Eine Frau sitzt an einem Schreibtisch vor einem Bücherregal. Sie hat resigniert den Kopf auf einem Stapel offener Bücher abgelegt.© inarik / iStock / Getty Images Plus
So kompliziert und zum Verzweifeln wie hier muss die Plausibilitätsprüfung gar nicht sein, zeigt PTA Lea Brachwitz.

Rezeptur – Mischen possible

PLAUSIBILITÄTSPRÜFUNG – WAS MUSS ICH BEDENKEN?

Lea Brachwitz leitet das Rezeptur-Team der Engel Apotheke in Darmstadt. In „Rezeptur – Mischen possible“ gibt sie Tipps, wie Sie schwierige Rezepturen meistern. Dieses Mal zur Plausibilitätsprüfung Schritt für Schritt.

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Wenn ich mal wieder schimpfend vor dem Rechner sitze, weil bei einer Plausibilitätsprüfung irgendetwas nicht passt, oder wenn ich die Bücher wälze, höre ich von den Kollegen mit mehr Dienstjahren gern: „Früher, als die Rezeptur noch vorne neben den HV-Tischen war, hab ich auch immer Salben gerührt. Da ging das ganz schnell, ohne den ganzen Papierkram.“ Dann weiß ich nie, ob ich lachen oder weinen soll.

Es stimmt ja, die meiste Zeit nimmt bei Rezepturen mittlerweile der Papierkram in Anspruch, auch in Form von Plausibilitätsprüfungen. Aber früher war zwar alles anders – nur eben nicht unbedingt besser. Schließlich möchte ich mir selbst ja auch nichts auf die Haut cremen, das aussieht, als wäre es aus dem letzten Jahrhundert. Mein Lieblingskommentar einer Kollegin: „Da passt was nicht, es sieht aus wie Milchkotze.“ Das passiert, wenn erst gerührt und dann geprüft wird.

Getrennte Rezepturen oder alles in einem Topf?
Ehrlich gesagt finde ich die Prüfung auf Plausibilität manchmal ironisch. Denn oft müssten wir statt einer Rezeptur mit mehreren Wirkstoffen lieber zwei einzelne herstellen. Häufig sind das Kombinationen mit Salicylsäure und Cortison. Wirksamer wäre eine fettige Salicylsäure-haltige Zubereitung für die Nacht, zum Aufweichen der oberen Hautschichten und um Verhornungen zu lösen, und für den Tag dann eine leichte Cortison-Zubereitung. Doch schriebe es der Arzt so auf, müsste der Kunde zweimal Rezeptgebühr entrichten und es ist davon auszugehen, dass er mindestens eine Anwendung vergisst. Also doch alles in einen Topf? Eine Zwickmühle, über die wir schon einmal gesprochen haben.

Die zu prüfende Verordnung

Heute wollen wir uns damit beschäftigen, wie eine Rezeptur auf Plausibilität geprüft wird und welche Hilfsmittel wir verwenden können. Nehmen wir uns also mal eine verordnete Rezeptur vor:

Viele Apotheken nutzen mittlerweile ein Computer-basiertes Labor- beziehungsweise Rezepturprogramm, das einen durch diesen Prüfungsprozess leitet.

Vor der Plausibilitätsprüfung

Wir nutzen das Dr. Lennartz Laborprogramm. Andere Anbieter sind zum Beispiel apotec® LabXpert oder pharma4u Labor+.

Die digitale Plausibilitätsprüfung beginnt damit, dass wir erstmal alle Parameter eingeben:

  • Die Bestandteile nach Art und Menge
  • Die eigene Schutzausrüstung (Handschuhe, Brille, etc.)
  • Welche Gerätschaften verwendet werden und
  • Welche Waagen werden verwendet (Präzisions- und/oder Feinwaage)
  • Ob ein Zuschlag nötig ist
  • Die Art der Herstellung (z.B. Herstellung in der Fantaschale oder dem automatischen Rührsystem)
  • Ob ein Korrekturfaktor notwendig ist
  • Das Abgabegefäß

Anschließend leiten Laborprogramme durch die weiteren Schritte der Plausibilitätsprüfung.

Acht Hürden bis zur fertigen Rezeptur

Um festzustellen, ob unsere Rezeptur plausibel ist, betrachten wir sie unter acht Gesichtspunkten.

  1. Unbedenklichkeit
    Als erstes wird die Frage nach der Unbedenklichkeit gestellt. Generell gilt natürlich: Die Dosis und Konzentration sind ausschlaggebend. Aber es gibt Wirkstoffe, die nicht nur in höherer Menge gefährlich sind, sondern bei denen andere Bedenken bekannt sind. Wenn sie zum Beispiel allergisierend wirken oder schlichtweg giftig sind, wie beispielsweise der formaldehydhaltige Perubalsam.
     
  2. Konservierung
    Dann folgt die Frage nach der Konservierung: Deckt sich die Anwendungsdauer mit der Stabilität der Salbe? Hier lohnt es sich auch, einen genauen Blick auf den pH-Wert der Wirkstoffe und der Salbengrundlage zu werfen. Je nach Software hält Ihr Laborprogramm hier zusätzliche Informationen oder Warnhinweise für Sie bereit. Im Dr. Lennartz Laborprogramm erscheinen hinter den Bestandteilen kleine blaue Ausrufezeichen.

    Hier verraten sie zum Beispiel den pH-Wert der Basiscreme DAC, dieser liegt zwischen pH 5 und 6,5. Das pH-Optimum vom Cortison liegt bei 2 bis 5, also passt es.
     
  3. Konzentration
    Als nächstes folgt die Frage nach der Konzentration. Das Programm gibt die Konzentration der Wirkstoffe der eingegebenen Rezeptur an und zum Vergleich die vorgegebene Minimal- und Maximalkonzentration.

    Das sind hier für das Cortison 0,1 Prozent und für das Thesit 2 Prozent laut Rezept sowie als Minimal- und Maximalkonzentration bei Betamethason-17-valerat 0,025 bis 0,1% und für Thesit 0,5 bis 10 %. Wir stellen also fest: Es passt alles.
     
  4. Stabilität: Licht- und Oxidationsempfindlichkeit
    Enthält unsere Rezeptur licht- oder oxidationsempfindliche Substanzen, verpacken wir sie in ein undurchsichtiges Gefäß mit möglichst kleiner Öffnung, damit wenig Licht und Sauerstoff in das Arzneimittel gelangen. Und – wir kennen ja unsere Kunden – da wir davon ausgehen sollten, dass das Gefäß nicht ideal gelagert wird oder der Kunde es eine Weile offen stehen lässt, reduzieren wir sicherheitshalber die Aufbrauchfrist.
     
  5. Stabilität: pH- Bereich und Hydrolyseempfindlichkeit
    Reagiert ein Wirkstoff in der Gegenwart von Wasser, ist er also hydrolyseempfindlich, sollte die Grundlage wenig oder gar kein Wasser enthalten.

    Hier ist das Cortison das Sensibelchen, das an Wirkung einbüßen würde. Allerdings ist der optimale pH-Wert nur wenig überschritten, so dass von einer sehr langsamen Hydrolyse auszugehen ist. Es ist also alles noch im grünen Bereich.
     
  6. Stabilität: Grenzflächenaktivität
    Grenzflächenaktivität bedeutet, dass zwei nicht mischbare Substanzen dort, wo sie aneinander stoßen, kurzzeitig Emulsionen bilden, die dann schnell wieder brechen.

    Das ist der kritische Punkt bei Zubereitungen mit Thesit®, den Polidocanol ist eine grenzflächenaktive Substanz. Überschreitet die verordnete Menge den maximalen Kompatibilitäts-Bereich von 10 Prozent, bricht die Creme. Das Laborprogramm spuckt mit hierzu lediglich aus: „gegebenenfalls Auswahl der Grundlage bedenken“. Ich schlage im Neuen Rezeptur-Formularium (NRF) nach und suche nach einer Rezeptur mit Thesit® und Basiscreme. Ich werde schnell fündig: NRF 11.118 Hydrophile Polidocanolcreme 5 %: enthält 5 Gramm Thesit und Basiscreme zu 100 Gramm. Wenn diese Rezeptur stabil ist, ist auch davon auszugehen, dass unsere niedriger konzentrierte es auch ist.
     
  7. Kompatibilität
    Bei der Frage nach der Kompatibilität geht es darum, ob es anionische, kationische oder phenolische Bestandteile gibt, ob Macrogol- oder Cellulosederivate enthalten sind.

    Auch hier erscheinen wieder die kleinen blaue Ausrufezeichen als Warnung, denn die Rezeptur enthält ein Macrogolderivat: Bei Thesit®/Polidocanol handelt es sich um Lauromacrogol 400. Wegen seiner Grenzflächenaktivität und einer möglichen Phasenumkehr mit Wasseraustritt ist es mit stark wasserhaltigen W/O-Grundlagen nicht kompatibel. Bei O/W-Emulsionen kann es mit den O/W-Emulgatoren zu Mischmizellen und so zum Brechen der Emulsion kommen. Mit Basiscreme ist Polidocanol aber kompatibel.
     
  8. Laufzeit
    Mit der Festlegung der Laufzeit ist die Plausibilitätsprüfung abgeschlossen. Das Laborprogramm schlägt Ihnen hier eine Standardlaufzeit je nach Arzneiform vor – behalten Sie sich alle Besonderheiten, die Ihnen bis hierhin bei der Prüfung aufgefallen sind, im Hinterkopf und berücksichtigen Sie sie.

    Hier schlägt das Programm eine Haltbarkeit von einem Jahr vor, wenn wir die Creme in eine Tube (oder Spenderdose) füllen. Wir wissen aber, dass Basiscreme nach Anbruch nur sechs Monate verwendbar ist – die Aufbrauchfrist ist also kürzer als die Haltbarkeitsdauer. Da der Kunde in diesem Fall ausdrücklich eine normale Kruke gewünscht hat, reduzieren wir die Verwendbarkeit weiter auf nur vier Wochen.

Plausibilitätsprüfung ohne Computer

Wer kein Laborprogramm nutzt, kann eine Plausibilitätsprüfung auch klassisch auf Papier erledigen und benötigt dann entsprechende Nachschlagewerke.

Das eine ist die Normdosentabelle. Hier finden Sie alle Norm- und Höchstdosen für verschiedene Applikationsarten wie dermal, oral oder aurikular. Auch hilfreich ist das Buch „Plausibilitäts-Check Rezeptur gemäß §7ApBetrO“.

Des Weiteren nutze ich die aporellos von Andreas S. Ziegler. Diese Nachschlagewerke können wie ein Collegeblock geblättert werden und geben eine schnelle Übersicht über Einsatzgebiete, mögliche Nebenwirkungen oder Höchst- und pädiatrische Dosen, aber auch über das pH-Optimum, Kompatibilitäten mit verschiedenen Grundlagen, welche Hilfsstoffe verwendet werden können oder welche Emulgatoren in welcher Grundlage sind. Ich nutze am häufigsten

  • Grundlagen in der Rezeptur,
  • Hilfsstoffe in der Rezeptur und
  • Wirkstoffe in der Rezeptur.

Ich möchte das Rezeptur-Programm nicht mehr missen, aber da wo es etwas hinkt, sind die Bücher eine gute Ergänzung und Hilfe.

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