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Kindgerecht

ZARTE KINDERHAUT

Kinderhaut braucht eine ganz besondere Fürsorge. Denn sie ist lange noch nicht so entwickelt und robust wie die Haut Erwachsener. Was müssen Sie Besonderes beachten, um sie vor äußeren Einflüssen, wie zum Beispiel der Sonne, zu schützen?

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Unsere Haut ist ein Phänomen. Was sie leistet, ist enorm und grenzt manchmal an Wunder. Allein schon die Wundheilung! Die Haut ist unser größtes Organ, sie dient als Schutz vor Verletzungen, extremen Temperaturen und eindringenden Mikroorganismen, wie Viren und Bakterien. Sie unterstützt die Temperaturregulierung, die Produktion von Vitamin D und den UV-Schutz.

Dünn und durchlässig Die Hautdicke Erwachsener beträgt je nach Körperregion zwischen 30 Mikrometern und vier Millimetern. Babyhaut ist jedoch in etwa ein Fünftel dünner als die Erwachsenenhaut. Im Alter von vier Jahren ist die Haut mit ihren Anhangsgebilden, wie Haaren, Nägeln sowie Schweiß- und Talgdrüsen, schon etwas herangereift. Im Alter von sechs Jahren ist sie dann vollständig ausgereift und gleicht dem Aufbau der Haut Erwachsener.

Kinderhaut ist allerdings weniger stark pigmentiert, es wird also weniger Melanin gebildet. Weitere Besonderheiten der Kinderhaut sind eine geringer ausgebildete Temperaturregulation durch Schweißbildung und eine noch fehlende Talgbildung. Die Aktivität der Schweißdrüsen verstärkt sich erst mit den hormonellen Veränderungen der Pubertät. In den ersten Lebenswochen hat Kinderhaut daher einen noch unzureichend entwickelten Säureschutzmantel, der auch noch bis ins Kleinkindalter störungsanfälliger ist.

Die Haut weist allgemein eine lockerere Struktur auf und der Wassergehalt in der Hornschicht ist höher. Die Barrierefunktion ist schwächer ausgeprägt. Und auch ganz wichtig: Im Vergleich zum Erwachsenen haben Kinder in Relation zum Körpergewicht eine große Körperoberfläche. Da die Haut dünner ist, ist die transkutane Resorption und damit die Aufnahme von Arzneistoffen deutlich erhöht. Sie ist zirka drei- bis fünfmal höher als bei Erwachsenen.

Im Windelbereich kommt noch der Okklusionseffekt dazu (lat: occludo= verschließen). Die Abgabe von Schweiß und Wärme durch die Haut wird blockiert, es kommt zu einem Wärmestau und die Haut wird noch durchlässiger. Wirkstoffhaltige Cremes entwickeln hier eine stärkere Wirkung. Konkret heißt das, unter der Windel ist die Resorption ungefähr um das Zehnfache erhöht. Deshalb sollten zum Beispiel cortisonhaltige Cremes dort nicht angewendet werden.

Kontraindiziert Im Säuglingsalter sind einige Wirkstoffe verboten, da sie gefährliche Nebenwirkungen auslösen können. So kann Alkohol auch nach Resorption über die Haut neuro- und hepatotoxisch bei den Kleinen wirken. Der Wirkstoff Hexachlorophen, den man in Desinfektionsmitteln und gelegentlich auch in Deodoranzien findet, ist aufgrund von Enzephalopathien streng kontraindiziert. Neomycin wirkt oto- und nephrotoxisch und kann eine Kontaktsensibilisierung auslösen.

Povidon-Iod sollte wegen seiner Wirkung auf die Schilddrüse erst ab einem Alter von sechs Monaten angewendet werden. Calcipotriol zur Behandlung der Schuppenflechte ist aufgrund der Gefahr von Hypercalciämie frühestens ab sechs Jahren, je nach Fachinformation auch manchmal erst ab 18 Jahren zugelassen. Das Antiseptikum Clioquinol darf wegen seiner Neurotoxizität ab 12 Monaten eingesetzt werden. Und der Wirkstoff Salicylsäure ist ebenfalls nicht im ersten Lebensjahr erlaubt. Es kann zu einer metabolischen Azidose kommen.

Cremes mit den Wirkstoffen Lidocain und Prilocain sind ebenfalls erst ab 12 Monaten zugelassen, da sie in den ersten beiden Lebensmonaten eine Methämoglobinämie auslösen können. Auch Urea sollte frühestens mit zwei Jahren angewendet werden, da es bei den Kleinen auf der Haut brennt, was man als Stinging-Effekt bezeichnet.

Kinderhaut nimmt Arzneistoffe bis zu fünfmal besser auf als die von Erwachsenen.

Schützend Auch beim Lichtschutz gibt es im Kindes- und Jugendalter einiges an Besonderheiten, die es zu wissen und zu beachten gilt. Die Schutz- und Anpassungsmechanismen der Haut sind noch nicht vollständig entwickelt. 80 Prozent aller Sonnenschäden werden bereits vor dem 18. Lebensjahr verursacht, denn Kinderhaut ist besonders empfindlich. Außerdem verbringen Kinder beim Spielen viel Zeit im Freien und können die Gefahren der UV-Strahlung noch nicht einschätzen.

Eine Vernachlässigung des Sonnenschutzes im Kindesalter rächt sich meist bereits schon im Alter von 30 bis 40 Jahren mit chronischen Lichtschäden. Die Einteilung nach Hauttypen von eins bis vier macht hier noch keinen Sinn. Kinder werden grundsätzlich als Hauttyp eins betrachtet. Man geht also von einer Eigenschutzzeit von fünf bis zehn Minuten aus. Die höchste UV-Strahlung kann man zwischen 10.30 Uhr und 14.30 Uhr messen. D

eshalb gilt es, diese Zeit für Aufenthalte im Freien zu meiden und in der übrigen Zeit die Kinderhaut mit entsprechender Kleidung zu bedecken und die restlichen Stellen mit Sonnenschutzcreme zu schützen. Eine Faustregel sagt: Kinder sollten erst dann in die Sonne, wenn ihr Schatten größer ist als sie selbst. Und hier noch eine Eselsbrücke, die 4-H-Regel: Hut, Hemd, Hose und hoher Lichtschutz!

Sonnenschutzmittel Für Kinder stehen, wie für Erwachsene, organische (chemische) und mineralische (physikalische) Filter zur Verfügung. Bei den chemischen unterscheidet man UV-B- und UV-A Filter sowie Breitbandfilter, die in beiden Bereichen die Strahlung filtern. Meistens werden mehrere kombiniert. Laut dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) muss der UVA-Schutz mindestens ein Drittel des UVB-Lichtschutzfaktors betragen. Einige Hersteller garantieren, dass der UVA-Schutz sogar die Hälfte des UVB-Schutzes beträgt.

So unterscheidet sich eine Sonnencreme mit LSF 30 und 50 nur um zirka ein Prozent im UVB Filter, aber sehr wohl im UVA-Schutz, der mindestens genauso wichtig ist. Weisen Sie Ihre Kunden mit kleinen Kindern darauf hin, dass all diese Angaben darauf beruhen, dass auch wirklich zirka zwei Milligramm pro Quadratzentimeter Haut aufgetragen werden müssen. Bei Kindern bedeutet das, dass zirka 30 Milliliter pro Eincremen verbraucht werden soll. Auch die Wasserfestigkeit ist bei Kindersonnenmilch ein wichtiger Faktor.

Wasserfest darf sich ein Produkt nennen, wenn nach zweimal 20 Minuten „normierten Badens“ noch die Hälfte des LSF messbar ist. Extra wasserfest bedeutet, wenn nach viermal 20 Minuten normierten Badens mindestens noch die Hälfte des LSF vorhanden ist. Auch die Applikationsfrequenz ist wichtig. 20 bis 30 Minuten vor dem Sonnenbaden. Und dann bitte alle zwei Stunden erneut auftragen, sowie direkt nach dem Baden.

Fazit Die Haut der ganz Kleinen muss besonders geschützt werden, egal ob vor Sonne oder anderen Einflüssen. Sie ist dünner, empfindlicher und noch nicht vollständig entwickelt. Sonnenschutzmittel nie als alleinige Sonnenschutzmaßnahme einsetzen, sondern immer in Kombination mit anderen Schutzmaßnahmen. Die Resorption von Wirkstoffen ist um ein Vielfaches höher als bei uns Erwachsenen und nicht jeder Inhaltsstoff ist für die zarte Kinderhaut geeignet.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 06/2022 ab Seite 102.

Stefanie Berhausen, Apothekerin, Ayurveda- Gesundheitsberaterin, Meditations- und Yogalehrerin, www.vedawelt.de

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