Eine Frau fasst sich an die Brust. Dort illustriert ist ein anatomisches Herz, das rot leuchtet.© eternalcreative/iStock/Getty Images Plus
Wäre es bloß so einfach: Bei Frauen zeigen Herzprobleme sich nicht durch das typische Stechen in der Brust, weil bei ihnen nicht die großen, sondern die kleinen Gefäße betroffen sind.

Frauen gefährdet

KORONARSPASMEN BLEIBEN BEI FRAUEN OFT UNERKANNT: HERZINFARKT DROHT

Koronarspasmen, also Verkrampfungen der kleinen Herzkranzgefäße, werden vor allem bei Frauen oft zur unerkannten Gefahr. Das betont Professor Michael Becker von Deutschlands erstem Frauen-Herzzentrum. Er warnt: Frauen sind in der Forschung bisher klar im Nachteil. Das will er ändern.

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Bei typischen Herzbeschwerden handelt es sich meist um Brustschmerzen, die in den linken Arm ausstrahlen. Dann wird häufig eine Herzkatheter-Untersuchung angeordnet, die die großen Herzkranzgefäße röntgenkontrolliert auf Ablagerungen und Engstellen untersucht. Das Problem: Die typischen Beschwerden treten bei Frauen oft gar nicht auf.

Bei ihnen verursachen vielfach unerkannte Koronarspasmen der kleinen Herzgefäße das Problem. Fehldiagnosen wie Eisenmangel, mangelnde Fitness oder gar Depressionen sind an der Tagesordnung. Führende Forschende kritisieren immer wieder, dass Studien meist an Männern durchgeführt und so für Frauen wichtige Details übersehen werden. Bei Herzproblemen kostet sie das unter Umständen lebenswichtige Zeit.

Was sind Koronarspasmen?

Bei Koronarspasmen verkrampfen sich die kleinen Herzkranzgefäße, die die tieferen Schichten des Herzmuskels mit Blut und Sauerstoff versorgen. Rund die Hälfte der Personen, die mit Verdacht auf Angina Pectoris oder eine Koronare Herzkrankheit mit einem Herzkatheter untersucht werden, weist keine typische Verengung der großen Herzgefäße auf. Bei ihnen liegt das Problem in Koronarspasmen, und oft sind es Frauen, so die Deutsche Herzstiftung.

Unklare Brustschmerzen, ein Engegefühl oder Druck im Brustraum, Herzstolpern in Ruhe, Atemnot und Leistungsabfall: Mit solchen Beschwerden begeben sich Frauen oft in ärztliche Behandlung. Herzkatheteruntersuchungen der großen Herzgefäße bringen dann oftmals keinen klaren Befund, erklärt Professor Dr. Michael Becker vom Rhein-Maas-Klinikum im nordrhein-westfälischen Würselen. Er gründete 2018 Deutschlands erstes Zentrum für Frauen-Herzen.

Und das aus gutem Grund: Viele Patientinnen werden mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen, weiß er. Konzentriert man sich mit der Herzkatheteruntersuchung auf die kleinen Herzkranzgefäße, fallen bei Betroffenen oft Koronarspasmen auf. Diese haben es in sich.

Koronarspasmen: von unklaren Symptomen bis zum Herzinfarkt

Nicht nur verursachen Koronarspasmen zahlreiche Symptome, sie erhöhen auch das Risiko für die betroffenen Frauen. Durch die Minderdurchblutung der betroffenen Bereiche droht zum einen eine langfristige Schädigung des Herzmuskels. Zum anderen besteht auch akute Infarktgefahr, wenn die kleinen Gefäße bereits durch Ablagerungen vorgeschädigt sind. Koronarspasmen bringen dann die Versorgung komplett zum Erliegen, die Symptome verstärken sich und ein Herzinfarkt kann die Folge sein. Becker weiß: Dann sind die Aussichten für die betroffenen Frauen relativ schlecht.

Koronarspasmen zu diagnostizieren ist wegen der oft unspezifischen Symptome nicht einfach. Becker nennt als Gründe zum einen hormonelle Veränderungen, ein häufig kleineres Herz und das dichte Brustgewebe, welches in bildgebenden Verfahren die Sicht auf das Herz behindert.

Während Männer meist Ablagerungen in den großen Herzgefäßen bilden und die Untersuchungsbefunde oft eindeutig sind, betrifft Frauen häufiger Arterienverkalkung der kleinen Herzgefäße. Koronarspasmen tun dann ihr Übriges, und Befunde sind mitunter weniger eindeutig als bei Männern.

Herzinfarkt bei Frauen: später und mit schlechten Aussichten

Die Kardiologin Christina Paitazoglou vom Uniklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck warnt: Das weibliche Geschlecht ist einer der größten Risikofaktoren, warum ein Herzinfarkt bei Frauen nicht erkannt wird. Während Männer oft die typischen Brustschmerzen beschreiben, die in den linken Arm ausstrahlen, kann sich ein Herzinfarkt bei Frauen ganz unterschiedlich äußern. Leistungsschwäche, Luftnot, Übelkeit und Oberbauchbeschwerden kommen häufig vor.

Das führt zu Fehldeutungen in der Notaufnahme und kostet lebenswichtige Zeit. Betroffene Frauen haben dann schlechtere Aussichten auf eine Genesung. Frauen, so Paitazoglou, treffen Herzerkrankungen sogar öfter als Männer, aber sieben bis zehn Jahre später und mit anderen Beschwerden.

Dass Frauen stärker von Koronarspasmen betroffen sind, ist eine wichtige Erkenntnis und kann helfen, Herzinfarkte und andere Folgeerkrankungen bei Frauen zu verhindern. Gegen die Krämpfe in den kleinen Gefäßen wirken Calciumantagonisten oder Betablocker.

Wichtig ist eine rechtzeitige Diagnose bei spezialisierten Experten. Ein gut eingestellter Blutdruck, gesunde Blutfettwerte, ausreichend Bewegung und der Verzicht auf Nicotin helfen, Koronarspasmen und andere Herzerkrankungen zu vermeiden.

Quellen:
https://www.tagesschau.de/wissen/gesundheit/koronarspasmen-frauen-100.html
https://www.rheinmaasklinikum.de/Inhalt/Kliniken-und-Zentren/Zentren/Zentrum_fuer_Frauen-Herzen.php

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