Galenische Ăbungen
HILFSSTOFFE MIT FUNKTION: VISKOSITĂTSERHĂHER, GELBILDNER, PH-KORRIGENZIEN, PUFFER
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In Teil 1 dieser Artikelserie zu Hilfsstoffen ging es um Lösungsvermittler, Konservierungsmittel und Antioxidanzien. Teil 3 wird mit Feuchthaltemitteln, SĂŒĂungsmitteln und Aromastoffen schlieĂen.
Hier und heute widmen wir uns weiteren zentralen Gruppen von Hilfsstoffen, die die physikalische und chemische Beschaffenheit von Rezepturen maĂgeblich beeinflussen: ViskositĂ€tserhöher, Gelbildner, pH-Korrigenzien und Puffersysteme. All diese Hilfsstoffe sorgen dafĂŒr, dass eine Rezepturzubereitung im Gleichgewicht bleibt â sei es durch standfeste Konsistenz, angenehme Applikation oder chemische StabilitĂ€t.
ViskositĂ€tserhöher â Hilfsstoffe fĂŒr mehr Standfestigkeit
Ob in Suspensionen, Emulsionen, Augentropfen oder Gelen: ViskositĂ€tserhöher spielen eine zentrale Rolle bei der Stabilisierung wĂ€ssriger Zubereitungen. Diese Hilfsstoffe unterstĂŒtzen dabei, das Sedimentationsverhalten von Wirkstoffen zu kontrollieren, die Haftung an SchleimhĂ€uten zu verbessern und die Anwendung fĂŒr die Kund*innen angenehmer zu gestalten.
Ein typisches Beispiel fĂŒr den Einsatz von ViskositĂ€tserhöhern sind Augentropfen. Die TrĂ€nenflĂŒssigkeit ist viskoser als Wasser â aus gutem Grund: Sie soll das Auge lange benetzen, langsam abflieĂen und durch einen Lipidfilm vor Verdunstung geschĂŒtzt sein. Um das mit Arzneiformen zu imitieren, nutzt man gezielt ViskositĂ€tserhöher wie zum Beispiel:
- Cellulose-Derivate
- HyaluronsÀure
- Polyvinylpyrrolidon (PVP)
Diese Hilfsstoffe mĂŒssen reizfrei, klar löslich und physiologisch unbedenklich sein â und dĂŒrfen die feinen TrĂ€nenkanĂ€le nicht verstopfen. Viele dieser zugesetzten Hilfsstoffe erzeugen ein quasiviskoses FlieĂverhalten: Beim Lidschlag wird die FlĂŒssigkeit dĂŒnnflĂŒssiger, im Ruhezustand (bei geschlossenem Auge) wieder dickflĂŒssiger â optimal fĂŒr die lokale Wirkung.
Auch in Suspensionen helfen ViskositĂ€tserhöher, die Wirkstoffverteilung zu stabilisieren. Sie bremsen die Sedimentation, verhindern, dass die Zubereitung sich entmischt, und verbessern die Dosiergenauigkeit. Wichtig ist die richtige Wahl der Hilfsstoffe â unter BerĂŒcksichtigung von pH-Wert, IonenstĂ€rke, Applikationsart und möglicher InkompatibilitĂ€ten. Typische Vertreter der ViskositĂ€tserhöher bei Suspensionen sind:
- Arabisches Gummi
- Bentonit
- Hydroxyethylcellulose
- Tragant
Dabei ist das richtige Handling der Hilfsstoffe entscheidend: Manche ViskositĂ€tserhöher werden aufgestreut, andere mĂŒssen zuvor mit Glycerol oder Propylenglycol angerieben werden, um KlĂŒmpchen zu vermeiden.
In Emulsionen leisten ViskositĂ€tserhöher ebenfalls wertvolle Dienste. Die Hilfsstoffe verbessern die physikalische StabilitĂ€t, indem sie die Bewegung der Ăltröpfchen in der wĂ€ssrigen Phase verlangsamen. So wird das Entmischen der Phasen (z. B. durch Aufrahmen oder Sedimentation) effektiv reduziert.
Gleichzeitig verbessern ViskositĂ€tserhöher das Auftragsverhalten: Die Emulsion bleibt an Ort und Stelle, lĂ€sst sich gut verstreichen und vermittelt ein angenehmes HautgefĂŒhl. Besonders in O/W-Emulsionen (Ăl-in-Wasser) erhöhen ViskositĂ€tserhöher die physikalische StabilitĂ€t. Die Hilfsstoffe verbessern die Verteilbarkeit auf der Haut. In W/O-Emulsionen (Wasser-in-Ăl) hingegen tragen sie vor allem zur inneren ViskositĂ€t bei und beeinflussen so das FlieĂverhalten. Typische Vertreter in Emulsionen sind:
- Xanthan: Gut vertrĂ€glich, auch fĂŒr sensitive Haut geeignet
- Carbomere: Hohe ViskositÀt schon bei niedriger Einsatzkonzentration
- Glycerolmonostearat: Konsistenzgeber mit emulgierender Wirkung
Die Kombination aus Emulgator und ViskositĂ€tserhöher entscheidet maĂgeblich ĂŒber die StabilitĂ€t und Anwendungsfreundlichkeit der fertigen Emulsion â ein echtes Zusammenspiel galenischer Hilfsstoffe.
Mehr aus der Serie âGalenische Ăbungenâ:
Wenn ViskositÀtserhöher zu Gelbildnern werden
Ob ein Hilfsstoff ein ViskositĂ€tserhöher oder eher ein Gelbildner ist, hat vor allem mit der galenischen Grundlage zu tun. Viele Substanzen, die in niedriger Konzentration fĂŒr mehr ZĂ€higkeit sorgen, können bei höherem Einsatz stabile Gele bilden. Diese halbfesten Arzneiformen wirken leicht kĂŒhlend und angenehm in der Anwendung. Die Gelbildner helfen dabei, Wirkstoffe lokal zu fixieren â und das bei hohem Wasseranteil der Grundlage.
Gelbildner sind als Hilfsstoffe wahre Multitalente in der Rezeptur â ob fĂŒr Dermatika, Vaginalzubereitungen oder Augentropfen. FĂŒr jede Anwendung gibt es passende Gelbildner â abhĂ€ngig von Applikationsort, pH-Wert und gewĂŒnschter Konsistenz. Gele werden je nach verwendeter Grundlage und Gelbildner eingeteilt in:
- Hydrogele: wasserbasiert (z. B. mit Carbomer, Celluloseethern, Poloxamer)
- Oleogele: fettbasiert (z. B. mit Aluminiumstearat)
- Emulgele: Kombination aus Emulsion und Gel (z. B. O/W-Emulsion mit Carbomer)
Jeder Gelbildner verlangt eigene Verarbeitungstechniken. WĂ€hrend manche der Hilfsstoffe direkt eingerĂŒhrt werden, brauchen andere ein vorheriges Quellen oder eine Neutralisation. Fehler bei der Verarbeitung fĂŒhren zu KlĂŒmpchenbildung oder instabilen Gelen â also lieber langsam, sorgfĂ€ltig und mit viel RĂŒhren arbeiten.
Typische Gelbildner als Hilfsstoffe im Ăberblick
- Carbomer: Hohe ViskositĂ€t bei niedriger Konzentration. pH-abhĂ€ngig â quillt erst in neutraler oder leicht basischer Grundlage, der zu diesem Zweck z. B. NaOH- Lösung oder Trometamol zugegeben wird.
- Hydroxyethylcellulose: Weich und stabil, unkompliziert in der Anwendung â quillt einfach in Wasser. Wird aufgestreut oder angerieben, keine Neutralisation nötig.
- Aluminiumstearat: FĂŒr Oleogele auf Fettbasis
pH-Korrigenzien â wenn man auf korrekte Werte setzen muss
Nicht nur die Konsistenz, auch die Chemie zĂ€hlt: Der pH-Wert einer Zubereitung beeinflusst StabilitĂ€t, VertrĂ€glichkeit und Wirksamkeit. Ist er nicht passend, können Wirkstoffe zerfallen oder die Haut der Kund*innen reizen. Hier kommen pH-Korrigenzien ins Spiel â Hilfsstoffe zur gezielten Einstellung des sauren oder basischen Charakters.
Bei der Auswahl gilt: Die Applikationsform gibt die Richtung vor. So ist etwa Natriumtetraborat-Decahydrat nur fĂŒr Augentropfen geeignet. Zudem sind der pKa-Wert, die AziditĂ€t und die gewĂŒnschte PufferkapazitĂ€t zu berĂŒcksichtigen. In der Regel kommen Stammlösungen als Hilfsstoffe zum Einsatz, um prĂ€ziser dosieren zu können.
Einige pH-Korrigenzien wirken auch als Puffersubstanzen â mit dem Vorteil stabiler Werte, aber auch dem Risiko einer zu starken Beeinflussung körpereigener Systeme. Besonders bei sensiblen Anwendungen, etwa am Auge, kann das problematisch sein. Daher: Nicht jeder Zusatz von pH-Korrigenzien ist gleich ein Vorteil.
Viele Wirkstoffe und Hilfsstoffe sind selbst pH-aktiv. Das macht die Einstellung des Zielwertes oft unvorhersehbar â eine InprozessprĂŒfung (idealerweise mit pH-Meter) ist daher empfehlenswert. Besonders bei Emulsionen und Cremes reicht pH-Papier hĂ€ufig nicht aus. Hier ist es sinnvoll, je nach Konsistenz der Grundlage diese zuvor im VerhĂ€ltnis 1:10 mit destilliertem Wasser zu vermischen, bevor der pH-Wert gemessen wird.
Typische pH-Korrigenzien als Hilfsstoffe sind:
- SalzsÀure (1 %): stark sauer, geringe PufferkapazitÀt
- PhosphorsĂ€ure: FĂŒr Externa und saure Lösungen
- CitronensĂ€ure + Natriumcitrat: Citratpuffer fĂŒr Glucocorticoide
- MilchsĂ€ure + Natriumlactat: FĂŒr leicht saure Cremes
- Natriumhydroxid: Zur Neutralisation starker SĂ€uren
- Trometamol (TRIS): Basischer Puffer, auch fĂŒr Augentropfen geeignet
Wer den pH nĂ€herungsweise berechnen möchte, kann sich mit den Formeln auf Basis von pKa und Konzentration behelfen â doch am Ende zĂ€hlt die Messung im Herstellungsprozess.
Puffersysteme â Feinjustierung fĂŒr stabile pH-Werte
Wenn der pH-Wert nicht nur eingestellt, sondern langfristig stabil gehalten werden soll, braucht es Puffersysteme als Hilfsstoffe. Sie fangen zusĂ€tzlich eingetragene Hâș- oder OHâ»-Ionen ab â zum Beispiel bei lĂ€ngerer Lagerung, Hautkontakt oder Temperaturschwankungen.
Puffersysteme sind immer dann gefragt, wenn es um wĂ€ssrige Rezepturen wie Lösungen, Emulsionen oder Gele geht. Also ĂŒberall dort, wo ein stabiler pH-Wert entscheidend fĂŒr die QualitĂ€t der Zubereitung ist.
Puffersysteme schĂŒtzen empfindliche Wirkstoffe vor hydrolytischem Abbau, wie es etwa bei Erythromycin der Fall ist. Gleichzeitig helfen diese Hilfsstoffe, das Ausfallen schwer löslicher Substanzen zu verhindern, etwa bei Clioquinol. Nicht zuletzt tragen sie zur VertrĂ€glichkeit auf Haut und SchleimhĂ€uten bei, indem sie extreme pH-Bereiche vermeiden und damit Irritationen vorbeugen.
Unsere KörperflĂŒssigkeiten wie TrĂ€nen, Blut und Gewebswasser haben eigene Puffersysteme. Eine externe Pufferung ist daher nicht immer notwendig â oder sogar kontraproduktiv. Vor allem bei Augentropfen kann ein fremder Puffer den natĂŒrlichen Ausgleich stören und zu Irritationen fĂŒhren. Also: in der Rezeptur nur puffern, wenn es diese Hilfsstoffe wirklich nötig sind.
Puffersysteme bestehen meist aus einer Kombination einer schwachen SĂ€ure mit dem Salz dieser SĂ€ure â ein chemisches Gleichgewicht, das den pH-Wert stabil hĂ€lt â zum Beispiel EssigsĂ€ure mit Natriumacetat.
GĂ€ngige Puffersysteme als Hilfsstoffe:
- Citratpuffer: CitronensÀure + Natriumcitrat, z. B. bei Corticoid-Rezepturen (NRF 11.37)
- Lactatpuffer: MilchsÀure + Natriumlactat, z. B. bei Vaginalgelen (NRF 25.3)
- Acetatpuffer: EssigsÀure + Natriumacetat, vielseitig einsetzbar
- Phosphatpuffer: NaHâPOâ + NaâHPOâ â fĂŒr basische Anwendungen
- Phosphat-Citrat-Puffer: z. B. bei Metronidazol-Zubereitungen
Als Faustregel gilt: Etwa fĂŒnf Prozent Pufferlösung bezogen auf die Gesamtmasse reichen fĂŒr eine dreimonatige StabilitĂ€t.
Etwa fĂŒnf Prozent Pufferlösung bezogen auf die Gesamtmasse reichen fĂŒr eine dreimonatige StabilitĂ€t.
Wenn Sie ein Puffersystem als Hilfsstoff auf Vorrat herstellen, dann konservieren Sie es mit 20 Prozent Propylenglycol und verwenden es innerhalb von drei Monaten. Wichtig: Erstellen Sie ein Defekturprotokoll mit allen verwendeten Chargen und vergeben Sie eine eigene Charge fĂŒr Ihr hergestelltes Puffersystem â so bleiben Sie dokumentationssicher.
In der Rezeptur hÀngt alles eng zusammen
ViskositĂ€tserhöher, Gelbildner, pH-Korrigenzien und Puffersysteme â diese Hilfsstoffe wirken nicht isoliert, sondern greifen wie ZahnrĂ€der ineinander. Wer in der Rezeptur arbeitet, sollte daher immer das gesamte galenische GefĂŒge im Blick behalten. Oft ist es gerade das Zusammenspiel der Hilfsstoffe, das ĂŒber Konsistenz, StabilitĂ€t und letztlich auch ĂŒber die Wirksamkeit der Zubereitung entscheidet.
Quellen:
Iris Cutt: âWurm: Galenische Ăbungenâ, Govi, 20. ĂŒberarbeitete Auflage 2019.
https://www.dac-nrf.de/
Claudia Peuke, Martina Dreeke-Ehrlich: âRezeptur fĂŒr die Kitteltasche: Leitlinien fĂŒr die Herstellungâ, Deutscher Apotheker Verlag, 4. Auflage 2013.
Andreas S. Ziegler: âPlausibilitĂ€ts-Check Rezeptur gemÀà § 7 ApBetrOâ, Deutscher Apotheker Verlag, 5., ĂŒberarbeitete und erweiterte Auflage 2019.












