Stachelrochen schwimmt im Meer© DurdenImages / iStock / Getty Images Plus
Der Stachelrochens hat an seinem langen Schwanz einen giftigen Stachel mit Widerhaken.

Neue Arzneistoffe

TIERGIFTE ALS WERTVOLLE QUELLE NUTZEN

Tiere setzen ihr Gift zur Verteidigung gegen potenzielle Feinde ein. Für den Menschen wiederum können diese Stoffe als Medikament hilfreich sein. Ihre Wirkweise ist allerdings bislang weitestgehend unbekannt. Ein neuer Ansatz zur Wirkstoff-Forschung soll nun Licht ins Dunkel bringen.

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Tierische Giftstoffe können beispielsweise als Gerinnungshemmer, Schmerzmittel oder auch Blutdrucksenker wirken. Vor allem ihre außerordentliche Wirkungsweise auf den Organismus und ihre komplexe Zusammensetzung sind interessant. Bislang ist die Wirkweise jedoch weitgehend unbekannt. 

Forscher, unter anderem vom LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG), entwickelten nun einen neuen Ansatz, um eine genaue Aussage darüber treffen zu können, wie Gifte biologische Systeme beeinflussen.
 

Idee der Netzwerkpharmakologie

Für ihre Untersuchungen nutzten die Forscher die Idee der sogenannten Netzwerkpharmakologie. Die Zusammenführung unterschiedlicher Analysemethoden ermöglichen somit eine ganzheitliche Interpretation biologischer Reaktionen auf bestimmte Moleküle. In ihrer Studie verknüpften die Wissenschaftler die Ergebnisse der Genom-Analyse eines Tiergifts mit physiologischen Daten. Mit dieser Vorgehensweise wollten die Forscher erstmals eine Prognose über den Wirkungsmechanismus der Giftkomponenten und den zeitlichen Ablauf der Vergiftung geben können. Zum Einsatz kamen hier zwei Hochdurchsatz-Technologien, die in einem Netzwerk verbunden waren. 
 

Untersuchungen an Stachelrochen

Bei den Untersuchungen stand für die Forscher das Gift des Stachelrochens im Fokus. Der Stachelrochen kann bis zu neun Meter lang und sieben Meter breit werden. Bei fast allen Arten befindet sich am langen Schwanz ein giftiger Stachel mit Widerhaken. Mit diesem können sie sich gegen Feinde verteidigen. Beim Menschen führt das Gift unter anderem zu Schmerzen und Herz-Kreislauf-Beschwerden. In der Regel verläuft eine Verletzung durch den Stachelrochen aber nicht tödlich, es sei denn, es entsteht eine bakterielle Infektion bei der Wunde. Dann könnte der Verlauf auch anders enden.

„Für unsere Studie haben wir das giftige Stachelgewebe von zwei Süßwasser- und drei Salzwasserarten untersucht“, erklärt die Erstautorin der Studie, Kim Kirchhoff vom Fachgebiet Tierökologie und Spezielle Zoologie der Justus-Liebig-Universität Gießen. „Mit ihrer geringen und stark verunreinigten Giftmenge, die zudem schwer zu gewinnen ist, bilden sie für uns ein optimales Studienobjekt. Denn zahlreiche Tiergifte, die aus pharmakologischer Sicht sehr vielversprechend sind, wurden aus diesen Gründen bisher von der Forschung vernachlässigt, und ihr mögliches Potenzial liegt brach.“
 

Neue Perspektiven

Eine solche Analysemethode wie die der Netzwerkpharmakologie ermöglicht es, die Ergebnisse nicht nur auf alle 218 Arten des Stachelrochens zu übertragen, sondern auch auf  alle anderen bekannten Giftfische, von denen weltweit mehr als 2900 Arten existieren.

„Der Ansatz der Netzwerkpharmakologie eröffnet neue Perspektiven, je nachdem, welche Technologien und Datenbanken für die Datenerhebung eingesetzt werden. Für uns bietet er eine aussichtsreiche Methode, der schwierig zu analysierenden Wirkung von Tiergiften auf die Spur zu kommen. Wir sehen hier zahlreiche Einsatzfelder, denn neue Studien zeigen, dass Krankheiten häufig nur durch sogenannte Medikamentencocktails – also eine Kombination verschiedener Wirkstoffe – gut behandelt werden können“, so Studienleiter Professor Dr. Andreas Vilcinskas vom LOEWE- Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik, der Justus-Liebig- Universität Gießen und Leiter des Institutsteils Bioressourcen am Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME in Gießen.

Es sollen weitere Untersuchungen folgen. Dann soll darum gehen, die im Stachelrochengift identifizierten Proteine nun künstlich herzustellen. Dadurch besteht die Möglichkeit, die Wirkungsweise vom Giftrezeptor bis zu den Reaktionen im Organismus genau unter die Lupe zu nehmen.

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
 

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