Herz, Muskeln, Nerven
NATRIUMKANALBLOCKER: DAS ALLES KÖNNEN SIE HEUTE – UND DAS VIELLEICHT IN ZUKUNFT
Seite 1/1 3 Minuten
Mit dem Wort Natriumkanalblocker sind Substanzen gemeint, die spannungsabhängige Natriumkanäle inaktivieren. Das führt dazu, dass die Spannung in der betreffenden Zelle sich ändert – und das hat zahlreiche Effekte.
Bisher kennt man neun verschiedene Typen von Natriumkanälen, die sich in Details unterscheiden. Das ermöglicht die Entwicklung selektiver Natriumkanalblocker. Aber der Reihe nach: Wir klären, was Natriumkanalblocker heute können, wie sie wirken und was noch kommen könnte.
So funktionieren Natriumkanäle
Natriumkanalblocker beeinflussen spannungsabhängige Natriumkanäle in Nervenzellen, im Herzen und in der Muskulatur. Wir erinnern uns kurz: Das Aktionspotenzial einer Zelle ist ein elektrischer Impuls, mit dem Informationen weitergeleitet werden. Es besteht aus mehreren Phasen:
- Ruhepotenzial der Zelle (leicht negativ geladen)
- Depolarisation durch Einstrom von Natriumionen in die Zelle
- Repolarisation durch Ausstrom von Kaliumionen aus der Zelle
- Hyperpolarisation (als Sicherung, damit nicht sofort das nächste Aktionspotenzial weitergeleitet werden kann; soll Übererregung verhindern)
- RĂĽckkehr zum Ruhepotenzial
Natriumkanalblocker setzen sich in oder an spannungsabhängige Natriumkanäle. Dort blockieren sie diese entweder im offenen oder im geschlossenen Zustand. Alle neun Typen von Natriumkanälen (NaV1.1 bis NaV1.9) bestehen aus einer α- und einer β-Untereinheit. Die α-Untereinheit wiederum bilden vier Domänen (DI bis DIV), von denen jede aus sechs miteinander verbundenen Segmenten besteht. Die Segmente S1 bis S4 sind spannungsempfindlich, während S5 und S6 die zentrale Pore der Natriumkanäle bilden.
Sind Sie noch an Bord? Keine Sorge, das Komplizierte haben wir geschafft! Nur so viel noch: in Segment 4 sitzen vier positiv geladene Arginin-Moleküle, die im Ruhezustand der Zelle nach innen gerichtet sind. Bei Depolarisation klappen sie nach außen und die Natriumkanäle öffnen sich. Um sicher nur Natriumionen durchzulassen, besitzen die Porenmodule sogar einen Ionenfilter. Calciumionen sind zu groß, Kaliumionen bleiben wegen ihrer konzentrierteren Ladung hängen.
So kommen die Blocker in die Natriumkanäle
Natriumkanalblocker gelangen auf zwei Wegen in den Kanal: zum einen durch kleine Lücken zwischen Porenmodulen und den anderen Segmenten, zum anderen bei offenem Kanal von der intrazellulären Seite. Der erste Weg blockiert den Kanal im geschlossenen, der zweite im offenen Zustand. Welcher Arzneistoff welchen Weg nimmt, unterliegt aber wohl keinen festen Regeln. Das macht die Entwicklung neuer Wirkstoffe kompliziert.
Alle Natriumkanalblocker müssen zum einen lipophil sein, zum anderen aber eine positive Ladung aufnehmen können, um die Pore zu blockieren. Neutrale Wirkstoffe wie Carbamazepin und Lamotrigin scheinen ein Natriumion zu komplexieren, um in die Pore zu gelangen. Kleine, lipophile Moleküle wie Benzocain nutzen die Lücke zwischen den Segmenten und binden an der Pore, nicht darin.
Neues aus der Forschung:
Natriumkanäle sind unterschiedlich
Es gibt neun Typen von spannungsabhängigen Natriumkanälen. Sie alle unterscheiden sich in Details und finden sich in verschiedenen Organen:
- NaV1.1, 1.2 und 1.6-Übererregung löst epileptische Anfälle aus.
- NaV1.4 fĂĽhrt zu vermehrter Muskelspannung (Myotonie) bei Ăśbererregung (selten).
- NaV1.5 spielt eine Rolle bei Herzrhythmusstörungen.
- NaV1.7 bis 1.9 steuern die Schmerzverarbeitung.
Natriumkanalblocker: beim Zahnarzt und beim Kardiologen im Einsatz
Während Lokalanästhetika unselektive Natriumkanalblocker sind, wirken Antiarrhythmika wie Flecainid selektiv auf NaV1.5. Trotzdem stockt die Entwicklung neuer Substanzen gegen Herzrhythmusstörungen wegen potenziell gefährlicher Nebenwirkungen. Das liegt daran, dass am Herzen neben Natrium auch Kalium und Calcium wirken.
Neue Natriumkanalblocker: Stand der Forschung
Ebenso verzeichnet die Forschung bisher kaum Erfolge bei der Entwicklung selektiver Antiepileptika. Bei einer seltenen, angeborenen Form der Epilepsie befindet sich aber ein Wirkstoffkandidat in der frĂĽhen klinischen Phase 3.
Einen Erfolg verzeichnet der selektive Natriumkanalblocker Suzetrigin. Die Substanz erhielt Anfang des Jahres eine Zulassung durch die US-Arzneimittelbehörde FDA. Suzetrigin hemmt Natriumkanäle vom Typ NaV1.8 und schaltet so Schmerzen zuverlässig aus, ohne eine zentrale Wirkung zu besitzen. Somit ist es eine Alternative zu Opioiden.
Erst in den letzten Jahren fanden Forschende mit neuesten Technologien immer Genaueres über die verschiedenen Natriumkanäle heraus. Suzetrigin ist möglicherweise erst der Anfang einer Reihe selektiver Natriumkanalblocker, die dann zum Beispiel bei Epilepsie helfen können.
Quelle: Pharmazeutische Zeitung












