Zwei Babyzwillinge liegen schlafend nebeneinander.© Timatkov / iStock / Getty Images Plus
Fängt ein Zwilling zu weinen an, kann das den anderen anstecken.

Schreibabys

WARUM EIN BABY VIEL SCHREIT – STUDIE ZEIGT GENETISCHE URSACHEN

Wenn ein Baby viel schreit, suchen Eltern oft verzweifelt nach den Ursachen. Eine neue Zwillingsstudie aus Schweden liefert nun Hinweise: Häufig sind genetische Faktoren entscheidend – und nicht etwa Erziehungsfehler oder äußere Umstände. Das könnte vielen Familien helfen, sich selbst weniger unter Druck zu setzen.

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Wie viel ein Baby schreit und die Nerven seiner Eltern strapaziert, hängt einer Studie zufolge auch mit seinen Genen zusammen. Die Brülldauer werde wohl weitgehend vom Erbgut bestimmt, schließt ein Forschungsteam aus einer Untersuchung an Zwillingen. Auch Schlafprobleme des Babys und Beruhigungsfähigkeit werden demnach bei Säuglingen in den ersten Lebensmonaten von den Erbanlagen mitbeeinflusst.

Das Leben mit Schreibaby kann emotional sehr belastend sein: „FĂĽr Eltern kann es ein Trost sein zu wissen, dass das Weinen ihres Kindes größtenteils genetisch bedingt ist und dass sie selbst nur begrenzte Möglichkeiten haben, das Weinen ihres Kindes zu beeinflussen“, sagte die Studienleiterin Charlotte Viktorsson von der Universität Uppsala (Schweden).

Studienteilnehmer waren Zwillingseltern

Die Analyse ihres Teams basiert auf Fragebögen, die von den Eltern 998 gleichgeschlechtlicher eineiiger oder zweieiiger Zwillinge ausgefüllt wurden, als diese zwei Monate und fünf Monate alt waren.

Gefragt wurde unter anderem, wie lange die Kinder weinen, wie oft sie nachts aufwachen und wie lange es dauert, bis sie sich beruhigen.
Zwillinge wurden gewählt, um Ursachen bei Schreibabys besser von Umweltfaktoren abgrenzen zu können – sie teilen sich viele EinflĂĽsse wie häusliches Umfeld, Familiensituation und sozioökonomischen Status.

Eineiige Zwillinge haben identische DNA, während zweieiige genetisch so verschieden sind wie normale Geschwister. Wenn eineiige Zwillinge ähnliche Eigenschaften aufweisen, lässt das auf eine genetische Komponente schließen – etwa wenn ein Baby viel schreit und sein Zwilling ebenso.

Babys: Mehr als eine Stunde Schreien am Tag

Die Befragung ergab große Unterschiede: Manche Kinder wachten bis zu zehnmal pro Nacht auf, andere fast nie. Im Schnitt schrien die Zwillinge mit zwei Monaten rund 72 Minuten täglich – ein klassisches Beispiel für Ursachen bei Schreibabys.

Auch Schlafprobleme bei Babys waren häufig: Mehr als zweimal pro Nacht aufwachen und rund 20 Minuten zum Beruhigen – ein enormer Aufwand fĂĽr Eltern.
Fängt ein Zwilling zu weinen an, kann das den anderen anstecken – die Schreibabys Ursachen verstärken sich gegenseitig. In der Folge schreit das Baby viel länger und intensiver.

Dauer des Weinens ist genetisch bestimmt

Die deutlichsten Hinweise auf genetische Faktoren gab es bei der Brülldauer. Im Alter von zwei Monaten erklärte die Genetik zu etwa 50 Prozent, wie viel ein Baby schreit, bei fünf Monaten sogar zu 70 Prozent. Das Fachjournal „JCPP Advances“ dokumentiert diese Zusammenhänge.

Dagegen spielen bei Schlafprobleme der Babys offenbar eher äuĂźere Faktoren eine Rolle – etwa Schlafumgebung oder Routinen. Die Gene wirken weniger stark auf die Zahl der nächtlichen Aufwachphasen.

Einfluss der Eltern zum Baby beruhigen begrenzt

Wie gut ein Baby sich beruhigt, hängt in den ersten Monaten stark vom Umfeld ab. Doch mit zunehmendem Alter wirkt auch hier die Genetik immer mehr mit. Im Alter von fünf Monaten ließ sich die Beruhigungsfähigkeit laut Studie hauptsächlich durch genetische Veranlagung erklären.

Trotz vieler beruhigender Tipps bleibt der Einfluss der Eltern auf das Verhalten begrenzt – vor allem, wenn ein Baby viel schreit aus genetischen Gründen.

Haben die Eltern richtig gezählt?

Natürlich basieren die Angaben auf elterlicher Einschätzung – ein Unsicherheitsfaktor. Zudem lassen sich die Daten nicht automatisch auf Einzelkinder übertragen. Zwei Babys stellen ganz andere Anforderungen als eins. Trotzdem waren Unterschiede zwischen Zwillingen und Einzelkindern beim Schreiverhalten gering.

Bemerkenswert: Einzelkinder zeigten mehr nächtliche Aufwachphasen als Zwillinge. Eventuell beruhigt es das Baby, wenn der Zwilling neben ihm schläft – ein Punkt, den Baby beruhigende Tipps berücksichtigen könnten.

Wie man weinende Babys in 13 Minuten zum Schlafen bringt

Ein weiteres Forschungsteam entwickelte eine konkrete Anleitung, wie sich ein Baby beruhigen lässt:

  • Etwa fĂĽnf Minuten im Arm tragen, eng am Körper, gleichmäßiges Tempo – so wirkt die sogenannte Transportreaktion.
  • Danach rund acht Minuten stilles Sitzen, bevor man das Kind ins Bett legt.
  • Methode hilft nicht nur, wenn ein Baby viel schreit, sondern kann auch bei Schlafprobleme des Babys unterstĂĽtzen.

Die Transportreaktion – bekannt auch bei Mäusen und Affen – sorgt für niedrigere Herzfrequenz und mehr Ruhe. Sie ist ein biologischer Reflex, der durch das Herumtragen ausgelöst wird.

Insgesamt zeigen die Studien: Die Ursache von Schreibabys und Schlafproblemen bei Babys haben oft genetische Hintergründe. Das kann entlasten – und realistische Erwartungen an elterliche Einflussmöglichkeiten fördern.

Quelle: dpa

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