Galenische Ăśbungen
SUSPENSIONEN HERSTELLEN: PRAXISTIPPS FĂśR DIE REZEPTUR
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Im ersten Artikelteil zu Suspensionen in der Rezeptur haben Sie erfahren, was Suspensionen ausmacht, welche physikalischen Grundlagen wichtig sind und welche Hilfsstoffe Stabilität und Dosiergenauigkeit sichern.
Jetzt geht es in die Praxis: Wie bringen Sie Wirkstoffe gleichmäßig in Schwebe, ohne dass sie klumpen, aufrahmen oder zu schnell sedimentieren? Der zweite Artikelteil zeigt Ihnen Schritt für Schritt, wie Sie orale und kutane Suspensionen herstellen, kontrollieren und dabei typische Fehler vermeiden.
Herstellen von Suspensionen in der Rezeptur
Das Herstellen oraler und kutaner Suspensionen beginnt stets mit denselben Vorarbeiten. Zuerst erfolgt die Plausibilitätsprüfung:
- Stimmen Wirkstoffdosis und pH-Fenster?
- Sind Kompatibilitäten und Konservierung passend?
und - Ist die Anwendung bei pädiatrischen Patient*innen unbedenklich?
Anschließend werden alle Ausgangsstoffe geprüft und freigegeben. Die Partikelgröße des Wirkstoffs ist sicherzustellen, bevorzugt durch den Einkauf mikronisierter Qualitäten. Andernfalls wird zerkleinert und über Sieb 90 kontrolliert, sodass mindestens 95 Prozent der Partikel kleiner als 90 Mikrometer sind.
Bei der Einwaage sind wie immer gegebenenfalls Einwaagekorrekturen zu berücksichtigen. Zudem werden die Wägeschälchen nach der Einwaage der Wirkstoffe rückgewogen, um die Inprozesskontrolle zu dokumentieren. Die Abweichung von der Soll-Einwaage darf auch bei Suspensionen in der Rezeptur nie mehr als ein Prozent betragen.
Volumetrisches Herstellen von Suspensionen
Ist die Dichte der Suspensions-Grundlage unbekannt und wird die Dosierung der Rezeptur in Millilitern statt in Gramm angegeben, empfiehlt sich die volumetrische Herstellung.
- Der Wirkstoff wird in der Fantaschale mit einem kleinen Anteil der Grundlage (etwa 1:10) zu einer glatten Paste angerieben. Hydrophobe Pulver werden vorab benetzt, zum Beispiel mit 85-prozentigem Glycerol.
- Danach folgt das Verdünnen, also die portionsweise Einarbeitung von Anteilen der Suspensions-Grundlage bei häufigem Abschaben vom Rand der Fantaschale mit Kartenblättern.
- Die Masse wird in einen Messzylinder ĂĽberfĂĽhrt und auf das Endvolumen aufgefĂĽllt,
- anschlieĂźend zurĂĽck in die Fantaschale gegeben und homogenisiert.
Bei viskosen Ansätzen können hierzu Salbenmühle oder Dreiwalzenstuhl nötig sein. In diesem Fall würde man circa zehn Prozent mehr ansetzen, um mögliche Verluste auszugleichen. - Eingetragener Schaum sollte sich absetzen.
- Nach der Endkontrolle…
- …wird die Suspension abgefüllt.
Kindergerechte Rezepturen:
Gravimetrisches Herstellen von Suspensionen
Die gravimetrische Herstellung ist die sicherere Methode. Denn je nach Viskosität der Suspensions-Grundlage verbleiben beim volumetrischen Herstellen durchaus relevante Anteile der Rezeptur im Messzylinder hängen. Ist die Dichte also bekannt oder definiert, arbeitet man gravimetrisch:
- Der Wirkstoff wird auf der Analysenwaage (mit Korrekturfaktor) eingewogen,
- das Wägeschälchen zurückgewogen,
- der Wirkstoff zunächst im Verhältnis 1:10 mit der Grundlage angerieben
- und dann in 1:1-Schritten bis zur Zielmenge erweitert.
- Es folgen die Homogenisierung der Suspension,
- die Endkontrolle und
- die AbfĂĽllung.
Gut zu wissen
- Für Schüttelmixturen zur kutanen Anwendung gilt das gleiche Vorgehen, allerdings mit höheren Feststoffanteilen bis zu 40 Prozent.
- Hydrophobe Wirkstoffe sorgfältig zu benetzen und gezielt die Viskosität aufzubauen hilft, Aufrahmen zu vermieden.
- Das Anreiben und die Verarbeitung des Wirkstoffs in der Suspensions-Grundlage kann bei Rezepturen mit temperaturunempfindlichen Wirkstoffen die Homogenität verbessern, zum Beispiel bei Zinkoxid-Mixturen.
- Als Abgabegefäß eignen sich Weithalsflaschen.
Tipps zum Herstellen von Suspensionen
Einige praktische Hinweise erleichtern die Verarbeitung. Liegen mehrere Flüssigkeiten vor, legt man zum Anreiben stets die viskoseste Phase vor. Wärme ist im Normalfall zu vermeiden, da sie die Rekristallisation von Wirkstoffen begünstigt.
Automatische Rührsysteme (z. B. TopiTec®/Unguator®) eignen sich vor allem für viskose, kutane Suspensionen. Man sollte möglichst in kurzen Mischintervallen arbeiten und auf den Füllgrad der Kruke achten. Ein möglichst weit heruntergeschobener Boden minimiert den Lufteintrag beim Rührvorgang.
Ein Stabmixer kann – sofern im DAC/NRF vorgesehen – für die grobe Dispergierung eingesetzt werden. Dabei wird die Flüssigkeit vorgelegt und der Wirkstoff einrieseln gelassen. Dann nur kurz pulsen und Schaumbildung möglichst vermeiden.
Manche Rezepturen verlangen eine Trocknung der Bestandteile vor der Verarbeitung – maßgeblich ist die jeweilige Monographie. Früher wurde Zinkoxid als Wirkstoff in der Rezeptur routinemäßig vorgetrocknet, um Feuchte auszutreiben und eine konstante Masse zu sichern. Heute (Ph. Eur./DAC-Qualität) ist Vortrocknen nicht mehr standardmäßig nötig. Sie trocknen nur bei Bedarf – also wenn das Pulver sichtbar feucht oderverklumpt ist, für analytisch exakte Zwecke oder spezielle wasserfreie Rezepturen. Ansonsten gilt: Sieben & Benetzen statt Trocknen.
Inprozess- und Endkontrollen bei Suspensionen
Die Inprozess- und Endkontrollen zeigen, ob die hergestellte Suspension den Qualitätsanforderungen entspricht. Die Aufschüttelbarkeit wird in drei Stufen geprüft: dreimal kippen um 180 °, dann sanft und schließlich kräftig schütteln. Ziel ist eine homogene Verteilung ohne Klumpen und ohne Caking. Die Sedimentation soll langsam erfolgen und eine klare Redispersibilität zeigen.
Optisch wird auf ein einheitliches Erscheinungsbild ohne Agglomerate geachtet (Kontrolle im Gegenlicht). Je nach Rezeptur sind pH-Wert (für die Stabilität/Konservierung), Masse beziehungsweise Volumen sowie gegebenenfalls Geruch und Geschmack zu prüfen. Alles wird gemäß Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) dokumentiert.
Herausforderungen bei Suspensionen in der Rezeptur
Typische Probleme lassen sich systematisch beheben. Hier bekommen Sie einen Überblick über häufige Schwierigkeiten.
Entsteht Caking – also ein hartes, nicht redispergierbares Sediment – liegt meist eine deflokkulierte Suspension mit sehr feinen Partikeln, Ostwald-Reifung oder einem ungünstigen Zeta-Potenzial vor. Abhilfe schaffen
- eine kontrollierte Flokkulierung (schnellere Sedimentation innerhalb der Suspension mit einer leichten Redispergierbarkeit),
- Viskositätserhöhung,
- eine engere Partikelgrößenverteilung und
- das Vermeiden von Temperaturschwankungen.
Bei Flotation oder Aufrahmen (Wirkstoff schwimmt oben, Luft ist darin eingeschlossen) sind schlechte Benetzung, hydrophobe Pulver und Lufteintrag die Ursache. Abhilfe schaffen
- das Benetzen der Rezeptur (z. B. mit Glycerol, bei Kindern oral kein Polyethylenglycol),
- geeignete Netzmittel wie Polysorbate sowie
- angepasste RĂĽhrtechnik und
- Zeit zum Entschäumen.
Setzen Partikel zu schnell ab, sind sie meist zu groß oder die äußere Phase zu dünn – die Dichtedifferenz ist dann zu groß. Hier helfen
- ein feineres Mahlen des Wirkstoffs,
- Viskositätserhöhung der Suspensionsgrundlage und
- eine Dichteanpassung mit Glycerol oder Zuckerlösungen.
Rekristallisation bzw. Ostwald-Reifung entsteht durch Teillöslichkeit, Wärme und breite Partikelverteilung innerhalb der Suspension. In der Rezeptur wird das Risiko hierfür reduziert durch
- konsequentes Meiden von Wärme,
- eine enge Größenverteilung,
- passende Grundlagen und
- einen geeigneten pH-Wert (ggf. Kristallmodifikation).
Mikrobielles Wachstum weist auf unzureichende Konservierung oder Hygiene hin. Essenziell sind
- geeignete Konservierungsmittel (passendes pH-Fenster!),
- sauberes Wasser (z. B. Bag-in-Box Aqua purificata) und
- strikte HygienemaĂźnahmen in der Rezeptur der Apotheke.
Bei Problemen mit Geschmack und Compliance in der Pädiatrie (bittere Wirkstoffe, unpassende Aromen/Süßstoffe/Benzoate) hilft die Wahl geeigneter Grundlagen, gegebenenfalls auch Bitterblocker und ein sehr sparsamer Aromaeinsatz. Unter zwei Jahren sind kritische Hilfsstoffe zu vermeiden, bei Sondenapplikation oft ganz auf Aromastoffe zu verzichten.
Geeignete Packmittel fĂĽr Suspensionen
Packmittel und Dosierhilfen folgen dem Prinzip „form follows function“. Für orale Suspensionen eignen sich Braunglas-Medizinalflaschen mit einem Volumen größer als der Ansatz, damit im Gefäß Schüttelraum bleibt. Sinnvoll wäre zum Beispiel das Verpacken einer 30-Milliliter-Rezeptur in ein 50-Milliliter-Weithalsglas, die 50 Milliliter in ein 75-Milliliter-Glas und so weiter.
Außerdem benötigen die Flaschen einen kindersicheren Verschluss. Orale Spritzen mit Flaschenadapter sind zur Dosierung Messbechern und Löffeln vorzuziehen; bei Erwachsenen kann ein 5-ml-Löffel genügen.
Kennzeichnung von Suspensionen in der Rezeptur
Das Etikett muss zusätzlich zu den Standardangaben mit „Vor Gebrauch schütteln“ gekennzeichnet werden. Die Dosieranweisung der Suspension muss für die Kund*innen umsetzbar sein. Das bedeutet, dass Sie eine Spritze oder einen Dosierlöffel mitgeben, die eine passende Kennzeichnung für die Einzeldosis enthalten.
Bei einer kutanen Suspensions- Rezeptur muss ein Spatel mitgegeben werden. Auch hier gehören die Hinweise „Vor Gebrauch schütteln“, die Anwendungsfrequenz und Lagerung aufs Etikett.
Konservierung und Haltbarkeit
Für orale Suspensions-Rezepturen sind konservierte Zubereitungen – bei plausiblen Voraussetzungen und geeigneten Packmitteln/Lagerung – bis zu sechs Monate üblich. Nicht konservierte orale Mehrdosen sind nicht zulässig (Ausnahme Einzeldosen). Für flüssige Zubereitungen allgemein gelten konserviert bis sechs Monate, wasserfrei bis sechs Monate, nicht konserviert etwa eine Woche (insbesondere bei Suspensionen zum Auftragen auf die Haut).
Besondere Kund*innengruppen
Besondere Szenarien erfordern zusätzliche Sorgfalt.
Unter zwei Jahren ist die Konservierung besonders vorsichtig zu wählen (z. B. Kaliumsorbat mit Citronensäure), Propylenglycol und Ethanol sind zu vermeiden und Aromen sehr sparsam einzusetzen (ggf. erst unmittelbar vor der Applikation). Hier muss bei der Plausibilitätsuntersuchung der Rezeptur besonders gut aufgepasst werden.
Für Sondenpatient*innen sind niedrige Viskosität, der Verzicht auf klebrige Sirupe, geeignete Filter/Partikelgrößen und die Kompatibilität mit Silikonsonden entscheidend. Aromata sind auch hier oft entbehrlich.
Kurz und knapp: So funktioniert das Herstellen von Suspensionen
Zum Abschluss der Praxis: Eine gute Praxis zum Herstellen einer Suspension in der Rezeptur zeichnet sich dadurch aus, dass
- die Plausibilitätsprüfung abgeschlossen ist,
- die Partikelgröße passt (mikronisiert oder Sieb 90),
- der Wirkstoff korrekt benetzt und
- im Verhältnis 1:10 angerieben wurde,
- Luft- und Schaumeintrag sowie Wärme vermieden wurden,
- Homogenisierung und pH-PrĂĽfung erfolgt sind,
- die AufschĂĽttelbarkeit nach dreistufiger Probe besteht,
- korrekt abgefĂĽllt und beschriftet wurde (inklusive Dosierhilfe) und
- Aufbrauchfrist sowie Lagerung dokumentiert sind.
Quellen:
Iris Cutt: “Wurm: Galenische Übungen“, Govi, 20. überarbeitete Auflage 2019.
Claudia Peuke, Martina Dreeke-Ehrlich: „Rezeptur für die Kitteltasche: Leitlinien für die Herstellung“, Deutscher Apotheker Verlag, 4. Auflage 2013.
Komission Deutscher Arzneimittel-Codex: „Deutscher Arzneimittel-Codex® / Neues Rezeptur-Formularium® (DAC/NRF)“, Govi, Werk 2024/2.
Andreas S. Ziegler: „Plausibilitäts-Check Rezeptur gemäß § 7 ApBetrO“, Deutscher Apotheker Verlag, 5., überarbeitete und erweiterte Auflage 2019.
Andreas S. Ziegler: “Rezeptur-Retter. Problemrezepturen erkennen – Rezepturprobleme vermeiden”, Deutscher Apotheker Verlag, 1. Auflage 2018.
https://www.ema.europa.eu/en/formulations-choice-paediatric-population-scientific-guideline












