Eine junge Frau sitzt auf der Toilette, hat die Arme um den Bauch geschlungen und den Kopf auf den Knien abgelegt.© globalmoments/iStock/Getty Images Plus
Unkomplizierte Harnwegsinfekte lassen sich in der Regel pflanzlich therapieren, aber in schwereren Fällen braucht es dann doch ein Antibiotikum – wenn denn eines wirkt.

Sulopenem

NEUES ANTIBIOTIKUM GEGEN HARNWEGSINFEKTE

Antibiotikaresistenzen sind ein globales Problem. Auch bei Harnwegsinfekten braucht es oft mehrere Versuche, bis die Behandlung anschlägt. Viele bewährte Antibiotika helfen nicht, neue Wirkstoffe werden kaum zugelassen. Jetzt könnte es aber so weit sein.

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Bereits 2021 reichte der Hersteller Iterium Therapeutics in den USA einen Zulassungsantrag für die Substanz Sulopenem bei der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) ein. Dieser scheiterte. Im zweiten Anlauf soll es jetzt aber klappen.

Der Hersteller hofft, bis Ende des Jahres eine Zulassung seines Antibiotikums für die Therapie von unkomplizierten Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Frauen zu erhalten. Große Hoffnungen ruhen auf der neuen Substanz, denn sie wirkt auch gegen multiresistente Keime. Und sie ist auch in anderer Hinsicht etwas Besonderes.

Neues Antibiotikum mit einem Trick oral verfügbar machen

Sulopenem gehört zur Substanzklasse der Carbapeneme, einer Unterklasse der Beta-Lactam-Antibiotika. Carbapeneme sind meist nur parenteral verfügbar und zugelassen als Reserveantibiotika. Das bedeutet, sie werden nur dann eingesetzt, wenn andere Therapien versagt haben. Sulopenem kann oral eingenommen werden, und zwar mittels einiger chemischer Kniffe.

Zum einen schluckt der Patient ein Prodrug, nämlich Sulopenem-Etzadroxil. Diese schier unaussprechliche Verbindung ist ein lipophiler Ester, der im Körper gespalten wird und die Wirkform freisetzt. Außerdem kombiniert der Hersteller den Ester mit Probenecid als Zweischicht-Tablette. Diese bewährte Substanz hemmt einen bestimmten Transporter in der Niere, was die Ausscheidung von Sulopenem bremst. Dadurch wirkt Sulopenem länger und die Bioverfügbarkeit steigt. Nur so kann eine orale Anwendung ermöglicht werden.

Endlich wirksames Antibiotikum bei Blasenentzündungen

In Studien ist das neue Antibiotikum den Vergleichstherapien signifikant überlegen, so der Hersteller. Die Vergleichstherapien bestanden in Ciprofloxacin oder Amoxicillin/Clavulansäure. In vitro zeigt Sulopenem ein breites Wirkspektrum gegen grampositive und gramnegative Keime sowie Anaerobier.

In den Zulassungsstudien wirkte es auch gegen Bakterien, die gegen Fluorchinolone resistent waren. Hierzu sei gesagt, dass in Deutschland bereits die Fluorchinolone als Reserveantibiotika angesehen werden. Resistenzen gegen diese nehmen allerdings stark zu.

Der erste Zulassungsantrag für Sulopenem 2021 scheiterte, weil der FDA noch zusätzliche Studiendaten fehlten. Auch eine weitere Dosisfindungsstudie forderte die Behörde damals. Es bleibt zu hoffen, dass die eingereichten Daten nun für eine Zulassung ausreichen. Es wird höchste Zeit für ein neues Antibiotikum.

Erste Innovation seit Jahrzehnten

Der Hersteller wertet sein Produkt als „unschätzbar wertvoll“ für die Behandlung von Harnwegsinfektionen, an denen in den USA rund 30 Millionen Menschen jedes Jahr erkranken und die zunehmend von multiresistenten Bakterienstämmen ausgelöst werden. Für die Indikation unkomplizierte Harnwegsinfekte habe es in den letzten 20 Jahren keine Produktinnovationen gegeben, so der CEO des Unternehmens, Corey N. Fishman.

Antibiotika-Herstellung lohnt sich nicht

Auch in Deutschland ist der steigende Anteil an resistenten Keimen Anlass zur Sorge. Innovative Antibiotika mit neuen Wirkmechanismen würden dringend gebraucht, aber die wirtschaftlichen Anreize für Unternehmen, diese zu entwickeln, fehlen. Denn: Antibiotika müssen meist nur kurze Zeit eingenommen werden. Zudem würde die Zulassung einer neuen Substanz nur als Reserveantibiotikum infrage kommen. Die immensen Kosten einer Neuentwicklung stehen zum erwartbaren Umsatz also in keinem guten Verhältnis. Ein Risiko, das derzeit kaum ein Unternehmen eingeht.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/fda-prueft-orales-carbapenem-bei-harnwegsinfektionen-148000/
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9825827/
https://www.drugs.com/nda/sulopenem_210727.html
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7776693/
https://www.urologytimes.com/view/oral-sulopenem-shows-superiority-to-amoxicillin-clavulanate-for-uutis

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