal täglich oral eingenommen. Speziell dafür wurde die Substanz entwickelt, denn die Einnahme als Tablette bietet gleich mehrere Vorteile.

Abnehmen durch Medikamente: ein wachsender Markt

Die GLP1-Agonisten helfen bereits Millionen Menschen bei der Kontrolle ihrer Diabeteserkrankung oder beim Abnehmen. Alle Substanzen haben aber bislang den entscheidenden Nachteil, dass sie gespritzt werden müssen. Wenn sich die Ergebnisse der Studien bestätigen, könnte Orforglipron als erster GLP1-Agonist oral eingesetzt werden und damit den Markt für Medikamente zum Abnehmen umwälzen – und mehr.

So sieht es zumindest das Time Magazine, das die Entwicklung von Orforglipron eng begleitet hat. Produktions- und Logistikkosten fallen bei einer Tablette wesentlich geringer aus als bei einer Kühlketten-pflichtigen Spritze. Zusätzlich zu den Vorteilen für die Anwendenden.

Die Entwicklung von GLP1-Agonisten zur oralen Anwendung könnte weitreichende Folgen haben. Time Magazine berichtet, dass das Abnehmen mit Unterstützung von Medikamenten bereits jetzt mancherorts die Nachfrage nach hochkalorischen, stark zuckerhaltigen Lebensmitteln beeinflusse. Ein GLP1-Agonist, der oral eingenommen werden kann, dürfte noch häufiger eingesetzt werden als eine Spritze, deren Anwendung eine gewisse Überwindung erfordert.

Wie geht es mit Orforglipron weiter?

Davon ist auch die Firma Lilly überzeugt. Sie entwickelte für die Substanz ein spezielles, hochkomplexes Herstellungsverfahren. Mehr als doppelt so viele Syntheseschritte wie bei vergleichbaren Substanzen braucht es für Orforglipron. Aber das schreckt den Hersteller nicht ab.

Während andere GLP1-Agonisten in erster Linie nicht zum Abnehmen, sondern als Medikamente gegen Diabetes entwickelt und zugelassen wurden, ist das bei Orforglipron anders. Es soll sofort gegen Adipositas zugelassen werden. Die Tatsache, dass viele Menschen dick sind und abnehmen möchten, führt dazu, dass immer mehr Medikamente entwickelt werden, die dabei helfen.

Das Time Magazine schätzt, dass der Markt in fünf Jahren rund 100 Milliarden Dollar umfasst. Ob Orforglipron als erster GLP-Agonist zur oralen Anwendung dazu beiträgt, entscheidet sich in den nächsten Monaten.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/gute-daten-fuer-glp-1-agonisten-in-tablettenform-155437/
https://investor.lilly.com/news-releases/news-release-details/lillys-oral-glp-1-orforglipron-demonstrated-statistically
https://time.com/7278429/weight-loss-obesity-pill-eli-lilly/

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