Blau-weiße Arzneimittelkapseln auf einem Laufband
Die Arzneimittelproduktion findet heutzutage größtenteils in Fernost statt.

Wirkstoffproduktion

NUR NOCH EIN ANTIBIOTIKA-HERSTELLER IN DEUTSCHLAND

Der Verband Pro Generika schlägt Alarm: Ein Großteil der Antibiotika-Wirkstoffe kommt aus Fernost, nur ein einziger Hersteller produziert in Deutschland. Langfristige Lösungen müssen her, um Engpässe zu vermeiden, fordert der Verband. Denn die Antibiotika-Produktion muss sich in Europa wieder lohnen.

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Bestimmte Antibiotika waren eine Zeitlang knapp in deutschen Apotheken. Professor Dr. Ulrike Holzgrabe vom Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie der Universität Würzburg erklärt das so: Der Markt hat sich in den vergangenen 20 Jahren auf immer weniger Arzneimittelhersteller konzentriert. Dazu beigetragen habe auch das System der Rabattverträge und Festbeträge.

Denn die hielten die Preise für Generika niedrig und verhinderten, dass sie steigen können. Das sei zwar damals ein praktikabler Ansatz gewesen, um die Kosten für die öffentliche Hand zu senken, sagt Holzgrabe – nur passe dieses System nicht mehr in die heutige Zeit. Denn inzwischen seien so viele Hersteller wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit aus dem Markt ausgestiegen, dass es leicht Probleme gebe, sobald einer der wenigen verbliebenen Hersteller ausfalle.

Industrie produziert im Ausland

Die Folge: „Wir haben einen Großteil unserer chemischen Industrie an China verloren – und nun unter anderem das Problem, dass wir dort die Zwischenprodukte kaufen müssen, um in Europa überhaupt Arzneimittel produzieren zu können. Sollte es zum Beispiel aufgrund eines politischen Konflikts zu einem Lieferstopp kommen, wäre das für unser Gesundheitssystem verheerend.“

Neue Engpässe stehen bevor

Sollte also die Nachfrage nach Antibiotika durch eine Welle von Atemwegsinfekten plötzlich wieder zunehmen – und danach sieht es aus – könnte dies erneut Engpässe nach sich ziehen wie im letzten Winter.

Auf seiner Website informiert der Verband Pro Generika, wo die Wirkstoffe der 15 wichtigsten Antibiotika derzeit hergestellt werden.

  • Ein Drittel der Hersteller sitzt in China,
  • weniger als ein Drittel in Indien.
  • Erst auf Platz drei folgt Europa mit 25 Prozent.
  • In den USA produzieren nur zwei Hersteller wichtige Antibiotika,
  • in Mexiko drei,
  • in der Karibik zwei.
  • Keine Produktionsstätte für einen der wichtigsten 15 Wirkstoffe gibt es demnach in Russland, Kanada, Südamerika, Amerika und Australien.

Und in Deutschland? Da gibt es genau einen Hersteller für Antibiotika.

Cefaclor, Doxycyclin, Clarithromycin: Hersteller sind weit weg

Auch einzelne Wirkstoffe werden kaum noch in Europa hergestellt. Clarithromycin beispielsweise, ein Antibiotikum, das verwendet wird, wenn Patienten Resistenzen oder Unverträglichkeiten gegenüber anderen Antibiotika aufweisen. Man verwendet es unter anderem für Infektionen der Atemwege, des Hals-Nasen-Ohren-Traktes und der Haut und es erfährt jedes Jahr 660 000 Verordnungen. Nur noch ein Unternehmen produziert es noch in Europa.

Doxycyclin, das bei bakteriellen Infektionen der Atemwege, bei Erkrankungen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich sowie bei Magen Darm-Infektionen verschrieben wird (1,4 Millionen Verordnungen pro Jahr) wird nur noch von vier europäischen Herstellern produziert.

Lediglich ein europäischer Hersteller kümmert sich um Cefaclor, ein weit verbreitetes Antibiotikum für Kinder, das unter anderem bei Infektionen der Atemwege, Hals-Nasen-Ohren-Infektionen und bakteriellen Infektionskrankheiten sowie Blasenentzündungen zum Einsatz kommt (950 000 Verordnungen pro Jahr).

„Produktion von Antibiotika muss sich wieder lohnen“

Pro Generika sagt, die Politik habe das Problem zwar erkannt, packe es aber trotzdem nicht an der Wurzel. Dazu zitiert der Verband das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG): Dieses schreibe zwar vor, dass in einem Rabattvertrag die Hälfte des Wirkstoffs von einem Hersteller mit europäischer Quelle kommen muss. Allerdings nur, wenn es einen solchen gebe. An dem oben aufgeführten strukturellen Problem ändere das nichts.

Pro Generika spricht sich deshalb für eine gezielte Standortförderung in Europa aus. „Es braucht langfristige Lösungen. Die Politik muss dafür sorgen, dass sich die Produktion von Antibiotika wieder lohnt“, fordert Bork Bretthauer, Geschäftsführer des Verbandes.

Quellen:

https://www.pharmazeutische-zeitung.de/nur-ein-antibiotika-hersteller-in-deutschland-144148/
https://www.progenerika.de/antibiotika-spezial/

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