Eine bunt gekleidete Frau lacht mit zurückgelegtem Kopf mit ihrer Zahnlücke in die Kamera© Diamond Dogs / iStock / Getty Images Plus
Farbe bringt Freude.

Trendforschung


DRESSED TO BE HAPPY

Kleidung, vor allem ihre Farbe, kann die Stimmung beeinflussen. Warum das gerade in Coronazeiten wichtig war und ist, erklärt Trendforscher Carl Tillessen vom Deutschen Modeinstitut.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Limettengrün, Blutorange, Zitronengelb, Electric Blue – all diese Farben haben eins gemeinsam: Sie wirken stimmungsaufhellend. Die fröhlich leuchtenden Farben wirken auf unser Gehirn wie ein Doping-Mittel – und so hat dieser Effekt auch den Namen „Dopamin Dressing“ erhalten. Kommt natürlich aus den USA, vom dort allseits bekannten „Dress Doctor“ Dawnn Karen.

Die internationale Fashionszene weiß: Wenn man mehrere der intensiven Nuancen miteinander kombiniert, ist die Wirkung nochmal so stark. Zum Beispiel Pink mit Orange, Blau mit Gelb oder Grün mit Lila. Im Fachjargon spricht man dann von Color Blocking. Im vergangenen Jahr war das hip.

„Mode hatte die Funktion von Psychopharmaka“

2012 belegte erstmals eine wissenschaftliche Studie, dass Kleidung eine Wirkung auf unsere Psyche hat. Die Forscher Hajo Adam und Adam Galinsky fanden heraus: Fühlen wir uns in unserer Kleidung wohl, nimmt unser Umfeld uns auch positiver wahr. Je nachdem, was ein Mensch trägt, verändert sich damit seine Mimik, die Stimme und die Haltung.

„Dopamin Dressing" in Zeiten von Corona hatte das simple Ziel, Freude in dunkle Zeiten zu bringen. „Man kann sagen, dass Mode während der Coronakrise die Funktion von Psychopharmaka übernommen hat“, sagt Tillessen. Er unterscheidet dabei zwischen erstem und zweitem Pandemiejahr. Am Anfang habe die Mode eher die Funktion eines Beruhigungsmittels gehabt, damit die Menschen besser mit den Ängsten zurechtkamen, die das Virus überall auf der Welt auslöste. Man flüchtete sich in extrem kuschelige und bequeme Kleidung in sanftem Beige und Grau. Das half, mit Destabilisierung und Verunsicherung zurechtzukommen, denn die Pandemie durchkreuzte nur allzu oft private Pläne und berufliche Routinen.

Tillessen spricht von „textilen Antidepressiva“: Hauptsache bunt

Im zweiten Pandemiejahr wurde dann die Verbreitung des Virus berechenbarer, das Risiko etwas überschaubarer. „Wir konnten beginnen, die textilen Beruhigungsmittel auszuschleichen, brauchten jetzt aber textile Antidepressiva“, so der Trendforscher. Stimmungsaufheller wie das „Dopamin Dressing“ wurden aus der Schublade geholt – und zum kollektiven Phänomen.

Immer schon ließ sich die Geschichte an der Kleidung ablesen, wie zum Beispiel Wirtschaftskrisen, soziale Unruhen oder Naturkatastrophen. Entbehrungsreiche Zeiten beflügelten auch immer die Kreativität. So nähten Frauen im und nach dem zweiten Weltkrieg aus ihren alten Kleidern oder Vorhängen oft neue Kreationen oder versahen Hosen und Oberteile mit Einsätzen, um ein Outfit leicht und kostensparend zu verwandeln. Besonders auffällig an der Mode der 1940er Jahre war laut Tillessen, dass sich die Menschen dem anderen Geschlecht „nicht vorrangig als Lustobjekt“, sondern als „brauchbarer Partner im täglichen Überlebenskampf“ anboten. Demnach trugen nicht nur Männer, sondern auch Frauen Kleidung mit betont breiten Schultern, damit sie nicht mehr zart und zerbrechlich, sondern robust und zupackend erschienen.

Diese Arznei gibt es nicht in der Apotheke

Corona hinterließ auch in der Wohnungseinrichtung seine Spuren. Genau wie in der Mode gab es dort eine Tendenz zu lichtem, beruhigendem Grau und Beige. Schlichte Einrichtungsgegenstände, ungefärbte Naturmaterialien waren beliebt. Nach der Pandemie würde die Mode wieder zu ihrer alten Rolle zurückkehren, prophezeit Tillessen: Menschen würden sie dann weniger dazu nutzen, um Gefühle auszubalancieren, sondern vielmehr, um „ihr Gehirn zu unterhalten“ – also schlicht, um Spaß an der Mode zu haben. Wir erwarten also weiterhin farbige Zeiten!

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

×