Nervenzellen, an deren Axone sich Anhäufungen aus einem anderen Material befinden.© Artur Plawgo/iStock/Getty Images Plus
Lecanemab markiert die Beta-Amyloid-Ablagerungen, die bei Alzheimer entstehen. So kann das Immunsystem sie erkennen und beseitigen.

Lecanemab

NEUES GEGEN ALZHEIMER-DEMENZ: WAS KANN LEQEMBI®?

Seit dem 1. September ist das neue Alzheimer-Medikament Leqembi® mit dem Wirkstoff Lecanemab auf dem deutschen Markt erhältlich. Es gilt als Durchbruch, da es in einem frühen Krankheitsstadium das Fortschreiten der Demenz signifikant reduziert. Wie und bei wem es wirkt, erfahren Sie hier.

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Bei dem Wirkstoff in Leqembi® handelt es sich um den monoklonalen Immunglobulin-Gamma-1(IgG1)-Antikörper Lecanemab. Im April erhielt das Präparat die EU-Zulassung, seit 1. September ist es sowohl in Deutschland als auch in Österreich verfügbar.

Die Markteinführung des Antikörpers wird wie eine kleine Sensation gefeiert. Denn erstmals wird ein Wirkstoff eingeführt, der in einem frühen Stadium von Morbus Alzheimer eingesetzt werden kann und dessen Verschlimmerung eingrenzt.

Grenzen von Leqembi®

Doch heilen kann Leqembi® die Krankheit nicht, der Antikörper greift nicht kausal ins Krankheitsgeschehen ein. Dämpfen Sie daher die Erwartungen ihrer Kund*innen zu Beginn einer Behandlung sanft. Darüber hinaus findet die Anwendung nicht durch die Betroffenen selbst statt, sondern in der ärztlichen Praxis oder speziellen Zentren, wie beispielsweise Gedächtnisambulanzen.

Das könnte sich aber in Zukunft ändern, denn der Hersteller Eisai hat bereits in den USA die Zulassung eines Autoinjektors beantragt. Aktuell ist Leqembi® als Durchstechflasche erhältlich.

Wie wirkt Lecanemab bei Alzheimer?

Der Antikörper Lecanemab in Leqembi® kann die Ablagerung von Beta-Amyloid im zentralen Nervensystem verhindern und damit in einem frühen Krankheitsstadium das Fortschreiten von Alzheimer verlangsamen. Es richtet sich gezielt gegen Protofibrillen, eine frühe Form der Ablagerungen, bei denen sich einzelne Proteinmonomere zu Faserbündeln zusammenlagern.

Lecanemab markiert die Proteinablagerungen, sodass das Immunsystem sie als körperfremd erkennt, angreift und den Abbau einleitet. Intakte Gehirnzellen sollen so erhalten bleiben. Demnach wirkt Leqembi® nicht gegen die Symptome einer Alzheimer Erkrankung, sondern verlangsamt die Bildung von Beta-Amyloid-Plaques. In einer großen Studie wurde der geistige Abbau bei Betroffenen, die Lecanemab erhielten, nach 18 Monaten um durchschnittlich 31 Prozent verlangsamt (versus Placebo).

Für welche Patient*innengruppe ist Leqembi® geeignet?

Der Einsatz des Antikörpers richtet sich vor allem an Menschen in einem frühen Alzheimer-Stadium mit geringen kognitiven Einbußen. Es wird sehr genau geprüft, wer Lecanemab erhalten darf:

  • Frühes Alzheimer-Demenz-Stadium oder milde kognitive Einschränkungen
  • Krankhafte Amyloid-beta-Ablagerungen müssen nachgewiesen sein.
  • Maximal eine Kopie des Risko-Gens ApoEε4 (bei mehr Kopien besteht ein höheres Risiko für Hirnblutungen, Gentest voraussetzend für Therapie).
  • Gerinnungshemmer erhöhen das Risiko von Hirnblutungen; Betroffene unter Antikoagulanzien scheiden für eine Therapie aus.

Die komplette Checkliste, die vor einer Behandlung mit Leqembi® ausgefüllt werden muss, umfasst 13 Fragen.

Ist Leqembi® der gefeierte Gamechanger?

Jein. Zwar handelt es sich bei Lecanemab um den ersten Wirkstoff, der in den krankhaften Prozess einer Alzheimer Erkrankung eingreift und den Prozess verlangsamen kann. Ein großer Fortschritt auf dem Weg, Alzheimer besser zu verstehen und irgendwann kausal bekämpfen zu können.  

Doch wirkt es nicht gegen die Symptome einer Demenz, zudem liegen noch keine Langzeitdaten vor. Antikörper stellen damit eine wertvolle Ergänzung des Alzheimer Sortiments dar, die sich gegen die Symptome richten.

Welche Nebenwirkungen gibt es bei einer Therapie mit Leqembi®?

In den Studien traten Hirnschwellungen und Hirnblutungen auf. In den meisten Fällen spürten Betroffene diese Nebenwirkungen nicht, wurden aber engmaschig kontrolliert. Besonders auffällig: Patient*innen mit mehr als einer Kopie des Gens ApoEε4 sind besonders gefährdet und daher von der Behandlung mit Leqembi® ausgeschlossen.

Sollte sich im Laufe der Therapie das Risiko für eine Hirnblutung erhöhen (z. B. weil ein Gerinnungshemmer eingenommen werden muss), wird die Therapie beendet. Ebenso wenn die Demenz in ein mittelschweres Stadium übergeht. Daneben kam es zu Kopfschmerzen und Infusionsreaktionen.

Wie läuft die Lecanemab-Behandlung ab?

Leqembi® wird als Infusion unter (fach)ärztlicher Aufsicht und/oder in speziellen Fachzentren verabreicht. Die Gabe erfolgt alle zwei Wochen und dauert circa eine Stunde. Vor Beginn und während der Behandlung sind MRT-Untersuchungen notwendig, um frühzeitig mögliche Hirnblutungen oder Hirnschwellungen zu identifizieren. Treten Nebenwirkungen auf, entscheiden die behandelnden Ärzt*innen über das weitere Vorgehen.

Sowohl die Ärzt*innen als auch die Patient*innen müssen an einem EU-weiten Kontrollprogramm teilnehmen (Controlled Access Program, CAP).

Gibt es genug Leqembi® für alle?

Die aufwendige Diagnostik und Infusionsgabe könnte zu einem Versorgungsproblem führen. Man rechnet mit einer großen Nachfrage – Fachzentren alleine, die technisch und personell gut aufgestellt sind, können die Versorgung wahrscheinlich nicht leisten. Niedergelassene neurologische Praxen könnten an ihre Kapazitätsgrenze gelangen.

Professor Dr. Thomas Duning, Chefarzt der Klinik für Neurologie, Klinikum Bremen Ost, äußerte sich gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung zu diesem Punkt so:

„Spezialisierte Einrichtungen können die Therapie leisten, dennoch bleibt es eine Engstelle im deutschen Gesundheitssystem. (…) Die ambulante Demenzdiagnostik mit neuropsychologischer Testung, Liquorpunktion, aufwendiger MRT-Bildgebung und genetischen Testungen ist aktuell nicht ausreichend refinanziert, sodass sie trotz Zulassung des Medikaments sicher nicht ausreichend angeboten werden wird.“

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/wie-kommt-man-an-das-neue-alzheimer-medikament-158453/seite/alle/?cHash=4be07cfc31af36ab541b2617973aeeb0
https://www.ema.europa.eu/de/documents/product-information/leqembi-epar-product-information_de.pdf
https://www.alzheimer-forschung.de/forschung/aktuell/ban2401/

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