Neurodiversität
FĂśHRT PARACETAMOL IN DER SCHWANGERSCHAFT ZU ADHS ODER AUTISMUS?
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Paracetamol ist das Analgetikum der Wahl, wenn es um Schmerzen mit oder ohne Fieber in der Schwangerschaft geht. Jede zweite Frau weltweit nahm mal oder nimmt Paracetamol in der Schwangerschaft ein. Immer wieder verunsichern Erkenntnisse aus der Forschung die Anwenderinnen. Vor allem in Bezug auf Verhaltensauffälligkeiten oder neurologische Entwicklungsstörungen, wozu das Autismus-Spektrum oder das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) gerechnet werden.
Das Pharmakovigilanzzentrum Embryonaltoxikologie der Charité Berlin, kurz Embryotox, sagt zu Paracetamol in der Schwangerschaft in ihrer Datenbank Folgendes: „Bei medikamentös behandlungspflichtigen Schmerzen gehört Paracetamol in jeder Phase der Schwangerschaft zu den Analgetika der Wahl. Ebenso gehört es bei hohem Fieber zu den Antipyretika der Wahl. Es kann innerhalb des indizierten Dosisbereichs für die notwendige Behandlungsdauer eingesetzt werden.“
Studienlage zu Paracetamol in der Schwangerschaft
Dennoch erschien erneut eine Review, welche die Sicherheit von Paracetamol in er Schwangerschaft anzweifelt. Assistenzprofessor Dr. Diddier Prada von der Icahn School of Medicine am Mount Sinai in New York analysierte mit seinem Team insgesamt 46 Studien mit Daten von mehr als 100 000 Teilnehmenden aus mehreren Ländern. Mit folgendem Ergebnis:
- 27 Studien berichteten über positive Zusammenhänge; diese seien von hoher Qualität.
- 9 Studien bewiesen keinerlei Zusammenhang.
- 4 Studien berichteten gar von einem schützenden Effekt von Paracetamol in der Schwangerschaft in Bezug auf das Risiko, dass das Baby Autismus und ADHS entwickeln könnte.
Dem Team ging es vor allem darum, für mögliche Gefahren zu sensibilisieren und die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen hervorzuheben. In einer begleitenden Pressemitteilung sagt Prada:
„Angesichts der weit verbreiteten Verwendung dieses Medikaments könnte selbst eine geringe Risikoerhöhung erhebliche Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben.“
Wie könnte ein Baby Autismus und ADHS durch Paracetamol bekommen?
Neben der Untersuchung der Zusammenhänge beschäftigte sich das Team auch mit den biologischen Mechanismen, wie ein Baby Autismus und ADHS durch Paracetamol in der Schwangerschaft entwickeln könnte. Wie die meisten Medikamente ist Paracetamol plazentagängig.
In der Plazenta könnte Paracetamol zu oxidativem Stress beim Fötus führen, dessen Hormonhaushalt stören und epigenetische Veränderungen verursachen, die die Gehirnentwicklung verändern.
Was Schwangere wissen sollten:
Kein kausaler Zusammenhang, aber Forderung nach Aufmerksamkeit
Die Studie belegt keinen direkten Zusammenhang zwischen der Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft und dem späteren Risiko von Autismus und ADHS beim Fötus. Auch der mögliche Mechanismus erklärt keinen direkten Einfluss auf die neurologische Entwicklung im Mutterleib. Die Studie liefert lediglich weitere Hinweise.
Die Forschenden fordern jedoch ein Umdenken bei der Anwendung von Paracetamol in der Schwangerschaft – es sollte vorsichtig, zeitlich begrenzt und unter ärztlicher Aufsicht stattfinden, sodass Nutzen und Risiko im Einzelfall abgewogen werden können.
Sie betonen aber auch:
„Schwangere Frauen sollten Medikamente nicht ohne Rücksprache mit ihrem Arzt absetzen“. (…) „Unbehandelte Schmerzen oder Fieber können dem Baby ebenfalls schaden. Unsere Studie unterstreicht, wie wichtig es ist, mit dem Arzt über die sicherste Vorgehensweise zu sprechen und, wann immer möglich, nicht-medikamentöse Optionen in Betracht zu ziehen.“
So schätzt Embryotox die Studie ein
Auch auf Embryotox finden sich ein entsprechender Abschnitt und eine kritische Einschätzung dazu: „(…) Diese Studienergebnisse sind u. a. aus den folgenden Gründen kritisch zu bewerten:
- Die beobachteten Entwicklungsauffälligkeiten bei den Kindern können viele Ursachen haben, die in den Studien nur unvollständig erfasst waren. Hierzu gehören u. a. genetische Faktoren, das soziale Umfeld einschließlich der familiären Interaktion sowie Details zu mütterlichen Erkrankungen und weiteren Expositionen.
- Die diagnostischen Kriterien für die beobachteten Auffälligkeiten werden in Studien uneinheitlich angewandt.
- Die statistische Signifikanz der beobachteten Zusammenhänge zwischen Paracetamol und den Entwicklungsauffälligkeiten ist in vielen Untersuchungen grenzwertig.
- Dosis, Dauer und Trimenon der Einnahme unterscheiden sich zwischen den Studien oder sie werden nur unzureichend oder gar nicht spezifiziert.
- Ein plausibler Schädigungsmechanismus von Paracetamol hinsichtlich der diskutierten Auffälligkeiten ist nicht bekannt. (…)“












