Semaglutid
MICRODOSING BEI DER ABNEHMSPRITZE: SINNVOLL ODER GEFÄHRLICH?
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Microdosing, also die Anwendung kleinster Mengen einer Substanz, ist ein Konzept aus dem Bereich der Psychedelika. Dazu zählen zum Beispiel halluzinogene Pilze, LSD und weitere Drogen. Kleinste Mengen davon sollen die Konzentrationsfähigkeit und Kreativität fördern oder die Stimmung aufhellen, ohne halluzinogen zu wirken.
Microdosing bei Semaglutid und Co. dient den BefĂĽrworter*innen zum einen dazu, Nebenwirkungen der Abnehmspritze zu verhindern oder soll schlicht Kosten sparen. Expert*innen warnen allerdings vor dieser Praxis. Microdosing bei der Abnehmspritze ist nicht in klinischen Studien untersucht. Daher gilt: Finger weg! In den USA sieht man das aber teilweise anders.
Abnehmspritze als Selbstbausatz
In den USA ist das Microdosing von Semaglutid und weiteren Abnehmspritzen ein richtiger Trend, den teilweise auch Ärzt*innen unterstützen. Die hohen Kosten der Abnehmspritze und die Lieferschwierigkeiten haben mit dazu beigetragen. Anwender beschreiben in einschlägigen Foren, dass sie teilweise 0,05 bis 0,125 Milligramm (mg) Semaglutid einmal wöchentlich anwenden, um das Hungergefühl zu dämpfen, aber die Nebenwirkungen der Abnehmspritze zu vermeiden. Die therapeutischen Dosen liegen bei 1 bis 2,4 mg pro Woche. In der Aufdosierung von Semaglutid stehen zwar auch Pens mit 0,25 mg zur Verfügung, dies besitzen aber keine therapeutische Wirkung.
In den USA wird die Praxis des Microdosings bei Abnehmspritzen durch das sogenannte „Compounding“ gefördert. In Mangelsituationen, die die Gesundheitsbehörde FDA feststellen kann, dürfen patentgeschützte Wirkstoffe von spezialisierten Apotheken selbst hergestellt und vertrieben werden. Das bedeutet in der Praxis, dass sich Patient*innen ihren Wirkstoff und die dazu gehörigen Lösemittel und Spritzen nach Hause bestellen und selbst mischen. In Europa wäre das vollkommen undenkbar, die Abnehmspritze darf nur als Fertigarzneimittel vom Hersteller in vorgefüllten Pens bezogen werden.
Die betroffenen Anwender in den USA bestimmen aber letztlich selbst, wie viel Wirkstoff sie sich injizieren. Microdosing sorgt dann dafür, dass die teuren, meist selbst bezahlten Abnehmspritzen länger reichen.
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Compounding bei Abnehmspritzen läuft aus dem Ruder
Den Herstellern der Abnehmspritzen ist das Compounding natürlich ein Dorn im Auge. Während die Praxis zwischenzeitlich für die Wirkstoffe der Abnehmspritzen erlaubt war, nahm die FDA die Wirkstoffe wieder von der Engpass-Liste. Einige Compounding-Betriebe stellen die Wirkstoffe aber nach wie vor her, auch in geringeren, für Microdosing in Frage kommenden Stärken. Damit entgehen sie rechtlichen Schritten der Originalhersteller.
Im letzten Jahr wurde der amerikanische Markt mit Abnehmspritzen aus der Produktion von Compounding-Unternehmen geradezu überflutet. Bis zu zehn Todesfälle werden mit der Anwendung individuell dosierter Abnehmspritzen in Verbindung gebracht. In einem offenen Brief fordern 80 Rechtsexpert*innen beider Parteien die FDA nun auf, der Praxis ein Ende zu bereiten.
Microdosing ist weder wirksam noch sicher
Dem Trend Microdosing fehlt bei der Abnehmspritze, so Expert*innen hierzulande, jede wissenschaftliche Grundlage. Es gibt keinerlei Studien, man kennt weder die Dosis-Wirkungs-Beziehung bei geringsten Mengen, noch gibt es Daten zur Sicherheit. Die Abnehmspritze einfach unterzudosieren, ist also keine gute Idee. Ein Microdosing der Abnehmspritze ist derzeit ein off-label-use, für den die gegebenenfalls verordnenden Ärzte allein haftbar sind.
Aus pharmakologischer Sicht könnte Microdosing der Abnehmspritze möglicherweise eine dämpfende Wirkung auf das zentrale Hungergefühl besitzen. Das ist aber bisher nicht ausreichend durch Studien belegt.
Dr. Anne M. Comé von der University of North Carolina und einige ihrer Kolleg*innen geben Microdosing aber in begründeten Einzelfällen eine mögliche Berechtigung. Bei der Umstellung von einer auf eine andere Abnehmspritze beispielsweise oder zu langsamer Aufdosierung beziehungsweise kontrolliertem Absetzen könne Microdosing sinnvoll sein. Auch dann, wenn gastrointestinale Nebenwirkungen der Abnehmspritze befürchtet werden, könne niedriger dosiert werden. Allerdings dürfe diese Methode nur für eine begrenzte Zeit und unter engmaschiger Kontrolle erfolgen, so die Ärzt*innen. Außerdem müssten die Patient*innen, die Microdosing ihrer Abnehmspritze betreiben, die Mechanik des Pens verstehen können, über gute manuelle Geschicklichkeit und Sehvermögen verfügen und zudem genau dokumentieren, wie viele „Klicks“ sie sich spritzen.
Microdosing der Abnehmspritze ist also nicht nur ungenau, sondern es fehlen Daten zur Sicherheit. Derzeit kann es nicht empfohlen werden. Während in den USA auch Ärzt*innen Microdosing betreiben, warnen Gesundheitsexpert*innen hierzulande bisher davor, und das wohl aus gutem Grund.
Quellen:
https://www.doccheck.com/de/detail/articles/51421-semaglutid-kleine-dosis-grosse-enttaeuschung
https://www.latimes.com/lifestyle/story/2024-11-05/microdosing-ozempic-weight-loss-drugs-diy-dosage












