Cremezubereitung in einer Glasfantaschale© enriscapes / iStock / Getty Images Plus
Lieber noch einmal genau hinsehen: Es dürfen keine Harnstoffkristalle mehr zu sehen sein.

Harnstoff

PUFFERN ODER NICHT – DAS IST DIE FRAGE

Harnstoff wird in zahlreichen Rezepturen eingesetzt, die Verarbeitung ist vergleichsweise unkompliziert. Doch muss die chemische Stabilität im Auge behalten werden. Vor allem in wässrigen Zubereitungen und in Kombination mit anderen Wirkstoffen.   

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Harnstoff kann ziemlich viel Wasser an sich binden – die chemische Verbindung CH4N2O bietet sich daher hervorragend als natürlicher Feuchthaltefaktor für Zubereitungen zur kutanen Anwendung an. Und zwar bei Haut, die trocken ist oder eine krankhaft bedingte Barrierefunktionsstörung durch beispielsweise Neurodermitis oder ein chronisches Ekzem aufweist. Üblicherweise beträgt der Zusatz dann zwischen fünf und zehn Prozent Harnstoff. Ab einer Konzentration von 40 Prozent wirkt Harnstoff keratolytisch, löst also die Hornschicht der Haut. Als Paste lässt sich diese Eigenschaft zum Beispiel bei Nagelmykosen nutzen.

Doch daneben ist Harnstoff auch ein hervorragender Hilfsstoff, denn er erhöht die Penetration anderer Wirkstoffe in die Haut. Daher wird er häufig gemeinsam mit Glucocorticoiden, Clotrimazol oder Polidocanol verordnet, gerne in wasserhaltigen Zubereitungen. Und hier wird’s knifflig.

Zersetzung lässt pH-Wert in die Höhe schnellen

Wer eine wässrige Harnstoff-haltige Rezeptur herstellen muss, freut sich erst einmal, denn er ist sehr leicht wasserlöslich. Das bedeutet, man kann das kristalline Pulver im benötigten Wasser lösen und in die Grundlage einarbeiten. Geringe Harnstoffmengen können im Falle einer hydrohpilen O/W-Creme sogar einfach aufgestreut werden.

Dennoch müssen zwei Dinge bei der Herstellung immer beachtet werden: Temperatur und pH-Wert. Zwar weist Harnstoff einen rezeptierbaren pH-Wertbereich von eins bis zwölf auf (Optimum pH 6,2), doch je nach pH-Wert kann sich der Stoff in Ammoniumacetat, Ammoniak und Kohlendioxid zersetzen – der pH-Wert der Zubereitung steigt daher schon bei minimalem Zerfall durch den basischen Ammoniak stark an. Ein Selbstläufer: Denn durch den steigenden pH-Wert wird der Zerfall noch beschleunigt (Ammoniak als Katalysator). Die Gesellschaft für Dermopharmazie fasst den rezeptierbaren Bereich daher enger: pH-Werte zwischen vier und acht.

Die Zersetzung wird nicht nur durch den pH-Wert, sondern auch durch die Temperatur beeinflusst: steigende Temperaturen beschleunigen den Zerfall. Bei der Herstellung darf der Lösungsvorgang des Harnstoffs also nicht durch erwärmen beschleunigt werden. Fällt bei der optischen Prüfung nach der Herstellung mit einem Mischsystem auf, dass noch sichtbare Harnstoffpartikel enthalten sind (Zubereitung „kratzt“), dann sollte nur noch mit einer reduzierten Drehzahl des Systems in kürzeren Intervallen gearbeitet werden, um die Temperatur der Zubereitung nicht unnötig zu erhöhen.

Hintergrundinfos zu Harnstoff
Im Lateinischen kennen wir das kristalline Pulver als Urea, chemisch korrekt wird Harnstoff als Kohlensäurediamid oder Carbonyldiamid bezeichnet. Im Körper kommt er als Endprodukt beim Protein- beziehungsweise Aminosäureabbau im Harnstoffzyklus vor. Als harnpflichtige Substanz wird Harnstoff über den Urin ausgeschieden.
Aus dem Labor ist Harnstoff nicht wegzudenken, das Pulver gehört zu den meistverordneten Bestandteilen. Wie der zugefügte Harnstoff wirkt, wird, neben der zugesetzten Konzentration,  maßgeblich von der angewendeten Grundlage bestimmt. Aus lipophilen (W/O) -Zubereitungen penetriert Harnstoff nur langsam in die Haut, aber die Wirkung ist anhaltend und nachhaltig. Bei einer wässrigen Grundlage (O/W) kommt der Harnstoff schneller durch die Haut, befeuchtet sie allerdings nur kurz und oberflächlich.
Außerhalb der Offizin nutzt ihn die Lebensmittelindustrie um Kaugummi haltbarer zu machen. Auch die Zigarettenindustrie mischt Harnstoff in ihre Tabakprodukte: Um die Nikotinaufnahme ins Blut zu erhöhen.

Wann wird ein hoher pH-Wert problematisch?

Untersuchungen konnten zeigen, dass wässrige Harnstofflösungen gar nicht so chemisch instabil sind, wie vermutet: So zeigte eine zweiprozentige Harnstoff-Lösung nach fünf Monaten rund ein Viertel Prozent Konzentrationsabweichung. Nach zwei Monaten Lagerung über 25 Grad Celsius hatten sich sogar nur 0,19 Prozent der Lösung zersetzt. Zudem sind die Abbauprodukte nicht toxisch für die Haut.

Doch der pH-Wert der Zubereitung verändert sich – und zwar schnell. Schon ein Zersetzungsgrad von 0,16 Prozent ließ den pH-Wert auf 8,5 ansteigen. Das wirkt sich auch auf die anderen Inhaltsstoffe aus. Relevant ist daher nicht die veränderte Harnstoffkonzentration, sondern der pH-Wert der Zubereitung. Bei folgenden Rezepturen sollten Sie daher genauer hinschauen:

  • Wenn das Konservierungsmittel Sorbinsäure zugesetzt ist, zum Beispiel bei der Hydrophilen Harnstoff-Creme 5% / 10% (NRF 11.71.). Denn das Konservierungsmittel ist auf einen sauren pH-Wert angewiesen.
  • In der Kombination mit hydrolyseempfindlichen Glucocorticoiden. Außerhalb eines sauren bis neutralen pH-Wertes könnten Betamethasonvalerat, Hydrocortison oder Prednisolonacetat abgebaut werden.

Auf den Zusatz von Harnstoff muss allerdings nicht verzichtet werden. Ein Lactat-Puffer aus vier Teilen Natriumlactat-Lösung (50 Prozent) und einem Teil Milchsäure (90 Prozent) – bezogen auf die gesamte Zubereitung – hält den pH-Wert der Rezeptur selbst bei Harnstoff-Zerfall im schwach sauren Bereich. Im Falle der Hydrophilen Harnstoff-Creme sind beispielsweise fünf Gramm Puffer zugesetzt.

Ausnahmen von der Regel

Muss die Zubereitung nicht durch Sorbinsäure konserviert werden und sind die weiteren Inhaltsstoffe toleranter gegenüber pH-Wertschwankungen, muss kein Puffer dazu. Das gilt beispielsweise bei Salicylsäure und Clotrimazol. Auch bei dem Glucocorticoid Triamcinolonacetonid ist nicht zwangsläufig eine Pufferung notwendig, da dessen rezeptierbarer pH-Wertbereich breiter ist als bei anderen Glucocorticoiden. Doch beträgt die Haltbarkeit der fertigen Rezeptur lediglich vier Wochen – mit Lactatpuffer wären es sechs Monate.

Quellen:
Deutsche Apothekerzeitung
Chemisches Lexikon
DAC/NRF

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