Eine Frau läuft allein einen Sandweg entlang.
Einsamkeit ist ein gesellschaftliches Problem, das während der Corona-Pandemie noch größer geworden ist. © Shootdiem / iStock / Getty Images Plus

Alleinsein | Hirnforschung

EINSAMKEIT HINTERLÄSST IHRE SPUREN IM GEHIRN

Dem Menschen als geselligem Wesen tut Alleinsein nicht gut. Eine neuronale Studie zeigt, dass Gefühle der sozialen Isolation bestimmte Spuren im Gehirn der Betroffenen hinterlassen können.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Durch die soziale Distanzierung im Rahmen der Corona-Pandemie hat sich nun das gesellschaftliche Problem der Einsamkeit deutlich verstärkt. Durch Einsamkeit ausgelöster Stress sowie andere psychische Effekte bedrohen die körperliche und geistige Gesundheit von Menschen. Außerdem zeigen Studien, dass Einsamkeit das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer erhöht.

Wissenschaftler um Nathan Spreng von der McGill University in Montreal haben untersucht, was Einsamkeit im Gehirn auslöst, um so aufzuzeigen, wie man neurologischen Erkrankungen vorbeugen und sie behandeln kann.

Sie werteten dazu eine Datenbank aus, die Informationen über Merkmale des Gehirns sowie psychologische Selbsteinschätzungen von 40 000 Erwachsenen mittleren und höheren Alter umfasst. Auf die Frage „Fühlen Sie sich oft einsam?“ antworteten 13,1 Prozent der Teilnehmer mit Ja. Deren Hirnscans verglichen die Forscher daraufhin mit den neuronalen Merkmalen derjenigen Personen, die sich nicht als einsam bezeichnet hatten.

Die Auswertungen zeigen: Einsamkeit spiegelt sich in neuronalen Merkmalen wider, die mit dem Ruhezustandsnetzwerk (Default Network) zu tun haben.

Beim Default Network handelt es sich um eine Gruppe von Hirnregionen, die an Gedankenprozessen wie Erinnerungen, Zukunftsplanung, Vorstellungskraft und Gedanken über andere beteiligt sind.

Bei einsamen Menschen sind Teile des Ruhezustandsnetzwerks besonders intensiv „verdrahtet“. Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass das Volumen der grauen Substanz in den beteiligten Hirnregionen im Vergleich zur Kontrollgruppe erhöht ist. Ebenso zeigen sich bei den einsamen Menschen strukturelle Besonderheiten der sogenannten Fornix – einem Bündel von Nervenfasern, das Signale vom Hippocampus zum Ruhezustandsnetzwerk leitet.

Woran liegt das?
Dass die Struktur und Funktion des Ruhezustandsnetzwerks vergleichsweise stark ausgebildet ist, könnte laut dem Forschungsteam daran liegen, dass einsame Menschen besonders intensiv ihre Vorstellungskraft nutzen. Zum Beispiel, um in Erinnerungen zu schwelgen oder hoffnungsvolle Gedanken zu entwickeln. „Wir wissen, dass diese kognitiven Fähigkeiten durch die am Ruhezustandsnetzwerk beteiligten Hirnregionen vermittelt werden. Der erhöhte Fokus auf Selbstreflexion und möglicherweise imaginierte soziale Erfahrungen involviert somit vermutlich natürlicherweise die Funktionen dieses speziellen Netzwerks“, sagt Studienleiter Spreng.

Die Forscher wollen weitere Einblicke in die Zusammenhänge gewinnen. Dafür seien jedoch weitere Untersuchungen nötig. „Wir beginnen gerade erst, die Auswirkungen von Einsamkeit auf das Gehirn zu verstehen. Co-Autor Danilo Bzdok von der McGill University ergänzt: „Die Erweiterung unseres Wissens in diesem Bereich könnte uns auch dabei helfen, die Dringlichkeit der Verringerung der Einsamkeit in der heutigen Gesellschaft zu verdeutlichen.“

Sabrina Peeters,
Redaktionsvolontärin

Quelle: wissenschaft.de

×