Ist Alleinsein schon Einsamkeit?
TIPPS GEGEN EINSAMKEIT: SO LÄSST SICH SOZIALE ISOLATION DURCHBRECHEN
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Es ist ein schmerzhaftes Gefühl, das jeder kennt: Dass ich anderen Menschen wohl nicht wichtig bin, dass ich niemanden habe, der weiß, wie es wirklich in mir aussieht.
Zwar gibt es auch Momente, in denen Alleinsein genießen wohltuend ist. Einige Menschen empfinden es sogar als bereichernd, weil es ihnen Raum für Kreativität und Selbstreflexion bietet. Doch wenn sich die Zeit allein nicht mehr frei gewählt anfühlt, sondern schmerzhaft wird, spricht man von Einsamkeit.
Wann wird Einsamkeit problematisch?
„Jeder fühlt sich irgendwann mal einsam, das ist völlig normal“, sagt Psychologie-Professorin Susanne Bücker von der Universität Witten/Herdecke. Problematisch wird es, wenn Einsamkeit lange anhält und Betroffene keinen Weg mehr herausfinden. Dann kann sie die psychische und körperliche Gesundheit gefährden. Umso wichtiger ist es, rechtzeitig zu handeln, um Einsamkeit zu überwinden.
Das Gefühl von Einsamkeit erkennen – was Alleinsein unterscheidet
In der Psychologie wird Einsamkeit als subjektives Gefühl verstanden. Sie beschreibt die Lücke zwischen den sozialen Beziehungen, die man sich wünscht, und denen, die tatsächlich bestehen.
Nicht die Anzahl der Kontakte ist entscheidend, sondern deren Qualität.
Sozialpädagogin Salome Möhrer-Nolte von der Telefonseelsorge Deutschland beschreibt, wie spürbar diese Lücke ist: „Einsamkeit tut weh.“
Besonders tückisch: Aus Angst vor Zurückweisung ziehen sich viele Menschen noch weiter zurück – ein Teufelskreis entsteht, der es erschwert, soziale Isolation zu durchbrechen.
Gefühle von innerer Leere, Traurigkeit und Rückzug sind typische Anzeichen. Oft ähneln sie sogar depressiven Symptomen.
Wie soziale Isolation entsteht – und wer besonders gefährdet ist
Die Gründe für soziale Isolation und das Gefühl von Einsamkeit sind vielfältig. Trennungen, der Tod nahestehender Menschen oder fehlende soziale Bindungen über längere Zeiträume gehören dazu. Manche Menschen berichten, dass sie sich bereits ihr Leben lang einsam fühlen.
Auch die Persönlichkeit spielt eine Rolle. Ängstliche oder schüchterne Menschen neigen eher dazu, Einsamkeit intensiver zu erleben. „Das heißt nicht automatisch, dass diese Personen immer einsam sind“, betont Bücker. „Aber es erhöht die Wahrscheinlichkeit, vor allem in belastenden Lebenssituationen.“
Wer Wege findet, soziale Isolation zu durchbrechen, kann besser mit belastenden Phasen umgehen.
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Einsamkeit überwinden – trotz Tabu und innerem Rückzug
Trotz ihrer Verbreitung bleibt Einsamkeit oft unausgesprochen – auch, weil viele sich selbst die Schuld geben: „Man hat den Eindruck, man sei es nicht wert, dass andere mit mir Zeit verbringen“, sagt Bücker. Auch Möhrer-Nolte beobachtet: „Keiner sagt gerne: ‚Ich bin einsam.‘ Es schwingt oft die Angst mit, nicht liebenswert genug zu sein.“
Gerade deshalb ist es so wichtig, sich das Gefühl von Einsamkeit einzugestehen. „Allein das Zuhören hilft schon vielen weiter“, berichtet Salome Möhrer-Nolte. Für manche ist es der erste Schritt, um Einsamkeit zu überwinden und wieder Anschluss zu finden.
Anonyme Anlaufstellen wie die Telefonseelsorge bieten einen niedrigschwelligen Zugang.
Tipp 1 – Alte Kontakte reaktivieren!
„Grundsätzlich ist es viel leichter, alte Kontakte zu reaktivieren als neue zu knüpfen“, sagt Susanne Bücker. Ein einfacher, aber wirkungsvoller Schritt, um soziale Isolation zu durchbrechen und Einsamkeit zu überwinden: im Handy nachsehen, wer lange nicht kontaktiert wurde – und einfach schreiben.
„Die meisten Menschen finden das gut! Die Gefahr, zurückgewiesen zu werden, ist sehr viel kleiner, als viele meinen.“
Tipp 2 – Gemeinsamkeiten erkennen gegen Einsamkeit
Ein zweiter Tipp: Beim Spaziergang durch die Stadt bewusst auf Gemeinsamkeiten mit anderen achten – ähnlicher Kleidungsstil, gleiche Schuhe oder dieselbe Kuchensorte im Café. Diese Strategie hilft, laut Bücker, das Gefühl von Einsamkeit abzubauen, indem sie Verbindungen sichtbar macht:
„Wenn ich sehe, da ist mir jemand ähnlich, erzeugt das ein Gefühl von Sympathie.“
Tipp 3 – Alleinsein genießen und das Positive sehen
Auch im Alleinsein kann eine Kraft liegen: Wer lernt, Alleinsein zu genießen, kann neue Perspektiven entwickeln.
Eine Übung: Ein paar trockene Erbsen in die rechte Hosentasche stecken und jedes Mal, wenn man etwas Schönes wahrnimmt, eine davon in die linke Tasche legen. Davon wird sichtbar, wie viel Positives der Tag enthält.
Ein weiterer Tipp: Anderen bewusst etwas Gutes tun. Laut Bücker, stärke dies nicht nur das Selbstwertgefühl, sondern könne helfen, Einsamkeit zu überwinden.
„Die Forschung zeigt, dass durch sogenannte ‚acts of kindness‘ das eigene Wohlbefinden und Zugehörigkeitsgefühl gesteigert werden.“
Professionelle Hilfe bei sozialer Isolation
Wer dauerhaft unter sozialer Isolation leidet und das Gefühl hat, nicht mehr herauszufinden, sollte professionelle Hilfe suchen. Dieser Schritt ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein aktiver Weg, um Einsamkeit zu überwinden und wieder Teil der Gesellschaft zu werden.
Erste Anlaufstellen sind etwa Telefon- oder Chat-Seelsorge, der Hausarzt oder eine psychotherapeutische Praxis.
Quelle: dpa