Tipps zu Ethanol-Wasser-Gemischen, Kolloiden & Co.
LÖSUNGEN IN DER REZEPTUR HERSTELLEN
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Was sind pharmazeutische Lösungen genau? In der Pharmazie bezeichnet man als Lösung eine homogene Mischung, in der ein oder mehrere Wirkstoffe (gelöste Substanzen) vollständig in einem Lösungsmittel (meist Wasser, Alkohol oder andere geeignete Flüssigkeiten) aufgelöst sind.
Die gelösten Stoffe sind auf molekularer Ebene verteilt und nicht mehr als einzelne Partikel sichtbar.
Eine Frage der Definition
Hier sind einige Definitionen, die beim Herstellen von Lösungen wichtig sind:
- Lösung: Eine Lösung ist ein Arzneimittel, bei dem der Wirkstoff vollständig im Lösungsmittel gelöst ist. Hergestellt wird eine einphasige, klare und homogene Lösung, in der keine festen Teilchen mehr vorhanden sind.
- Homogenität: Die Bestandteile sind auf molekularer Ebene gleichmäßig verteilt, sodass die Lösung überall die gleiche Zusammensetzung aufweist.
- Anwendungsbereiche: Lösungen werden häufig zur oralen, parenteralen, topischen oder ophthalmischen Anwendung hergestellt, da sie eine schnelle und gleichmäßige Wirkstofffreisetzung ermöglichen.
Vorteile der Arzneiform: Warum eine Lösung herstellen?
Lösungen ermöglichen eine genaue Dosierug des Wirkstoffs, da der Wirkstoff gleichmäßig verteilt ist. Da keine Auflösung mehr im Körper erfolgen muss, kann der Wirkstoff schnell aufgenommen werden
Innere und äußere Phase
Die innere Phase (dispergierte Phase) einer Lösung kann nach dem Herstellen gasförmig, flüssig oder fest sein. Beispielsweise entsteht aus gasförmigem Ammoniak und Wasser Salmiakgeist. Flüssigkeiten wie Ethanol sind in Wasser zu einem Ethanol-Wasser-Gemisch verarbeitbar. Feststoffe wie beispielsweise Salze oder Chloride variieren in ihrer Löslichkeit erheblich.
Die äußere Phase (Lösungsmittel) ist üblicherweise Wasser, ein fettes Öl oder ein Alkohol. Gereinigtes Wasser (Aqua purificata) ist Standard, sofern nichts anderes vorgeschrieben ist. Sind beide Phasen vor dem Herstellen flüssig, nennt man die Lösung auch Mischung (Beispiel: Ethanol-Wasser-Gemische).
Hier mehr über Hartkapsel-Herstellung erfahren:
Löslichkeit und Lösungsgeschwindigkeit
Die Löslichkeit gibt die maximale Konzentration eines Stoffes in einem Lösungsmittel an und ist temperaturabhängig. Polare Stoffe lösen sich gut in polaren Lösungsmitteln wie Wasser, unpolare Stoffe hingegen in unpolaren Lösungsmitteln wie Ölen.
Die Lösungsgeschwindigkeit beschreibt, wie schnell sich ein Stoff im Lösungsmittel verteilt. Dies wird durch Zerkleinerung, Rühren und Temperatur beeinflusst. Für das Herstellen einer perfekten Lösung ist die Kenntnis der Löslichkeiten aller festen Bestandteile im entsprechenden Lösungsmittel essenziell.
Verbesserung der Löslichkeit
Schlechte Löslichkeit kann durch Lösungsvermittler wie hydrotrope Verbindungen (z. B. Ethanol, Glycerol) und Solubilisatoren (z. B. Polysorbate) verbessert werden. Sie machen Wirkstoffe besser löslich, indem sie Mizellen bilden. Komplexbildner wie Citronensäure helfen ebenfalls bei schwer löslichen Substanzen.
Auch kann statt der verordneten Substanz ihr Salz verwendet werden, wenn dieses sich besser löst, allerdings muss die entsprechende Masse des Salzes über die relative Molekülmasse errechnet werden, um die Dosierung des Wirkstoffs nicht zu verändern.
Wichtige Schritte beim Herstellen einer Lösung
Gefäße zum Herstellen einer Lösung sind zum Beispiel Löffel, Uhrglas, Becherglas mit Glasstab, eventuell Magnetrührstäbchen und Heizplatte. Das Becherglas sollte im Idealfall etwa das Doppelte des Endvolumens der Rezeptur fassen können. Dadurch ist ausreichend Platz für das Rühren, Dispergieren oder Erwärmen gegeben, ohne dass es zu einem Überlaufen oder Verschütten kommt. Auch Schaumbildung, wie sie bei bestimmten Gelbildnern auftreten kann, und eine möglicherweise unvollständige Lösung des Wirkstoffs lässt sich so besser beim Herstellen kontrollieren.
Dann geht es los: den Wirkstoff im Lösungsmittel lösen, gegebenenfalls mit Rühren oder Wärme. Feste Bestandteile werden in der Reihenfolge zunehmender Mengen abgewogen und schwerlösliche Wirkstoffe dabei immer auf die Flüssigkeitsoberfläche gestreut, um ein Festkleben am Glasboden zu vermeiden.
Wenn sowohl hydrophile als auch lipophile Bestandteile eingearbeitet werden sollen, ist immer ein separates Lösen sinnvoll. Danach wird bei Wasser-Ethanol-Gemischen die alkoholische Lösung der wässrigen Lösung zugesetzt.
Nach dem Herstellen folgt, wenn nötig, die Filtration der Lösung: Eventuelle Partikel werden durch Filtration durch einen Papierfilter entfernt.
Der letzte Schritt ist die Abfüllung und Kennzeichnung. Wichtig ist eine klare Beschriftung mit Konzentration und Haltbarkeit.
Besondere Lösungen und Stammlösungen
- Augentropfen und Injektionslösungen erfordern Sterilität beim Herstellen.
- Ethanolhaltige Lösungen müssen gemäß Besonderheitenliste des BfArM besonders gekennzeichnet werden: „Enthält x mg Alkohol (Ethanol) pro Dosiereinheit/Dosiervolumen entsprechend x mg/Gewicht bzw. Volumen (y % w/w bzw. v).“
- Stammlösungen ermöglichen genaue Dosierungen von kleinen Mengen an Wirkstoffen (≤ 50 mg).
Ethanol-Wasser-Gemische
Beim Herstellen von Ethanol-Wasser-Gemischen in der Apotheke sind sowohl physikalisch-chemische Eigenschaften der Lösung als auch praktische Aspekte zu beachten. Ethanol und Wasser bilden keine idealen Gemische: Durch Wasserstoffbrücken und Clusterstrukturen entsteht ein sogenanntes Exzessvolumen – das Volumen der Mischung ist geringer als die Summe der Einzelvolumina. Das wird üblicherweise auch “Volumenkontraktion” genannt.
Daher erfolgt das Herstellen von Ethanol-Wasser-Gemischen nicht durch einfaches Aufsummieren der Volumina, sondern durch exaktes Abwiegen und Auffüllen auf das gewünschte Endgewicht oder Endvolumen an Lösung.
Zudem verändern sich mit steigendem Ethanolanteil in einem Wasser-Ethanol-Gemisch Eigenschaften wie Dichte, Oberflächenspannung und Löslichkeit pharmazeutischer Wirkstoffe. Die Auswahl des Mischungsverhältnisses richtet sich daher auch nach der Kompatibilität mit den übrigen Rezepturbestandteilen.
Für das korrekte Herstellen solcher Lösungen bieten DAC/NRF-Tabellen verlässliche Angaben, zum Beispiel zum Herstellen von 100 Gramm Ethanol 70 % (V/V) aus 66,5 Gramm Ethanol 96 % (V/V) und 33,5 Grammgereinigtem Wasser. Wird eine andere Menge benötigt, kann eine Formel auf Massenprozentbasis genutzt werden.
Tipp: Einfacher wird es mit den Tools des DAC/NRF, wo man die benötigte Endkonzentration des Wasser-Ethanol-Gemisches einfach eingeben kann.
Sonderform der Lösung: Kolloide herstellen
Kolloidale Lösungen sind disperse Systeme, die eine Zwischenstellung zwischen molekulardispersen Lösungen und grobdispersen Suspensionen einnehmen. Sie bestehen aus einer inneren Phase (Kolloiden), deren Teilchengröße zwischen einem Nanometer und einem Mikrometer liegt, verteilt in einem Dispersionsmittel (äußere Phase).
Diese kolloidalen Teilchen sind so klein, dass sie unter einem normalen Lichtmikroskop nicht sichtbar sind, jedoch groß genug, um den sogenannten Tyndall-Effekt zu erzeugen. Die Lösung erscheint nach dem Herstellen trüb, wenn sie seitlich beleuchtet wird, da die Teilchen das Licht streuen.
Kolloide lassen sich in drei Hauptgruppen einteilen:
- Molekülkolloide
- Assoziationskolloide
- Dispersionskolloide
Das Herstellen kolloidaler Lösungen erfolgt abhängig von der jeweiligen Substanz. Ein generelles Vorgehen gibt es nicht, da zum Beispiel Gelbildner unterschiedliche Quell- und Lösungsverhalten aufweisen. Gele gehören zum Beispiel zu den Kolloidalen Lösungen.
Oft werden makromolekulare Substanzen zunächst in einer Flüssigkeit angerieben, in der sie nur langsam quellen, um Klümpchenbildung zu vermeiden. Erst danach wird die eigentliche Quellflüssigkeit zugesetzt, wodurch eine homogene Dispersion gewährleistet wird. Bestimmte Gelbildner quellen erst bei Abkühlung, sodass sie zunächst in heißem Wasser dispergiert und anschließend langsam abgekühlt werden.
Wichtig ist, dass kolloidale Lösungen nach dem Herstellen nicht durch herkömmliche Papierfilter filtriert, sondern durch ein Mulltuch koliert werden, da die Teilchengröße der Kolloide diese Form der Filtration erlaubt.
Zusätzliche Hinweise für die Rezeptur
- Langsames Rühren vermeidet Schaumbildung.
- Flüchtige Substanzen zuletzt einarbeiten, um Verluste zu vermeiden.
- Farbstoffe immer am Ende zusetzen, um Klarheit der Lösung zu prüfen.
- Mikrobiell anfällige Lösungen müssen konserviert werden, beispielsweise mit Sorbinsäure oder Parabenen.
- Lösungen mit hohem Propylenglykolanteil (20 % bezogen auf die Wasserphase) oder Ethanol-Wasser-Mischungen, die mehr als 21 % (V/V) Ethanol enthalten, benötigen keine zusätzlichen Konservierungsmittel.
Quellen:
Iris Cutt: “Wurm: Galenische Übungen“, Govi, 20. überarbeitete Auflage 2019.
Claudia Peuke, Martina Dreeke-Ehrlich: „Rezeptur für die Kitteltasche: Leitlinien für die Herstellung“, Deutscher Apotheker Verlag, 4. Auflage 2013.
DAC/NRF: DAC/NRF-Werk 2024/2
Andreas S. Ziegler: „Plausibilitäts-Check Rezeptur gemäß § 7 ApBetrO“, Deutscher Apotheker Verlag, 5., überarbeitete und erweiterte Auflage 2019