Eineiige Zwillinge Mädchen. Eine riecht an einer Blume© Uliana Petrosian / iStock / Getty Images Plus
Eineiige Zwillinge teilen sich ihr Genmaterial zu einhundert Prozent.

Zwillingsforschung

MORAL LIEGT VERMUTLICH IN DEN GENEN

Eine neue Studie der Universität Amsterdam ergab niederschmetternde Erkenntnisse: Die Moral des Menschen kann nur zu einem Teil erworben werden – vielmehr bestimmen unsere Gene, was wir für ethisch wertvoll halten oder nicht.

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Psychologen gehen schon seit langem davon aus, dass viele unserer moralischen Vorstellungen letztlich durch Eigeninteresse bestimmt sind. Ein Beispiel: Menschen, die gerade hungrig sind, befürworten eher soziale Wohlfahrt. Und körperlich kräftige Menschen tendieren eher zu Moralsystemen, die Stärke belohnen. Jetzt untersuchte man die Einstellung gegenüber dem Konsum von Freizeitdrogen und diejenige gegenüber Sex ohne feste Bindung. Dazu befragten die Forscher tausende Zwillingspaare und ihre Geschwister.

Man ging dabei von der These aus, dass Drogenkonsum mit ausschweifendem Sexualverhalten assoziiert ist – und dies wiederum eine Bedrohung für Menschen darstellt, die viel in partnerschaftliche Beziehungen investieren. Inwieweit die Moralvorstellungen in den Bereichen Drogen und Sexualität jedoch zusammenhängen und ob sie eher durch unsere Gene oder durch unsere Umwelt bedingt sind, war allerdings noch unklar.

Die Studie

6000 ein- und zweieiige Zwillinge und über 2000 Geschwister von Zwillingen wurden nun von dem Wissenschaftsteam um Annika Karinen in Amsterdam befragt, und zwar zu ihren Einstellungen bezüglich Drogen und Sex: Da ging es um die Frage, ob sie Marihuana- Konsum auf Partys gut finden, Sex ohne feste Bindung oder beispielsweise Oralverkehr. Zusätzlich füllten die Probanden Fragebögen zu ihrer religiösen und politischen Orientierung aus.

Die Annahme der Zwillingsforscher: Da eineiige Zwillinge 100 Prozent des Genmaterials teilen, zweieiige Zwillinge und Geschwister hingegen nur 50 Prozent, weisen höhere Übereinstimmungen zwischen eineiigen Zwillingen auf einen genetischen Einfluss hin. Man konnte also Schlüsse ziehen, welche Anteile die Genetik, das gemeinsame Elternhaus und die gleiche Gemeinde sowie einzigartige Erfahrungen, die ein Mensch nicht mit seinen Geschwistern teilt, auf die Antworten hatte.
 

Eineiige Zwillinge weisen mehr Übereinstimmungen auf

Und das kam dabei heraus: Die Gene haben einen sehr großen Einfluss auf die Einstellung zu Drogen und Sex. In Forscherdeutsch klingt das so: „Die Zwillingsmodellierung deutet darauf hin, dass familieninterne Ähnlichkeiten sowohl bei der Verurteilung von Drogen als auch bei der sexuellen Strategie eher auf gemeinsame genetische als auf gemeinsame Umwelteinflüsse zurückgeht“. Das schließen die Wissenschaftler aus der Tatsache, dass die Antworten eineiiger Zwillinge zu den moralischen Fragen deutlich mehr übereinstimmten als die Antwort zweieiiger Zwillinge und anderer Geschwister. Das gemeinsame Elternhaus spielt nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen sind die moralischen Ansichten in Bezug auf Drogen und Sex der Studie zufolge zu rund 50 Prozent vererbbar – während die anderen 50 Prozent durch das soziale Umfeld erklärt werden. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Personen, denen beim Sex ein hohes Maß an Bindung wichtig ist, den Freizeitdrogenkonsum eher verurteilen, selbst wenn wir Persönlichkeitsmerkmale, Religiosität und politische Ideologie herausrechnen“, schreiben Karinen und ihre Kollegen. 75 Prozent dieser Korrelation lassen sich den Forschern zufolge durch genetische Effekte erklären, wobei 40 Prozent der Gene, die der Offenheit für unverbindlichen Sex zugrunde liegen, auch die moralischen Ansichten über Freizeitdrogen beeinflussen.

Eine interessante Frage sei in diesem Zusammenhang, inwieweit dies abseits von Drogen und Sexualität auch auf weitere Moralvorstellungen zutrifft. Können wir uns also noch selber retten, oder liegt einfach alles in den Genen? 

Quelle: www.wissenschaft.de

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