Eine Frau in einem bequemen Behandlungsstuhl bekommt eine Infusion in die Armvene.© SeventyFour/iStock/Getty Images Plus
Wie gut die Chemotherapie anschlägt, kommt auch auf das Darmmikrobiom an.

Personalisierte Medizin

MIKROBIOM BESTIMMT ERFOLG EINER KREBSTHERAPIE MIT

Das Mikrobiom im Darm scheint nicht nur Einfluss auf die Krebsentstehung zu haben. Künftig könnte die Untersuchung des Mikrobioms eine Voraussetzung für die Auswahl der jeweiligen Chemotherapie und den Erfolg der Krebstherapie werden. Ein Blick auf die Medizin der Zukunft.

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Warum schlagen manche Chemotherapien an und manche nicht? Ebenso wie bei der Krebsentstehung an sich spielen in der Onkologie mehrere Faktoren eine Rolle, die über den Erfolg einer Krebstherapie bestimmen. Bei einem davon handelt es sich um das Mikrobiom. Diese Erkenntnis hatten Forschende bereits Ende des 20. Jahrhunderts.

Heute weiß man, dass bakterielle Stoffwechselprodukte die Wirksamkeit und den Abbau verschiedener Medikamente beeinflussen können. Das kann zum einen den Erfolg einer Krebstherapie beeinflussen, zum anderen unerwünschte Wirkungen verstärken.

Zusammenhang Mikrobiom und Chemotherapie

So aktiviert beispielsweise die bakterielle ß-Glucoronidase bereits im Darm SN-38 zu der aktiven Form Irinotecan, einem Topoisomerase-Hemmstoff, der unter anderem bei metastasierendem Kolonkarzinom zum Einsatz kommt. Dieser frühe Schritt erhöht das Risiko für Magen-Darm-Nebenwirkungen wie Durchfall.

Studien zum Erfolg der Krebstherapie

Erste Studien beschäftigen sich schon mit dem Erfolg einer Krebstherapie in Zusammenhang mit dem Mikrobiom im Darm. So ließ sich ein positiver Einfluss von Bakterien der Gattungen Bifidobakterium, Akkermansia, Roseburia, Clostridiales und Faecalibacterium auf die Wirkung von PD-1- und CTLA-4-Checkpoint-Inhibitoren feststellen.

Dabei spielen die Stoffwechselprodukte Butyrat und Propionat, kurzkettige Fettsäuren, denen man auch einen schützenden Einfluss auf die Krebsentstehung zuschreibt, sowie Inosin eine Rolle. Die chemischen Verbindungen aktivieren T-Zellen und T-Gedächtniszellen. Die wiederum unterstützen die Immuntherapie dabei, Krebszellen aufzuspüren und zu zerstören. Bei Proband*innen, deren Mikrobiom im Darm mit diesen Gattungen besiedelt war, zeigte sich der Zusammenhang zwischen Mikrobiom und Chemotherapie, indem es das Fortschreiten des Krankheitsverlaufs verzögerte.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch bei der Durchführung einer CAR-T-Zell-Therapie: Eine britische Studie kam zu dem Schluss, dass hier der Erfolg einer Krebstherapie mit der Besiedelung von Bakterien der Spezies Bifidobakterium longum zusammenhängen könnte.

Mikrobiom im Darm beeinflussen, um Chemotherapie zu verbessern?

Noch ist die Medizin nicht so weit, dass die jeweilige Krebstherapie anhand des Mikrobioms ausgewählt wird. Doch es wird geforscht, inwieweit eine Veränderung des Mikrobioms im Darm den Erfolg einer Krebstherapie beeinflussen könnte. Hierfür kämen folgende Ansätze infrage:

  • Eine (pflanzenbasierte) den Bedürfnissen des Mikrobioms angepasste Diät
  • Die Gabe spezieller Probiotika
  • Die Gabe von Postbiotika (eine Mischung bakterieller Stoffwechselprodukte)
  • Eine Stuhltransplantation (FMT, Fecal Microbiota Transplantation)

Eine angepasste Ernährung beeinflusst nachweislich das Mikrobiom im Darm. Doch diese Änderungen dauern lange – unter Umständen zu lange, um den Erfolg einer Krebstherapie zu beeinflussen.

Das Problem von Probiotika oder Postbiotika, die Mikrobiom und Chemotherapie zur Unterstützung optimieren sollen, sind aktuell nicht ausreichend evident erforscht. Weder welche Stämme oder Stoffwechselprodukte man verabreichen sollte, noch in welcher Kombination. Bisherige Studien zeigen hier keine eindeutigen Ergebnisse, einige berichten sogar von negativen Einflüssen auf das Mikrobion im Darm – eventuell ausgelöst durch ein Ungleichgewicht der Mikroben durch einzelne Probiotika.

Der Vorteil von Stuhltransplantationen liegt in der klinischen Methodik und der Tatsache, dass die verabreichten Mikroben sofort stoffwechselaktiv sind. Es würde sich also eine schnellere Wirkung einstellen, wodurch sich der Erfolg einer Krebstherapie besser steuern lassen würde. Nachteil: Es werden Spender*innen benötigt und die Proben müssten von (zurzeit wenigen) zertifizierten Laboren aufgereinigt werden.

Mikrobiom, Krebs und Chemotherapie besser verstehen

Die FLORA-Studie startete diesen Juni und untersucht, inwieweit Stuhltransplantationen den Erfolg einer Krebstherapie unterstützen könnten. Expert*innen rechnen nicht mit genauen Ergebnissen, erhoffen sich aber dadurch einen Überblick über den Gesamtzusammenhang von Mikrobiom und Chemotherapie. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Medizin dahingehend in den nächsten Jahrzehnten verändern wird.

Quelle: Bild der Wissenschaft

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