Ein Mann und eine Frau küssen sich und werden von einem sanften Licht angestrahlt.© Jacob Wackerhausen / iStock / Getty Images Plus
Küssen kann leidenschaftlich oder zärtlich sein. Doch immer zeigt es, dass man sich nahesteht.

Tag des Kusses

LIPPEN AUFSPRITZEN: WIE HYALURON DAS KÜSSEN VERÄNDERT

Volle Lippen gelten als Schönheitsideal – viele lassen sich dafür die Lippen aufspritzen. Doch wie verändert das das Küssen, das Empfinden und die eigene Sinnlichkeit? Fachleute klären auf – auch über Risiken wie Nebenwirkungen  durch Lippen aufspritzen.

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Frisch verliebte Paare können sich stundenlang küssen. Enge Freunde geben sich zur Begrüßung ein Wangen-Bussi, Eltern ihren Kindern einen liebevollen Gute-Nacht-Kuss. Küssen kann leidenschaftlich oder zärtlich sein. Doch immer zeigt es, dass man sich nahesteht.

Kein Wunder also, dass Lippen große Bedeutung für uns haben – und viele bei der Schönheit nachhelfen. Lippen aufspritzen liegt im Trend, auch wegen der sozialen Medien, wo junge Frauen Vorbilder finden. Macht sich das beim Küssen bemerkbar? Und wann ist es zu viel? Fachleute geben zum Welttag des Kusses am 6. Juli Antworten.

Warum gilt die Lippenunterspritzung als Schönheitsideal?

„Volle, schöne, sinnliche Lippen stehen für Jugend, für Fruchtbarkeit, auch für sexuelle Attraktivität“, sagt Helge Jens, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie. „Rosige, volle Lippen wirken einfach vital, während schmale, trockene, farblose oder faltige Lippen eher Krankheit und Alter symbolisieren.“

Dazu kommt aus Sicht des Berliner Psychotherapeuten Wolfgang Krüger:

„Die Lippen spielen in unserem Gefühlsleben im Grunde eine große Rolle. Denn Küssen ist die beste und die intimste Möglichkeit, Nähe herzustellen.“

Es sei sogar intimer und sinnlicher als Sex, meint der Experte. Beim Küssen kämen sich die Gesichter ganz nah, man fühle sich mit der anderen Person innerlich verbunden. „Das merkt man auch, wenn Beziehungen schwieriger werden. Das Erste, das leidet, ist das romantische Küssen.“

Wie verbreitet ist das Lippen aufspritzen?

Das ist schwer zu beantworten. Ein Blick in die Statistik der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) zeigt, dass Lippenunterspritzung im vergangenen Jahr nur auf den 15. Platz unter den Schönheitsbehandlungen kam. 2014 lag sie noch auf dem 7. Platz. Schaut man sich auf der Straße um, hat man dagegen den Eindruck, dass aufgespritzte Lippen deutlich verbreiteter sind.

Diesen Eindruck bestätigt auch DGÄPC-Präsident Helge Jens:

„Ich denke, dass Lippenvergrößerungen in einem hohen Maße nicht in den Facharztpraxen der plastischen Chirurgie gemacht werden, sondern zum Beispiel bei Kosmetikerinnen oder in speziellen Schönheits-Instituten. Es dürfen ja sogar Heilpraktiker machen heutzutage.“

In der Regel werde Hyaluronsäure in Lippen gespritzt, und das dürfe so gut wie jeder, da sie nicht medikamentös verordnet werden müsse.

Wer lässt sich die Hyaluronsäure Lippen machen?

„Die überwiegende Zahl sind junge Frauen, die einem bestimmten Schönheitsideal nacheifern wollen“, sagt Jens. Inspirationsquelle seien oft Beispiele aus den sozialen Medien. Ein Trend, den er problematisch findet, da die Lippen auch zum Gesicht passen müssten.

„Die Patientinnen kommen tatsächlich mit ausgedruckten Bildern oder mit Handy-Fotos in die Praxis und sagen, dass sie es gerne genauso hätten.“

Zu Christiane Bayerl, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie an den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden, kommen wiederum hauptsächlich Frauen ab den Wechseljahren. „Die Lippen werden schmaler mit dem Alter.“ Schmale Lippen könnten als verkniffen empfunden werden.

Weniger als einen Milliliter Hyaluronsäure verwenden Jens und Bayerl eigenen Angaben zufolge für eine Lippenunterspritzung. Bayerl sagt, sie schicke Frauen auch mal wieder nach Hause, die bereits Schlauchboot-Lippen hätten und trotzdem noch mehr wollten. Es bestehe dann die Gefahr, dass Blutgefäße verschlossen werden, sagt die Expertin der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft.

Welche Nebenwirkungen beim Lippen aufspritzen kann es geben?

Ja, und das nicht nur bei stark aufgespritzten Lippen. „Bloß weil ein Großteil der Behandlungen gut geht, ist es nicht harmlos“, sagt Jens. „Man muss schon über genaue Anatomiekenntnisse verfügen, um zu wissen, wo man Hyaluronsäure in die Lippen spritzen kann, so dass es den gewünschten Effekt hat.“

Häufige Nebenwirkungen beim Lippen aufspritzen sind laut Bayerl blaue Flecken, wenn die Spritze ein kleines Blutgefäß erwischt. Hinzu komme die Gefahr von Infektionen und – in sehr seltenen Fällen – von Gefäßverschlüssen, die unbedingt behandelt werden müssten.

„Es kann auch passieren, dass es unsymmetrisch wird und bei einer erneuten Behandlung korrigiert werden muss.“

Lippen aufspritzen und Küssen – spürt man das?

Das kommt darauf an, wie stark man sich die Lippen aufspritzen lässt. Hält es sich in Grenzen, merke man wahrscheinlich keinen Unterschied, meint Bayerl. „Wenn das sehr ausgeprägt ist, hat das Folgen für die Sensibilität.“

Der Grund: Lippen enthalten Nervenenden, die sie empfindlich für Wärme, Kälte und Berührungen machen. „Diese werden durch das Lippen aufspritzen ja nicht mehr, sondern müssen sich über eine größere Oberfläche verteilen“, erläutert Jens.

Macht eine Lippenunterspritzung besseres Küssen möglich?

Der Psychotherapeut Wolfgang Krüger denkt nicht, dass dem so ist. Wichtiger sei, wie ein Mensch lebt. „Ich denke, man sieht einer Person an, ob diese eine sinnliche Bereitschaft hat zu küssen.“

Wenn jemand viele Probleme habe, angespannt und zurückhaltend sei, zeige sich das auch in den Gesichtszügen. „Die betreffende Person wirkt schmallippig.“ Eine Lippenunterspritzung kann zwar optisch etwas verändern – die Lebensweise aber bleibt.

Warum küssen Menschen überhaupt?

Menschen sind die einzige Spezies auf der Erde, die sich küssen. Warum wir dieses Verhalten entwickelt haben, lasse sich wissenschaftlich nicht eindeutig erklären, sagt Wolfgang Enard, Experte für evolutionäre Anthropologie an der LMU München.

„Eine prominente Idee ist, dass der Kuss über die Weitergabe von Nahrung, also das Vorkauen, entstanden ist.“

Außerdem gebe es die Theorie, dass Küssen der Weitergabe von Bakterien diene, um das Immunsystem zu stärken.

Für plausibler hält Enard jedoch die Idee, dass sich der Kuss aus der Fellpflege ableitete. „Bei den Schimpansen läuft die soziale Interaktion über die Fellpflege. Man laust sich.“ Beim Menschen sei das Fell verschwunden – und der Kuss ein Überbleibsel dieser Interaktion. Ob romantisch oder freundschaftlich: „Es ist immer ein starkes soziales Signal.“

Quelle: dpa

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