Galenische Ăśbungen
HARTKAPSELN MIT BESONDEREN FĂśLLMITTELN IN DER REZEPTUR
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In den letzten beiden Teilen dieser Serie zu Galenischen Ăśbungen haben wir erfahren, wie PTA pulvergefĂĽllte Hartkapseln in der Rezeptur der Apotheke sicher herstellen und welche FĂĽllmethoden es gibt.
In diesem Beitrag dreht sich nun alles um Kapseln mit besonderen Füllmitteln – etwa lipophilen Schmelzen wie bei Dronabinol, aber auch modernen Retardformulierungen oder magensaftresistente Kapseln. Welche Rolle diese Füllmittel in der Rezeptur der Apotheke spielen und worauf bei der Verarbeitung zu achten ist, erfahren Sie hier.
Hartkapseln mit Dronabinol: lipophile Schmelze
Wenn man in der Apotheke Dronabinol verarbeitet, begegnet einem nicht nur die klassische Tropfenformulierung. Auch die Herstellung von Dronabinol- Hartkapseln nach NRF 22.7. spielt eine wichtige Rolle in der Rezeptur
Dronabinol: Indikationen
Dronabinol oder auch Tetrahydrocannabinol (THC) ist ein Cannabinoid. Es wird als Wirkstoff bei verschiedenen Beschwerden eingesetzt: zur Appetitanregung, als Antiemetikum, Muskelrelaxans bei Multipler Sklerose oder in der Schmerztherapie.
Weil Dronabinol schlecht wasserlöslich ist, erfolgt die orale Anwendung in lipophilen Zubereitungen. Für niedrig dosierte Kapseln eignet sich daher eine Fettschmelze als Füllmittel besonders gut.
Was ist in der Apotheke bei der Rezeptur zu beachten?
Im Gegensatz zu pulvergefüllten Hartkapseln kann man Dronabinol nicht mit klassischen Kapselfüllstoffen verarbeiten. Stattdessen wird der Wirkstoff in einer lipophilen Schmelze gelöst. Die Einbringung erfolgt direkt in Hartgelatinekapseln der Größe 1.
Als Füllmittel der Kapseln dient eine spezielle Grundlage aus Palmitoylascorbinsäure-haltigen gemischtkettigen Triglyceriden, die laut NRF S.44 selbst herzustellen ist. Dieses Füllmittel hat sich für Kapseln in der Rezeptur der Apotheke bewährt und bietet eine gute Stabilität bei oxidationsempfindlichen Wirkstoffen.
Das FĂĽllmittel der Kapseln herstellen
Benötigt werden für Hartkapseln mit Dronabinol:
- Gemischtkettige Triglyceride (z. B. Softisan® 378)
- Palmitoylascorbinsäure (0,05 % Anteil)
Zunächst werden die Triglyceride mit der Palmitoylascorbinsäure bei circa 85 Grad Celsius (°C) im Becherglas mit Glasstab erhitzt und gerührt, bis sich alles vollständig gelöst hat. Das Ergebnis ist eine klare, blassgelbe Schmelze, die gegen Oxidation geschützt ist. Das ist bei dem Füllmittel für Kapseln mit Dronabinol enorm wichtig, da der Wirkstoff oxidationsempfindlich ist.
Dronabinol vorbereiten und einwiegen
Der Wirkstoff kommt meist in Glasspritzen in der Rezeptur der Apotheke an. Da er im kalten Zustand schwer entnehmbar ist, wird er für etwa fünf Minuten bei 70 °C erwärmt, entweder im Trockenschrank oder mit einem Fön.
Achten Sie darauf, den Spritzenstempel vor dem Erwärmen etwas zurückzuziehen, um Platz für die Ausdehnung zu lassen, wenn das Dronabinol schmilzt.
Nach dem Erhitzen sollte die Glasspritze erst einmal kurz abkĂĽhlen. Dann wird ein zweites Becherglas mit Glasstab tariert und das flĂĽssige Dronabinol vorsichtig hineingegeben.
Cave: Ein möglicher Einwaagekorrekturfaktor und ein technischer Überschuss (min. 2 Hartkapseln) müssen berücksichtigt werden.
Der Überschuss an Wirkstoff beträgt also nicht wie bei Kapseln mit trockenem Füllmittel fünf oder zehn Prozent, sondern wird in Stückzahlen berechnet, also analog den Suppositorien.
Danach wiegt man die passende Menge der erwärmten Fettschmelze aus dem ersten Becherglas dazu. Alles wird dann homogenisiert und bei circa 70 °C flüssig gehalten.
Bitte verwenden Sie für diese Rezeptur kein Wasserbad, sondern die Heizplatte der Apotheke – die Gefahr von Verunreinigungen mit Wassertropfen ist zu groß!
Lesen Sie hier ĂĽber Rezepturen im Apothekenalltag:
Hartkapseln befĂĽllen leicht gemacht
Die Unterteile der Hartkapseln der Größe 1 fassen circa 0,485 Milliliter (ml). Befüllt werden sie mit etwa 0,430 Gramm (g) der warmen Schmelze – bei konkaver Oberfläche etwas weniger. Mithilfe einer 1-ml-Spritze mit weitlumiger Kanüle wird die Schmelze aufgezogen und in zwei Kapselunterteile eingespritzt.
Achten Sie hierbei darauf, dass die Fläche plan oder leicht nach innen gewölbt ist.
Leichter geht es, wenn Sie für diese Rezeptur die Kapselfüllmaschine der Apotheke verwenden, bei der die Unterteile circa fünf Millimeter (mm) aus dem Brett herausragen. Alternativ ist auch eine Kolbenhubpipette zum Einbringen von Füllmittel und Wirkstoff in die Kapseln möglich – doch Vorsicht: Die Fettschmelze kann das Gerät verstopfen.
Die Schmelze sollte beim Befüllen der Hartkapseln 35 bis 40 °C warm sein. Wenn sie erkaltet, wird sie matt. Dann muss die Schmelze wieder auf die Heizplatte gestellt werden.
Eventuell entstehende Leerräume in den Hartkapseln dürfen nicht aufgefüllt werden. Nach dem Erkalten werden die Oberteile der Kapseln aufgesetzt und mögliche Fettreste durch das Füllmittel mit einem fusselfreien Tuch entfernt.
Verpackung, Kennzeichnung und Haltbarkeit
Die fertigen Hartkapseln werden dann in ein kindergesichertes Behältnis gegeben und laut Apothekenbetriebsordnung gekennzeichnet. Wichtig: den Hinweis "Für Kinder unzugänglich aufbewahren" nicht vergessen!
Wenn das Füllmittel der Kapseln mit Palmitoylascorbinsäure hergestellt wurden, gelten sechs Monate Aufbrauchfrist. Ohne das Antioxidans sind es nur 30 Tage – dies muss auf dem Etikett der Hartkapseln angegeben werden.
Rezepturkonzentrat als Alternative
Falls verfügbar, kann man auch ein öliges Dronabinol-Rezepturkonzentrat (500 mg/ml) einsetzen. Dieses ist bei Raumtemperatur flüssig und kann direkt verarbeitet werden, was den aufwendigen Erwärmungsprozess überflüssig macht. Die Masse der Kapsel und die Dosierung des Füllmittels bleiben gleich, da der Volumenanteil des Konzentrats sehr gering ist.
Hydrophile Schmelze als FĂĽllmittel in Kapseln
Neben lipophilen Fettschmelzen können in der Rezeptur der Apotheke auch hydrophile Schmelzen wie Macrogole zur Befüllung von Hartkapseln verwendet werden. Diese Anwendung ist bislang wenig verbreitet, bietet aber in bestimmten Fällen – etwa bei der Herstellung von Folinsäure-Kapseln – eine sinnvolle Alternative.
Als hydrophile Füllmittel für Kapseln eignen sich feste Macrogole wie Macrogol 4000 oder Macrogol 1500. Macrogol 4000 weist eine Schmelztemperatur von 56 bis 60 °C und eine Dichte von etwa 1,21 g/ml auf. Da es beim Abkühlen stark kristallisiert, kann es zur Volumenkontraktion und einer unregelmäßigen Oberfläche in den Hartkapseln führen.
Macrogol 1500 hingegen hat eine niedrigere Erstarrungstemperatur (ca. 37 bis 44 °C) und ist damit für die manuelle Befüllung von Hartkapseln praktischer – etwa mit der Einmalspritze oder Kolbenhubpipette.
Da Macrogole hygroskopisch sind, kann der Wassergehalt der verwendeten Kapselhüllen die Stabilität beeinflussen. Hüllen aus Hypromellose können bei solchen Rezepturen in der Apotheke Vorteile bieten.
Die Herstellung erfolgt ähnlich wie bei lipophilen Schmelzen: Der Ansatz wird warmgehalten, gleichmäßig verrührt und diskontinuierlich befüllt. Wichtig sind eine genaue Temperaturführung und gleichmäßige Dosierung. Auch hier muss ein Ansatzüberschuss von mindestens zwei Hartkapseln eingeplant werden. Bei richtiger Durchführung ist die Dosiergenauigkeit gut reproduzierbar, auch wenn sich das Füllvolumen durch Kristallisation des Füllmittels verringert.
Verträglichkeit
Macrogole können in seltenen Fällen zu Unverträglichkeiten führen. Aufgrund der geringen Einzeldosis in Hartkapseln ist ihre abführende Wirkung jedoch klinisch meist ohne Bedeutung.
Weitere FĂĽllgĂĽter fĂĽr Hartkapseln
Nicht nur feste und halbfeste Füllmittel wie Pulver oder Fettschmelzen kommen für die Befüllung von Kapseln infrage. In der Rezeptur der Apotheke finden sich auch Füllgüter mit veränderter Wirkstofffreisetzung. Dabei wird der Wirkstoff aus den Hartkapseln nicht sofort im Magen freigesetzt, sondern gezielt im Darm oder über einen längeren Zeitraum hinweg.
So lassen sich Hartkapseln beispielsweise mit Mikropellets, Mikrokapseln oder Mikrotabletten befüllen, die als Retardzubereitungen hergestellt wurden. Diese ermöglichen eine verzögerte Freisetzung und damit eine längere Wirkdauer (Depotwirkung). Für die Homöopathie ist in der Apotheke sogar eine Befüllung mit Globuli möglich, das wird auch im DAC/NRF angegeben. Diese Art der Rezeptur ist jedoch sehr umständlich, da die Globuli von der Kapselmaschine schnell herunterrollen.
Auch magensaftresistente Hartkapseln spielen eine Rolle: Ihre Hüllen sind gegen die saure Umgebung des Magens stabil, lösen sich aber im basischen Milieu des Darms auf. Damit lassen sich säureempfindliche Wirkstoffe schützen oder reizende Substanzen gezielt magenschonend abgeben.
Die dafür geeigneten Kapselhüllen für die Rezeptur sind über den Großhandel der Apotheke erhältlich. Nach dem Befüllen werden die Hartkapseln an der Nahtstelle mit einer speziellen Siegelflüssigkeit verschlossen.
Besonderheiten, Dosiergenauigkeit und Qualitätssicherung
Geschmolzene lipophile und hydrophile Füllmassen kommen in der Apothekenpraxis bislang nur in wenigen standardisierten Fällen zum Einsatz. Besonders wichtig ist, dass der Wirkstoff dabei möglichst vollständig gelöst vorliegt – das erhöht die Dosiergenauigkeit. Selbst wenn der Wirkstoff oder das Füllmittel der Kapseln beim Abkühlen wieder teilweise kristallisiert oder erstarrt, wie bei hochdosiertem Cannabidiol, bleibt die Dosierung innerhalb der Hartkapseln stabil, sofern der Ansatz homogen war.
Die Qualitätssicherung spielt auch bei solchen Rezepturen eine zentrale Rolle. Die Einhaltung der Masseneinheitlichkeit (Ph. Eur. 2.9.40), die Temperaturführung bei der Verarbeitung (z. B. durch Infrarot-Thermometer) sowie die visuelle Kontrolle der Befüllung (plan oder konkav, nicht gewölbt) sind wichtige Inprozessprüfungen von Hartkapseln. Für die Herstellung steht im DAC/NRF eine Rechenhilfe zur Verfügung, mit der Füllmengen, Masseabweichungen und Dosierungsgenauigkeit überwacht werden können. Auch die Standardisierung der Rezeptur inklusive minimaler/maximaler Ansatzmengen tragen zur Validierung bei.
In der Rezeptur kommt es oft auf eine ruhige Hand und Präzision an. Besonders bei der Herstellung von Hartkapseln mit individuellen Dosierungen oder bei Kapseln mit besonderen Füllmitteln ist ein sicheres Vorgehen gefragt.
Die Auswahl des richtigen Füllmittels hängt dabei nicht nur von der Wirkstoffeigenschaft ab, sondern auch von der gewünschten Freisetzung und dem therapeutischen Ziel. Hartkapseln sind daher in der Rezeptur der Apotheke eine vielseitige und bewährte Darreichungsform.
Die Herstellung von Dronabinol-Hartkapseln erfordert genaues Arbeiten und ein gutes Verständnis für galenische Grundlagen. Wer sauber arbeitet, die richtigen Temperaturen im Blick behält und nach NRF-Vorschrift vorgeht, dem gelingt auch eine stabile und sichere Rezeptur.
Und das Beste: Man kann den Patient*innen mit solchen Rezepturen eine wertvolle individuelle Therapie ermöglichen, die nur die Apotheke vor Ort anbieten kann.
Quellen:
Iris Cutt: “Wurm: Galenische Übungen“, Govi, 20. überarbeitete Auflage 2019.
DAC/NRF I.9. Kapseln
DAC/NRF 22.7. Dronabinol Kapseln