Jemand sitzt allein auf dem Sofa neben dem Weihnachtsbaum und trinkt Bier. Auf einem Tisch stehen eine weitere Bier- und eine Schnapsflasche.© Tero Vesalainen/iStock/Getty Images Plus
Die Feiertage bedeuten für viele Menschen bloß Einsamkeit – besonders problematisch, wenn sie an einer Sucht erkrankt sind.

Aus der Psychologie

SUCHT VERSTEHEN UND IN DER BERATUNG HILFE ANBIETEN

Die vergangenen Feiertage waren nicht für jeden besinnlich. Viele greifen zu Alkohol und anderen Substanzen, die ihnen eine kurzfristige Glückseligkeit bescheren oder ihre Einsamkeit betäuben sollen. Was Sucht ist, wie Therapien aussehen und wie Sie betroffenen Kund*innen in der Beratung Hilfe anbieten.

Seite 1/1 5 Minuten

Seite 1/1 5 Minuten

Eine Sucht fängt da an, wo der Mensch nicht mehr aufhören kann. Sobald Substanzen wie Alkohol, Nikotin oder auch Arzneimittel das Leben bestimmen, sobald man ohne sie den Tag nicht beginnen oder nicht entspannt beenden kann, ist man suchtkrank. Die Betroffenen konsumieren die Substanz immer häufiger und/oder in immer höheren Mengen. Schließlich kann die Abhängigkeit zu Gesundheitsschäden oder zur Lebensgefahr werden. Neben den körperlichen Folgen geht auch das Sozialleben unter, wodurch sich ein Teufelskreis aus Einsamkeit und Trost in der Sucht ergibt.

Dieses Ende kann man durch entsprechende Therapien verhindern, wobei die Schritte bis dahin keine leichten sind. Spricht das besorgte Umfeld die Betroffenen an, stößt es häufig auf Ausreden oder Verharmlosung, wenn die substanzbezogene Sucht und die Abhängigkeit nicht sowieso weitgehend verheimlicht wurden. Personen, die kein soziales Netz haben, müssen sich ihre Abhängigkeit erst mal selbst eingestehen und dann auch noch für sich selbst die Entscheidung treffen, das Problem der Sucht anzugehen und Hilfe zu suchen. Wie kann man den Kampf gegen die Sucht gewinnen? Und wie können Sie durch die Beratung in der Apotheke Betroffene unterstützen?

Sucht als psychische Erkrankung sehen

Sucht zählt laut der Weltgesundheitsorganisation offiziell zu den psychischen Krankheiten – und nicht etwa zum schlechten Verhalten, wie manche immernoch meinen.

Definiert wird die Krankheit der substanzbezogenen Sucht als zwanghafter Konsum, der mit einem Kontrollverlust über eigene Handlungen einhergeht. Genauso gehören übrigens stoffungebundene Süchte, wie beispielsweise Spiel- oder Kaufsucht, zur Krankheit Sucht. Sie sind nicht durch zwanghaften Konsum, sondern zwanghaftes Verhalten gekennzeichnet.

Ist jemand süchtig nach einer Substanz, kommt es zu Abhängigkeit, die sich in körperliche sowie psychische Formen unterteilen lässt. Entsprechend gibt es für die Krankheit Sucht auch Therapien, die verschieden aufgestellt sind.

Sucht, Abhängigkeit und Symptome – wo liegt der Unterschied?

Die Sucht beschreibt die chronische Erkrankung, die durch das Verlangen nach der Substanz gekennzeichnet ist. Die psychische und körperliche Abhängigkeit wiederum definiert sich darüber, die Substanz zu brauchen, um auf diesen beiden Ebenen zu funktionieren.

Neben Abhängigkeitserscheinungen durch die Substanz kommt es noch zu weiteren Symptomen, die das Suchtverhalten erzeugt. Je nach Substanz werden körperliche Gesundheitsgefahren wie Organschäden, Infektionen durch Spritzbesteck, Amnesie oder Stimmungsschwankungen mit steigendem Konsum immer präsenter.

Gleichzeitig verändert sich auch das soziale Umfeld. Denn die Sucht nimmt Betroffene völlig ein. Sie ziehen sich für den Konsum womöglich zurück oder existieren nur noch in entsprechenden Gruppen, weil sie beispielsweise auch ihren Beruf nicht mehr verfolgen.

Körperliche und psychische Abhängigkeit

Die körperliche Abhängigkeit kann nur bei substanzgebundenen Süchten auftreten und zeigt sich meist, sobald die Wirkung der jeweiligen Substanz nachlässt. Tremor, Gleichgewichtsstörungen und Schweißausbrüche sind unter den Symptomen körperlicher Abhängigkeit am häufigsten.

Die psychische Abhängigkeit tritt bei substanzgebundenen und auch -ungebundenen Süchten auf. Sie äußert sich durch Gedankenkarussells um die entsprechende Substanz (oder das Verhalten), Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche, aber auch Psychosen wie Wahnvorstellungen oder Halluzinationen.

Neurowissenschaft: Wie kommt eine Sucht zustande?

Die Neurowissenschaft erklärt, dass eine Sucht durch Fehlleitungen im Belohnungssystem unseres Gehirns entstehen kann. Das Gehirn assoziiert mit dem entsprechenden Verhalten oder dem Konsum der Substanz etwas Gutes, woraufhin es den Neurotransmitter Dopamin ausschüttet – unser Glückshormon.

Diese fehlgeleitete Belohnungsreaktion beeinflusst die Willensbildung. Denn sie setzt das Signal, die Substanz zu brauchen, um sich belohnt zu fühlen. Die Betroffenen wissen es rational häufig besser, geben der Sucht aber dennoch nach.

Außerdem konnte beobachtet werden, dass Personen, die von Grund auf weniger Dopamin oder Serotonin ausschütten, eher zu Substanzen greifen, um das Glücksgefühl empfinden zu können. Sucht hat also auch eine vererbbare Komponente. Die Verstoffwechselung einer Substanz sowie deren Wirkungsstärke hängt ebenfalls von der Genetik ab; ein weiterer erblicher Faktor der Suchtentstehung.

Die Suchtentstehung in der Psychologie

Die rein psychologische Sicht auf die Sucht thematisiert zusätzlich das nahe Umfeld Süchtiger sowie die Betroffenen selbst. Der Mensch definiert sich darüber, Verhalten zu beobachten und dadurch zu lernen, daher beeinflussen präsente Familienmitglieder oder enge Freundesgruppen die eigenen Handlungen. Das funktioniert in beide Richtungen: Während die einen von Erfahrungen mit Sucht in ihrem Umfeld abgeschreckt werden, übernehmen andere die Sucht nach der Substanz.

Beobachtungen ergaben: Vorbelastungen wie unsichere, ängstliche oder beziehungsunfähige Charaktereigenschaften, außerdem psychische Krankheiten sowie Krisensituationen oder Kindheitstraumata verleiten zum Substanzgebrauch, der dann meist fließend zu einem Missbrauch und der Sucht übergeht. So können Betroffene auch schlicht durch Pech oder eine Anhäufung von Zufällen in die Sucht rutschen.

Sucht durch Medikamente: ein Thema für die Beratung
Betroffene können auch durch eine Therapie mit Arzneimitteln süchtig werden. Beispielsweise, indem sie über einen längeren Zeitraum mit (zu) starken Schmerzmitteln oder mit unpassenden Psychopharmaka (etwa nach einer Fehldiagnose) therapiert werden.

Therapien bei Sucht und Abhängigkeit

Die Therapie der Sucht nach Heroin wird mit einer Substitutionstherapie durch das Ersatzopiat Methadon begonnen. Ziel ist, dieses dann auszuschleichen. Hierbei räumt man den Betroffenen Vertrauen und Selbstständigkeit ein, ohne sie aus dem gewohnten Umfeld zu ziehen. Durch die Substitution der Substanz nimmt auch die Abhängigkeit schleichend ab, ohne die Qualen des kalten Entzugs zu erleiden.

Die klassische Entzugstherapie für die Sucht wird mit einer Verhaltenstherapie begleitet, in der neues Erlernen sowie Konditionierung im Fokus stehen. Gesundes Verhalten soll Verhaltensmuster der Abhängigkeit überschreiben. Selbsthilfegruppen für den Austausch mit Gleichgesinnten sowie Entspannungsverfahren, die anstatt der Substanz für den Stressabbau genutzt werden, gehören dazu. Außerdem gehört es zur Therapie, den Betroffenen zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu verhelfen.

Co-Abhängigkeit: belastetes Umfeld

Eine Co-Abhängigkeit tritt bei den Angehörigen Abhängiger auf. Sie übernehmen das Verhalten der süchtigen Person, ohne selbst die Substanz zu konsumieren. Sie unterstützen etwa die Verharmlosung oder Verheimlichung der Sucht, während sie ihre eigenen Bedürfnisse ignorieren. Es kommt zu einer extremen Belastung der Co-Abhängigen. Viele berichten von regelmäßigen Gewissensbissen zusätzlich zu der Angst, den Betroffenen ganz an die Sucht und die Abhängigkeit zu verlieren.

Hilfe und Unterstützung für Betroffene der Sucht

Sucht und Co-Abhängigkeit sind Kämpfe, bei denen es um kleine Gewinne geht. In der Apotheke können Sie mit Ihrer Beratung Betroffene unterstützen, indem Sie bei Fragen zu Drogentests oder starken Schmerzmitteln aufmerksam werden. Sollte es das Gesprächsklima erlauben, können Sie auf sensible Weise Kontaktinformationen weitergeben. Hilfe bieten etwa die Suchtberatung des Deutschen Roten Kreuzes oder die Telefonhotline der Bundesweiten Suchtberatung.

Quellen:
http://www.medizinfo.de/sucht/ursachen/genetisch.shtml
https://www.portal-der-psyche.de/gesunde-psyche/erkrankungen/sucht-abhaengigkeit/sucht-abhaengigkeit.html
https://www.aerzte.de/gesundheitsratgeber/sucht-als-krankheit
Skripte Internationale Hochschule: Einführung in die Psychologie, Störungslehre, Neurobiologische Vorgänge

×