Jemand malt mit einem Stift ein Herz auf ein Holzbrett.© XiXinXing / iStock / Getty Images Plus
Schmetterlinge im Bauch, Herzklopfen, Bauchkribbeln und weiche Knie sind Anzeichen für Verliebtsein. Man schwebt auf Wolke sieben und möchte dieses Glücksgefühl teilen.

Emophilia

SÜCHTIG NACH DEM GEFÜHL DES VERLIEBTSEINS

Herzklopfen, zittrige Hände, Bauchkribbeln und weiche Knie sind Anzeichen für Verliebtsein. Die Anfangszeit ist aufregend und die Hormone spielen verrückt. Menschen mit Emophilia genießen diese Phase so sehr, dass sie sich immer wieder in neue Emotionen stürzen.

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Schmetterlinge im Bauch zu haben ist ein tolles und euphorisierendes Gefühl. Es fühlt sich an, als schwebe man auf einer Glückswolke durch das Leben.

Sehnsüchtig zählt man die Tage, Stunden und Minuten, bis man diese eine Person wiedersieht. Manche Menschen empfinden das Gefühl als so großartig, dass sie geradezu süchtig danach sind, verliebt zu sein.

Obwohl sie manche Personen gar nicht kennen, verlieben sie sich immer wieder auf den ersten Blick.

Nicht ungefährlich

Die Tendenz, sich schnell, leicht und oft zu verlieben, wird als Emophilia bezeichnet. Betroffene schildern, dass sie den Zustand des Verliebtseins genießen und dazu neigen, sich rasch in Beziehungen zu stürzen. Bereits nach dem ersten Date entwickeln sie oft starke Gefühle und alle Gedanken kreisen nur noch um die Person, in die sie verliebt sind, sodass manchmal im Rausch der Gefühle sogar alltägliche Verpflichtungen vernachlässigt werden.

Wer sich schnell verliebt, wird jedoch auch oft enttäuscht. Dennoch kann das Verliebtsein süchtig machen, denn dabei schüttet der Körper Glückshormone aus. Menschen mit Emophilia gönnen sich nach einer gescheiterten Beziehung oft keine Beziehungspause, sondern stürzen sich kopfüber in die nächste. Die vergangene Beziehung ist meist nicht aufgearbeitet und es besteht die Gefahr, dass sich Beziehungsfehler wiederholen. Doch Betroffene sehnen sich so stark nach dem Zustand des Verliebtseins, dass sie dies in Kauf nehmen.

„Im Gegensatz zum Drogenkonsum kann das Verliebtsein allerdings von alleine enden, bei einer Drogensucht ist dies nicht der Fall.“

Tatsächlich ähnelt Verliebtsein oberflächlich betrachtet einem Suchtverhalten, denn im Gehirn wird Dopamin ausgeschüttet und das Belohnungssystem aktiviert . Macht sich das Objekt der Begierde dann rar, treten negative Emotionen auf. Irgendwann ist jede Phase des Verliebtseins vorbei. Entweder vergehen die Gefühle dann komplett oder es ist Liebe entstanden. Während beim Verliebtsein der Botenstoff Dopamin eine große Rolle spielt, sind an der Liebe Bindungshormone wie Oxytocin beteiligt.

Idealisierung

Es heißt, dass Verliebte eine rosarote Brille tragen: Sie bewerten einige Situationen etwas anders, als sie tatsächlich stattgefunden haben oder verdrängen gerne negative Charaktereigenschaften oder Verhaltensweisen der anderen Person – sie neigen also zur Idealisierung des begehrten Menschen. Manchen wird nach kurzer Zeit jedoch bewusst, dass es eher die Idee des Verliebtseins war, in die sie sich verguckt haben. Auch wenn es eine schmerzhafte Erfahrung war – sie ist wichtig.

Toxische Beziehungen

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass sich Personen mit Emophilia oft in Menschen verlieben, die zur sogenannten Dunklen Triade gehören. Hierunter fallen die Persönlichkeitsmerkmale Narzissmus (Selbstverliebtheit, Suche nach Bewunderung, Mangel an Empathie), Machiavellismus (manipulative, eigennützige Verhaltensweisen) und Psychopathie (rücksichtsloses, impulsives Handeln ohne Furcht vor Konsequenzen). Frauen empfinden diese Eigenschaft anfangs oft als sexuell anziehend, schließlich wirken Personen der Dunklen Triade sehr charmant – allerdings ist eine toxische Beziehung nicht selten vorprogrammiert.

„Sich schnell zu verlieben, kann nachteilig sein.“

Natürlich verlieben sich Menschen mit Emophilia nicht nur in Narzissten oder Personen, die der Dunklen Triade zugeordnet werden, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit höher. Negativ daran ist, dass die Gefahr besteht, dass Betroffene von den manipulativen Menschen ausgenutzt werden könnten. Oft sind sie in ihr Verliebtsein tief versunken und bemerken sogenannte Red flags, also Warnzeichen, nicht, mit der Folge, dass sie in einer ungesunden, toxischen Beziehung landen, die ihnen offensichtlich nicht guttut.

Emophilia überwinden

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Personen mit Emophilie häufig einen ängstlichen Bindungsstil haben, über ein schwaches Selbstwertgefühl verfügen und schnell in Abhängigkeiten fallen. Untersuchungen weisen auch auf depressive Tendenzen hin, die Betroffene möglicherweise mit dem Verliebtsein betäuben möchten. Ist dies der Fall, kann eine Therapie helfen, die Emophilia zu überwinden. Darin werden verschiedene Themen aufgearbeitet, unter anderem sollten Betroffene lernen,

  • die Ursachen für das schnelle Verliebtsein zu verstehen,
  • eine emotionale Unabhängigkeit zu entwickeln,
  • Idealisierungen zu vermeiden und
  • das Selbstbewusstsein zu verbessern. 

Außerdem sollten sie eine Vorstellung davon entwickeln, wen sie an ihrer Seite haben möchten. Es empfiehlt sich zudem, nichts zu überstürzen und sich Zeit zu nehmen, eine gesunde Beziehung aufzubauen.

Ein Achtsamkeitstagebuch führen

In einem sogenannten Achtsamkeitstagebuch können Betroffene beispielsweise auflisten, welche Eigenschaften eines potenziellen Beziehungspartners ihnen wichtig sind. Verliebte können dann abgleichen, ob diese Eigenschaften auf ihren Schwarm zutreffen. Wichtig ist auch, dass sie sich selbst nicht dafür verurteilen, dass sie sich stets schnell verlieben. Besser ist, dies zu akzeptieren und zu erarbeiten, woran es liegt.

Werden die Gefühle von dem Objekt der Begierde nicht erwidert, kann die Enttäuschung groß sein. Betroffene sollten dennoch versuchen, dies positiv zu sehen und sich klar machen, dass es viel sinnvoller ist, auf die Person zu warten, die die Gefühle erwidert, anstatt sich in ein Abenteuer zu stürzen, das unglücklich macht.

Natürlich ist das leichter gesagt als getan – daher kann es hilfreich sein, sich in diesen Situationen an positive Dinge zu erinnern, die man im Leben bereits erreicht hat und sich auf Familie, Freundschaften oder berufliche Ziele zu konzentrieren.

Warum verlieben wir uns überhaupt?

Aus evolutionsbiologischer Sicht dient das Gefühl dazu, den bestehenden, intuitiven Abstand zu anderen Personen zu überwinden und uns zum Zwecke der Familiengründung und Fortpflanzung auf jemanden einzulassen. Verliebtsein verursacht somit den Wunsch nach Nähe zu einer Person, sodass man intime Beziehungen eingeht, aus denen sich Liebe entwickeln kann.

Angst vor Bindungen

Es gibt allerdings auch Personen, die Probleme damit haben, Gefühle zuzulassen. Sie unterdrücken ihre Emotionen aus Angst verletzt oder enttäuscht zu werden. Natürlich werden sie auf diese Weise vor Liebeskummer bewahrt, doch ihnen entgeht auch etwas sehr Positives im Leben. Ebenso wie Personen mit Emophilia können auch Menschen, die Schwierigkeiten damit haben, sich auf Bindungen einzulassen, einen Psychotherapeuten aufsuchen und sich helfen lassen.

Was ist der Unterschied zwischen verliebt und verknallt?

Trifft man jemanden und findet sie oder ihn auf Anhieb interessant und attraktiv, spricht man vom Verknalltsein. Verliebtsein tritt erst etwas später ein und ist ein intensiveres Gefühl. Dennoch sind beide Zustände nicht scharf voneinander abzugrenzen.

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